Prof. Dr. Jochen A. Werner über die Krankenhausreform
Wie sieht die Zukunft der Medizin aus? Welche aktuellen Trends und Entwicklungen gibt es in der Gesundheitsbranche? Und wie ist der Status quo in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens?
Diesen und vielen weiteren spannenden Fragen gehen die Co-Hosts des BIG BANG HEALTH FESTIVAL, Prof. Dr. Jochen A. Werner Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen , und Prof. Dr. David Matusiewicz , Dekan und Institutsdirektor an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management f, in ihrer monatlichen Kolumne nach.
Die beiden Gründer des Digital Health-Ökosystems 10xD werden uns zeigen, welche zentrale Rolle die Digitalisierung für die Zukunft unseres Gesundheitswesens spielt. Den Anfang macht Prof. Dr. Jochen A. Werner mit seinem Beitrag über die Krankenhausreform:
Jetzt oder nie: Reformieren statt diskutieren!
Die Lösung für ein besseres Gesundheitswesen ist in greifbarer Nähe, aber Detaildiskussionen bedrohen wieder einmal den Startschuss. Ist das jetzt das Todesurteil der Reform? Und welchen Stellenwert bekommt die Digitalisierung des Gesundheitswesens?
Anfang des vergangenen Jahres habe ich gesagt: 2023 wird das Jahr der politischen Entscheidungen. Wirklich passiert ist aber kaum etwas. Jetzt, 2024, bekommen wir eine neue Chance. Mit dem Referentenentwurf zur Krankenhausreform ist ein Lösungsansatz in Sicht, der sicherlich noch nicht perfekt, aber der nötige erste Schritt ist.
Endlich befasst sich die Politik konkret mit der Spezialisierung von Kliniken und einer Konsolidierung der Krankenhauslandschaft. Endlich soll es im Krankenhaus nicht mehr um Profit, sondern um eine verbesserte Versorgungsqualität gehen – wirtschaftliches Arbeiten schließt dies beileibe nicht aus. Und endlich sollen Krankenhäuser so geplant werden, dass in allen Bereichen eine medizinische Grundversorgung gesichert werden kann und sich gleichzeitig hochspezialisierte Versorgungszentren um ihren Fachbereich kümmern können. Aber was passiert? Es brechen kleinteilige Detaildiskussionen um Partikularinteressen aus, statt endlich etwas anzupacken.
Digitale Umstrukturierung als Schlüssel zum Erfolg
Natürlich ist ein Teil der Kritik berechtigt. Der Krankenhausalltag wird nicht über Nacht effizient, alle Häuser leiden dauerhaft unter Fachkräftemangel, und auch die beste Strukturreform wird nicht ausnahmslos für jede Region geeignet sein, dafür sind die Aufräumarbeiten nach jahrzehntelangem Missmanagement und Fehlanreizen zu umfangreich. Aber: Endlich passiert etwas, und die generelle Fahrtrichtung hin zu einer stabilen Finanzierung sowie „der richtige Patient im richtigen Bett“ ist stimmig.
Was das Gesundheitswesen nach wie vor braucht, ist eine vernünftige digitale Umstrukturierung. Der im Reformentwurf niedergeschriebene Transformationsfonds soll Krankenhäuser bei der Umstrukturierung unterstützen – die Frage ist nur, inwieweit hier auch digitale Maßnahmen finanziert werden sollen oder ob sie abermals hinten überfallen. Natürlich kosten solche Maßnahmen Geld, aber wie bei so vielen Dingen müssen wir manchmal auch dann etwas investieren, wenn der Return on Investment nicht unmittelbar an nackten Zahlen zu messen ist.
Dabei kann die Digitalisierung meines Erachtens offensichtliche Lösungen schaffen. Wenn das Personal vom administrativen Aufwand entlastet wird, bleibt wieder mehr Zeit für Patienten. Die Medizin kann sich wieder stärker ihrer Ur-Aufgabe widmen: Menschen bestmöglich und empathisch zu versorgen. Und das spüren am Ende Patienten, Angehörige und auch die Mitarbeitenden. Best Practice: Die Universitätsmedizin Essen Dass das funktionieren kann, sehen wir jeden Tag an der Universitätsmedizin Essen. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere klinikübergreifende elektronische Patientenakte, die wir bereits 2018 eingeführt haben. Wir haben ein digitales Service- und Informationscenter, das Anrufe kanalisiert, zielgerichtet bereits erste Hilfestellungen geben kann und nach Möglichkeit mit der richtigen Ansprechperson verbindet. Wir haben ein volldigitalisiertes OP-Zentrum und sind mit unserem Institut für Künstliche Intelligenz, die bei uns schon in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommt, konsequent dabei, die Medizin in vielen Bereichen zu verbessern.
Das alles hat bei uns funktioniert, weil wir – ganz undeutsch – nicht die perfekte Lösung angestrebt, sondern aktiv angefangen haben, Problemlücken zu schließen und Prozesse zu optimieren. Nichts war vom ersten Tag an makellos, aber es ging immer mit Dynamik in die richtige Richtung. Dabei haben wir bei all unserem Tun konsequent den Menschen in den Mittelpunkt gestellt und uns, unterstützt von einem eigens gegründeten „Institut für Patientenerleben“, genau an deren Bedürfnissen orientiert. „Human Hospital“ ist zweifellos der geeignete Überbegriff für die Summe aller Anstrengungen. Ganz maßgeblich für den Erfolg war aber, dass wir uns kein festes Endziel gesetzt, sondern Maßnahmen fortlaufend weiterentwickelt haben. Wir haben eben einfach „gemacht“.
Auch der Entwurf der Krankenhausreform ist auf Bundes- und später auf Länderebene ein eminent wichtiges Startsignal. Eine Lösung ist greifbar. Sie wird niemals perfekt sein, aber signifikant besser als der aktuelle Status. Daher dürfen wir uns gerade jetzt am Anfang nicht wieder in den Details einzelner Interessenten verlieren und das Momentum verlieren. Das aktuelle Zeitfenster für die Klinikreform könnte auf lange Zeit unsere letzte Chance für spürbare und wirksame Verbesserungen in der Krankenversorgung sein.