Reform der ESOP-Besteuerung durch das „Fondsstandortgesetz“

Reform der ESOP-Besteuerung durch das „Fondsstandortgesetz“

Das Bundesministerium der Finanzen hat am 30.10.2020 einen ersten Referentenentwurf und am 2.12.2020 einen überarbeiteten Referentenentwurf für das sog. „Fondsstandortgesetz“ (kurz „FoG-RefE“) vorgelegt. Der Gesetzesentwurf sieht u.a. eine grundlegende Reform der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen in Start-up Unternehmen vor.

Auch wenn sich viele (einschließlich des Autors) für eine noch weitergehende Reform ausgesprochen haben: der vorliegende Reformvorschlag kann für Mitarbeiterbeteiligungen in Start-up Unternehmen einen Paradigmenwechsel und für den Innovationsstandort Deutschland und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit einen wertvollen Impuls bedeuten. Einige Aspekte des Reformvorschlags müssen jedoch überarbeitet werden, damit der Reformvorschlag zu einem durchgreifenden Erfolg wird.

Der Reformvorschlag im Überblick

Durch das FoG-RefE soll der mit Wirkung zum Kalenderjahr 2009 aufgehobene § 19a des Einkommensteuergesetzes wiederbelebt werden. § 19a EStG a.F. enthielt bereits Regelungen betreffend die steuerliche Behandlung bestimmter Mitarbeiterbeteiligungen. Der Regelungsgehalt des „neuen“ § 19a EStG-E ist nun im Wesentlichen folgender:

  • Die unentgeltliche oder verbilligte Übertragung einer Beteiligung an einem Start-up Unternehmen führt nicht automatisch zur sofortigen Lohnversteuerung des damit einhergehenden geldwerten Vorteils. Es fallen lediglich Sozialversicherungsbeiträge an.
  • Stattdessen wird die auf den geldwerten Vorteil entfallende Lohnsteuer mit Zustimmung des Arbeitnehmers zunächst nicht erhoben (sowohl – arbeitgeberseitig – im Lohnsteuerabzugsverfahren als auch im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer des Arbeitnehmers). Rechtstechnisch handelt es sich hierbei nicht um eine Stundung im eigentlichen Sinne, sondern um einen Besteuerungsaufschub. Der an sich der Lohnsteuer unterliegende geldwerte Vorteil (abzüglich des Freibetrags gem. § 3 Nr. 39 EStG) wird im Lohnkonto verzeichnet.
  • Eine Besteuerung von „Dry Income“, also eine Besteuerung ohne gleichzeitigen Zufluss von Liquidität, findet somit nicht mehr statt. Lediglich Sozialversicherungsbeiträge sind (im Rahmen der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen) zu entrichten (dies ergibt sich aus § 1 Nr. 1 SvEV, der wiederum durch Artikel 7 Abs. 7 FoG entsprechend geändert werden soll).
  • Der gemeine Wert (Verkehrswert) der Unternehmensbeteiligung im Zeitpunkt der Einräumung stellt deren Anschaffungskosten im steuerlichen Sinne dar und ist bei der späteren Veräußerung der Beteiligung zu berücksichtigen.
  • Jedwede nachgelagerten Zuflüsse aus der Unternehmensbeteiligung (also insbesondere Gewinnausschüttungen bzw. Dividenden und Veräußerungsgewinne) unterliegen der Kapitalbesteuerung (d.h., in Abhängigkeit von dem Umfang der Beteiligung, der sog. Abgeltungssteuer oder dem sog. Teileinkünfteverfahren).
  • Die zunächst nicht erhobene Lohnsteuer wird fällig, wenn die eingeräumte Unternehmensbeteiligung veräußert wird (oder ein sonstiger Realisationstatbestand gegeben ist), wenn seit der Einräumung zehn Jahre vergangen sind oder wenn das Dienstverhältnis endet.
  • Ist der Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung seit der Einräumung gesunken, unterliegt nur der – im jeweiligen Realisationszeitpunkt – aktuelle Verkehrswert der Lohnbesteuerung. Zwischenzeitliche Wertverluste werden steuerlich also vollständig berücksichtigt.
  • Sind seit der Einräumung der Unternehmensbeteiligung mindestens drei Jahre vergangen, gilt für die nachgelagerte Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Einräumung einer Unternehmensbeteiligung die sog. „Fünftel-Regelung“ gem. § 34 EStG. Dies kann zu einem erheblichen Progressionsvorteil bei der Einkommensbesteuerung führen.
  • Das vorstehende „Stundungsmodell“ gilt nur für Start-up Unternehmen, die im Zeitpunkt der Anteilsüberlassung die KMU-Definition der EU erfüllen und nicht älter als zehn Jahre sind (§ 19a Abs. 3 EStG-E).

In zeitlicher Hinsicht soll das Stundungsmodell für Unternehmensbeteiligungen gelten, die nach dem 30.06.2021 eingeräumt werden (§ 52 Abs. 27 EStG-E).

Einzelheiten des Reformvorschlags

Das durch § 19a EStG-E eingeführte „Stundungsmodell“ soll nur für einen eng begrenzten Kreis von Start-up Unternehmen gelten. Zudem ist der durch § 19a EStG gewährte Besteuerungsaufschub zeitlich befristet (zehn Jahre) bzw. auflösend bedingt auf die Beendigung des jeweiligen Dienstverhältnisses. M.E. sind dies die wesentlichen konzeptionellen Schwachstellen des vorliegenden Reformvorschlags.

Für die Gestaltungspraxis werden sich zudem einige Herausforderungen in der konkreten Umsetzung des Reformvorschlags ergeben – insbesondere Fragen der Unternehmensbewertung werden künftig eine große Rolle spielen. In diesem Zusammenhang wäre eine einheitliche und praktikable Handhabe durch die Finanzverwaltung wünschenswert. Der Gesetzgeber sollte hier für Rechtssicherheit und klare Vorgaben bzw. Rahmenbedingungen sorgen.

Begünstigte Formen der Unternehmensbeteiligung

Das „Stundungsmodell“ gem. § 19a EStG-E gilt nur für eine begrenzte Auswahl an Beteiligungsformen. Die Unternehmensbeteiligung muss als „Vermögensbeteiligungen“ i.S.d § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), b) und f) bis l) sowie Abs. 2 bis 5 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes (5. VermBG) qualifizieren. Dies entspricht den Beteiligungsformen, für die auch der steuerliche Freibetrag gem. § 3 Nr. 39 EStG gilt (der durch das FoG-RefE von 360 Euro p.a. auf 720 Euro p.a. verdoppelt werden soll). Hierzu zählen insbesondere:

  • Aktien (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) 5. VermBG),
  • GmbH-Geschäftsanteile (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h) 5. VermBG) an einem Unternehmen mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland,
  • bestimmte Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) 5. VermBG), und
  • bestimmte Genussscheine und Genussrechte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f) und l) 5. VermBG) sowie stille Beteiligungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i) 5. VermBG).

Nicht unter das Stundungsmodell gem. § 19a EStG-E fallen somit virtuelle Beteiligungen, virtuelle Anteilsoptionen, sog. Phantom Stocks, Stock Appreciation Rights (SAR) und vergleichbare, in Start-up Unternehmen übliche (virtuelle) Beteiligungsformen. Bei solchen virtuellen Beteiligungen kommt es zur Lohnbesteuerung ohnehin erst, sobald dem Arbeitnehmer aus der virtuellen Beteiligung Geld zufließt. Für einen weitergehenden Besteuerungsaufschub besteht demnach kein Bedürfnis. Umgekehrt findet bei virtuellen Beteiligungsformen auch unter Geltung des § 19a EStG-E keine Kapitalbesteuerung statt. Man könnte zwar erwägen, virtuelle Beteiligungen künftig als (nicht verbriefte) Genussrechte auszugestalten; da das Genussrecht dem Grunde nach aber ein Fremdkapital-Finanzierungsinstrument ist, ist es an sich nicht passend.

Im Vorfeld des Referentenentwurfs war erwogen worden, virtuelle Unternehmensbeteiligungen an Start-up Unternehmen schlicht in den Katalog der Kapitaleinkünfte vermittelnden Stammrechte gem. § 20 Abs. 1 EStG aufzunehmen (analog dem sog. eigenkapitalähnlichen Genussrecht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Dies hätte jedoch eine systematische Durchbrechung bei den Einkunftsarten bedeutet, was nach der Begründung des FoG-RefE gerade nicht gewollt war (vgl. S. 107 des ersten Referentenentwurfs vom 30.10.2020, S. 113 des überarbeiteten Referentenentwurfs vom 2.12.2020).

Begünstigt sind nach § 19a EStG-E allein Mitarbeiterbeteiligungen, die „einem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber“ eingeräumt werden. Der Gesetzeswortlaut ist an dieser Stelle missverständlich. Erfasst werden m.E. (entgegen dem Gesetzeswortlaut) auch Unternehmensbeteiligungen an Konzern-Muttergesellschaften. Das ergibt sich daraus, dass § 19a Abs. 1 EStG-E auch auf § 2 Abs. 2 5. VermBG verweist. Durch diesen Verweis werden Aktien und GmbH-Beteiligungen an Konzern-Muttergesellschaften, die das Arbeitgeberunternehmen i.S.d. § 18 AktG beherrschen, in den Anwendungsbereich des § 19a EStG-E mit einbezogen, was m.E. in der Sache auch richtig ist. Ein klarstellender Hinweis, wie er auch in § 3 Nr. 39 Satz 3 EStG enthalten ist, wäre sicher hilfreich.

Ebenso sollte das Stundungsmodell gem. § 19a EStG-E explizit auch für mittelbare Unternehmensbeteiligungen, die über ein Beteiligungsvehikel – etwa eine Mitarbeiter-KG – erworben und gehalten werden, geöffnet werden. Start-up Unternehmen in Deutschland sind in aller Regel als GmbH verfasst. Diese Rechtsform ist auf einen überschaubaren, personalistischen Gesellschafterkreis ausgerichtet. In der Praxis wird sich ein starkes Bedürfnis ergeben, einen größeren Mitarbeiterkreis über eine gemeinsame Zwischengesellschaft, eben etwa eine Mitarbeiter-KG, gesellschaftsrechtlich zu bündeln. Auf diese Weise werden vielfach auch andere (Klein-)Gesellschafter (z.B. Business Angels) gepoolt, um die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse zu vereinfachen.

Auch Anteilsoptionen – also die klassischen „Employee Stock Options“ – sind von § 19a EStG-E nicht erfasst, auch wenn es bei ihnen (z.B. durch Einlage in eine Kapitalgesellschaft oder einen anderen Realisationstatbestand) zu einem lohnsteuerlich relevanten Zufluss i.S.d. §§ 11 Abs. 1, 38a Abs. 1 EStG kommt. Erfasst ist m.E. indes die Ausübung einer Anteilsoption, die nach st. BFH-Rechtsprechung und gefestigter Verwaltungspraxis zu einem Lohnzufluss gem. §§ 11 Abs. 1, 38a Abs. 1 EStG führt.

Insofern sind Start-up Unternehmen, die ihre Mitarbeiterbeteiligungsprogramme schon bisher als echtes Anteilsoptionsprogramm („Straight Equity-Programm“) ausgestaltet haben, im Vorteil. Im Rahmen solcher Programme kann schon heute zum „Stundungsmodell“ optiert werden, sobald Anteilsoptionen tatsächlich ausgeübt werden. Start-ups mit virtuellen Optionsprogrammen werden diese zunächst mit einigem Aufwand umstrukturieren müssen, um ihren Mitarbeitern die günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen des § 19a EStG-E eröffnen zu können. Sie werden wohl auch kaum eine Wahl haben, wenn sich das „Stundungsmodell“ als Vorteil im Wettbewerb um Talente erweist (wovon auszugehen ist).

Begünstigte Unternehmen

Das „Stundungsmodell“ gilt nach § 19a Abs. 3 EStG-E nur für Start-up Unternehmen, die im Zeitpunkt der Überlassung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung die KMU-Definition der EU erfüllen und nicht älter als zehn Jahre sind.

Der erste Referentenentwurf (vom 30.10.2020) sah an dieser Stelle noch vor, dass das Arbeitgeberunternehmen oder eine beim Arbeitgeberunternehmen vorgenommene Investition im Jahr der Übertragung der Unternehmensbeteiligung oder in den vier vorangegangenen Kalenderjahren die Voraussetzungen eines öffentlichen Förderprogramms erfüllt haben musste (z.B. Existenzgründungen aus der Wissenschaft (Exist), Gründerstipendien der Länder, Richtlinie zur Bezuschussung von Wagniskapital privater Investoren für junge innovative Unternehmen – INVEST – Zuschuss für Wagniskapital, High-Tech Gründerfonds, Förderkredite der Förderbank KfW und eines Landesförderinstituts). Hierüber sollte eine Bescheinigung des BAFA eingeholt bzw. vorgelegt werden.

Nach dem überarbeiteten Referentenentwurf (vom 2.12.2020) können Start-up Unternehmen vom Stundungsmodell gem. § 19a EStG-E profitieren, solange sie weniger als 250 Mitarbeiter haben und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR erzielen oder eine Bilanzsumme von höchstens 43 Mio. EUR aufweisen. Dies sind die relevanten Größenkriterien der aktuellen KMU-Definition der EU.

M.E. wäre zu erwägen, den zeitlichen Anwendungsbereich auszuweiten, etwa entsprechend den Vorgaben des ursprünglichen Referentenentwurfs (vom 30.10.2020). So könnten etwa auch Start-up Unternehmen erfasst werden, die im Jahr der Anteilsübertragung selbst oder in den vier vergangenen Kalenderjahren (letztmalig) die KMU-Definition der EU erfüllt haben. Auf diese Weise würden auch die Start-up Unternehmen von „Stundungsmodell“ profitieren können, die sich in der Wachstumsphase befinden – einer Phase, in der Mitarbeiterbeteiligung tatsächlich auch noch einmal eine große praktische Bedeutung hat und bei der das „Stundungsmodell“ im internationalen Vergleich eine substanzielle Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen darstellen würde.

Zu überlegen wäre m.E. auch, den zeitlichen Anwendungsbereich des „Stundungsmodells“ auf andere Weise abzugrenzen, etwa indem es pauschal in den ersten zehn Jahren nach Unternehmensgründung angewendet werden kann.

Ende des Besteuerungsaufschubs (Realisationstatbestände)

Der durch § 19a Abs. 1, 2 EStG-E gewährte Besteuerungsaufschub endet nach § 19a Abs. 4 EStG-E in den folgenden Fällen:

  • bei Eintritt eines Realisationstatbestands,
  • nach Ablauf von zehn Jahren seit der Übertragung der Unternehmensbeteiligung, oder
  • wenn das Dienstverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber endet.

Dass die Steuerstundung mit Eintritt eines Realisationstatbestandes – Verkauf der Unternehmensbeteiligung, Einbringung der Unternehmensbeteiligung in ein Betriebsvermögen, verdeckte Einbringung der Unternehmensbeteiligung etc. – ist. m.E. eine Selbstverständlichkeit. Im Falle des Verkaufs der Unternehmensbeteiligung endet das Stundungsbedürfnis. Die weiteren (Ersatz-)Realisationstatbestände hat der jeweilige Arbeitnehmer in der Hand bzw. sie sind vermeidbar. Würde in diesem Fällen der Zufluss (i.S.v. §§ 11 Abs. 1, 38a Abs. 1 EStG) weiter hinausgezögert, würde dies einen konzeptionellen Systembruch bedeuten, für den es kein erkennbares Bedürfnis gibt.

Wenig hilfreich und m.E. die wesentliche Schwachstelle im Referentenentwurf sind die zeitliche Befristung (zehn Jahre) des Besteuerungsaufschubs und die auflösende Bedingung, dass der Besteuerungsaufschub mit der Beendigung des Dienstverhältnisses endet.

  • Auch wenn § 19a Abs. 4 EStG-E die vollständige Berücksichtigung von Wertverlusten berücksichtigt, kann die zeitliche Befristung des Besteuerungsaufschubs dazu führen, dass der Mitarbeiter die Besteuerung von „Dry Income“ in Kauf nehmen muss, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt. Dieses Risiko wird es für viele Mitarbeiter in Start-up Unternehmen – wahrscheinlich die ganz überwiegende Mehrheit – unattraktiv machen, eine Mitarbeiterbeteiligung einzugehen, auch wenn hierfür das „Stundungsmodell“ in Betracht kommt. M.E. gibt es für die zeitliche Befristung des Besteuerungsaufschubs auch kein praktisches Bedürfnis.
  •  Als ebenso gewichtiges, möglicherweise sogar noch größeres, praktisches Hemmnis wird sich die in § 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG-E vorgesehene, auflösende Bedingung des Besteuerungsaufschubs erweisen. Dass die Steuerstundung bei einem Arbeitgeberwechsel endet, bewirkt de facto ein kaum hinzunehmendes Kündigungserschwernis. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sehen ohnehin vor, dass eine Unternehmensbeteiligung über Zeit (während fortdauernder Betriebszugehörigkeit) erdient werden muss. Es bedarf hier also keiner weitergehenden Hemmnisse bzw. Anreizwirkungen durch den Gesetzgeber. Auch praktische Erwägungen (etwa die Fortführung des Lohnsteuerkontos) sollten hier nicht ausschlaggebend sein; die nach § 19a EStG-E zunächst nicht erhobene Lohnsteuer kann auch in der Steuerakte beim jeweiligen Veranlagungsfinanzamt hinterlegt werden. Alternativ könnte man auch über ein echtes Stundungsmodell sowie über eine Meldepflicht des Mitarbeiters nachdenken, dass er die Unternehmensbeteiligung weiter hält (analog § 22 Abs. 3 UmwStG oder § 13a Abs. 7 ErbStG).

Praktische Herausforderungen

Mit dem „Stundungsmodell“ werden Bewertungsfragen eine noch gewichtigere Rolle als bisher einnehmen. Die Ermittlung des gemeinen Werts (Verkehrswerts) einer Unternehmensbeteiligung im Start-up Bereich ist durchaus herausfordernd, da die üblichen Bewertungsmethoden (z.B. Multiples, DCF-Methode) in der Regel noch nicht anwendbar sind. Es fehlt meist auch eine hinreichend aussagekräftige (Finanz-)Historie, um eine Unternehmensbewertung entlang – auch im Finanzamt – üblicher Bewertungsmethoden zu validieren.

Für die Ermittlung des Verkehrswerts einer Unternehmensbeteiligung wird man auch nicht ohne weiteres auf die im Start-up Bereich häufig stattfindenden Eigenkapitalfinanzierungen zurückgreifen können. Diese sind zwar ein Bewertungsanlass i.R.v. § 11 BewG (auf den für die Ermittlung des gem. § 19a EStG-E zu stundenden geldwerten Vorteils i.S.v. § 8 Abs. 1 EStG zurückzugreifen ist). Die bei Eigenkapitalfinanzierungen zugrunde gelegten Bewertungen sind indes vor allem in der Frühphase eher eine „Rechengröße“ als eine Unternehmensbewertung im klassischen Sinne. Zu berücksichtigen ist hier z.B., dass im Rahmen von Venture Capital-Investitionen sog. Erlös- und Liquidationspräferenzen zugunsten der Eigenkapitalgeber vereinbart werden. Die bei einer Finanzierungsrunde ausgegebenen Anteile an einem Start-up Unternehmen (sog. Vorzugsgeschäftsanteile) haben dadurch ein anderes Chancen-/Risikoprofil als sog. Stammgeschäftsanteile, die von Gründern und Mitarbeitern gehalten werden.

In den USA hat sich in diesem Zusammenhang die sog. „409A-Bewertung“ als spezieller Bewertungsrahmen für Start-up Unternehmen etabliert. Für Zwecke der praktischen Handhabe von § 19a EStG-E wäre dies ein denkbares Modell, und tatsächlich gibt es vereinzelt schon heute Absprachen mit Betriebsfinanzämtern, die die sog. „409A-Bewertung“ auch für deutsche steuerliche Zwecke zur Verkehrsermittlung akzeptieren (und dies im Rahmen von Lohnsteueranrufungsauskünften zugesichert haben). Dies betrifft indes nur Start-ups, die auch in den USA aktiv sind und daher regelmäßig zur Erstellung sog. „409A-Bewertung“ verpflichtet sind.

In Deutschland ist die Verwaltungspraxis hingegen noch weitgehend uneinheitlich. Viele Betriebsfinanzämter treffen etwa im Lohnsteueranrufungsverfahren keine Aussage zu Bewertungsfragen (und zwar weder zur Methodik noch zu konkreten Bewertungen). Das ist zwar contra legem, entspricht aber der Verwaltungsrealität. Sofern in der Begründung zum FoG-Ref auf das Lohnsteueranrufungsverfahren abgestellt wird, wird sich eine – für den praktischen Erfolg des Stundungsmodells gem. § 19a EStG-E notwendige – Rechtssicherheit nur einstellen, wenn in diesem Zusammenhang auch die gegenwärtige Praxis der Finanzverwaltung verändert und vereinheitlicht wird.

Matthias S.

Chief Technology Advisor bei social sweethearts GmbH

3 Jahre

Sehr geehrter Herr Möllmann! Vielen Dank für den spannenden und detaillierten Artikel! Erlauben Sie mir eine allgemeine Frage: Wie würde sich diese Änderung auf bereits bestehende VSOPs (Phantom Shares) auswirken? Diese sind ja bereits übliche Praxis in vielen Firmen. Gäbe es die Möglichkeit mit bestehenden VSOPs die neue Besteuerung zu nutzen?

Vielen Dank für den hervorragenden Artikel zum aktuellen Gesetzesentwurf zur ESOP-Besteuerung. Ich kann Ihren Verbesserungsvorschlägen nur zustimmen: Aus meiner Sicht müssten insbesondere der Besteuerungsaufschub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach zehn Jahren fortbestehen, damit sich der "neue ESOP" gegenüber dem aktuell verbreiteten VSOP-Modell durchsetzt. Die meisten Mitarbeiter werden die sichere Vermeidung von "Dry Income" einem möglichen Steuervorteil vorziehen.

Peter Möllmann

M&A/Tax Lawyer & Managing Director @PXR | Co-Founder of PXR and SMP | Business Angel investing in B2B LegalTech and LegalAI companies | Ex-McKinsey

3 Jahre

Das BMF hat am 2.12.2020 einen überarbeiteten Referentenentwurf vorgelegt. Dieser sieht nun vor, dass Start-up Unternehmen, die die KMU-Kriterien der EU erfüllen, vom Besteuerungsaufschub gem. § 19a EStG-E profitieren können. Im ursprünglichen Referentenentwurf (vom 30.10.2020) wurde noch auf öffentliche Förderprogramme abgestellt. Ich habe den Beitrag entsprechend überarbeitet. M.E. wird das "Stundungsmodell" damit noch attraktiver. Es verbleiben nun nur noch wenige Schwachstellen: mittelbare Unternehmensbeteiligungen (Stichwort: Pooling), zeitliche Befristung bzw. auflösende Bedingung des Besteuerungsaufschubs, Rechtssicherheit (Einheitlichkeit) bei der Finanzamtspraxis zu Bewertungsfragen. Zudem wäre es m.E. gut, den zeitlichen Anwendungsbereich zu erweitern (analog dem ursprünglichen Referentenentwurf vom 30.10.2020), sodass auch Scale-ups vom "Stundungsmodell" profitieren können. Nikolas Samios, Lars Hoffmann, Roland Kuhn, Tom Braegelmann

Tom Braegelmann

Rechtsanwalt / Attorney and Counsellor at Law (New York)

3 Jahre

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