Rettet den Zufall! Warum uns unerwartete Entdeckungen glücklich machen (und eine algorithmisierte Welt gefährlich ist), Teil 3
Dies ist der dritte und letzte Teil einer Serie über „Serendipity“. Den ersten Teil („Der feine Unterschied zwischen Mensch und Maschine“) finden Sie hier, den Zweiten („8 Gründe für die Gefahr der berechneten Welt“) finden Sie hier.
TEIL 3:
Wir müssen die Personalisierung im Internet nicht stoppen, sondern gestalten – 3 Empfehlungen
Es wäre naiv zu glauben, wir könnten die Personalisierung im Internet noch zurückdrehen oder stoppen. Darum geht es auch nicht. In vielerlei Hinsicht haben personalisierte Angebote Vorteile. Deshalb ist es Unsinn, sie in einem kulturpessimistischen und technikfeindlichen Aufschlag zu verdammen. Wenn es aber darum geht, den Nutzer als ganze Person zu berechnen, dann hat das Folgen, die wir überdenken müssen. Drei Ansätze einer Kulturkritik des algorithmisch personalisierten Internet sind dabei von Bedeutung:
- Diskurs über „algorithmic literacy“
Es ist an der Zeit, auch im deutschsprachigen Raum eine offene Diskussion über diese Entwicklung zu führen. Wenn die meisten Politiker schon keinen Schimmer haben, worum es hier geht, und deshalb selbst nicht in der Lage sind, die Debatte zu führen, dann muss das durch eine Graswurzelbewegung geschehen. Die Kernfragen dabei sind:
(a) Wie können die auf Algorithmen basierenden Personalisierungsstrategien offen gelegt werden, damit jeder Nutzer entscheiden kann, ob er sich dem aussetzen will oder nicht?
(b) Kann es eine Wahlmöglichkeit zwischen personalisierter und nicht personalisierter Suche und Kommunikation im Netz geben, die es den Menschen ermöglicht, sich der totalen Berechnung ihrer Persönlichkeit wenigstens zeit- oder teilweise zu entziehen?
(c) Wie können mehr Zufallselemente in die Algorithmen eingebaut werden?
- Ungewissheit und Zweifel
Von der algorithmischen Demut vor der Falsifizierbarkeit unserer Wirklichkeitsentwürfe ist bislang nichts bekannt. Das verändert unser Welt- und Menschenbild paradigmatisch. Es ist, was so berechnet ist. Das Leben in einer derart positivistischen Welt wird uns verändern. Wer nicht im digitalen Panopticon leben will, muss auf Unsicherheit und Zweifel als Voraussetzung von Freiheit bestehen.
- Medien, die von Menschen gemacht werden
Nur eine Redaktion gewährleistet einen journalistischen Gegenentwurf zu den algorithmischen Berechnungen unserer Lebenswelt, die uns Anbieter wie „Demand Media“ liefern. Sie bieten uns das, was wir zu suchen gewusst haben, denn die Suchanfragen bei Google und die Likes auf Facebook sind ihre Berechnungsgrundlage für jeden „Artikel“, der von „Demand Media“ ins Netz gestellt wird. Wir brauchen aber auch das, wonach wir nicht zu suchen gewusst haben, das überraschende Angebot, das ein bislang unberechnetes Interesse bei uns weckt.
Eine durch Algorithmen berechnete Welt ist nicht nur öde und langweilig. Sie ist auch der unsoziale Entwurf einer perfekt individualisierten Vermarktungsgesellschaft. Victor Hugo hat in „Die Elenden“ geschrieben: „Die großen Zufälle sind das Gesetz. Die Ordnung der Dinge kann nicht auf sie verzichten.“ Heute sind Zufälle nicht mehr Gesetz, nicht einmal die kleinen. Verzichten aber können wir nicht auf sie, auch nicht im Internet. Mit dem Zufall retten wir auch das, was den Menschen von der Maschine unterscheidet. Also: Retten wir ihn, den Zufall!
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Former Interim Appointed CEO @ CyberRock
7 JahreDen Menschen macht es wenig aus das sie überwacht werden alles wird langsam normal oder ist wenig bekannt siehe Google Analystics in der regel auf mehr als 68% aller häufig besuchten seiten vorhanden ,die meisten menschen haben gar kein Vorwissen oder Interesse sich damit zu beschäftigen weder über RFID Chips noch über Digitales Markting und welche Faktoren sich auf den Preis auswirken wie Betriebsystem,Land und etc ... aber man muss auch ganz klar von den Vorteilen von IOT und Industrie 5.0 sprechen (Ja 5.0 richtig gelesen) (aus ökonomischer Sicht) Wenn man bedenkt wie sich unser Verständnis von Markting verändert hat seit Edward Barnays können sie sich ja ja vorstellen das die "Stärkere Vorgehensweise" Exponentiell ansteigt. Ich finde ihren Artikel sehr Interessant. Tom Oliver Hansen
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8 Jahreganz hervorragende Gedanken, Analyse und sehr geistreiche Konstrukte Danke Frau Meckel, ein Patient von mir (bin selber Masseur in der Reha) hat mal gesagt : wir enden wohl alle mal als wohlgenährte Rentner vor dem Fernseher oder anderen digitalen Errungengenschaften und das in gelben Werbegeschenkanzügen von ....... Quelle - dem ersten großen Vorkämpfer von Media-shopping - wieviel multi multi ... Media Schöpfungen dürfen wir noch erleben bis der uns Menschen angeborene, unerschöpliche ? Wissens-,Medienhunger uns irgendwann verläßt und uns im Alter gelassener und individueller werden läßt ? - ja was der Silver- und der Jungen Generation da noch alles in der Beziehung wiederfahren wird lässt uns in Zukunft noch viele interessante Intermezzos und Entwicklungen erwarten - das wird auf jeden Fall spannend herzliche Grüße aus dem Schwarzwald Michael Braus !
Human Design Experte | LinkedIn Top Voice
8 JahreDas wird nicht mehr zu stoppen sein. Wir Menschen wollen das so. Auch wenn wir im innersten das Gefühl haben, dass hier was gravierend falsch läuft. Wir werden dennoch Roboter haben, wir werden durchleuchtet werden, wir werden verrechnet, kategorisiert und eingeordnet. Keiner kann mehr was dagegen tun. Das ist leider auch eine Wahrheit.
Business Angel and Mentor of the Software Fanatics GmbH and The FFanatics GmbH, Senior Digital Executive and Mentor.
8 JahreIch gebe Ihnen Recht, Frau Meckel, eine Diskussion ist notwendig. Ich weiss jedoch nicht, was mir zuweilen mehr Sorge bereitet, der berechnende Journalist, der das Ziel einer speziellen Meinungsbildung verfolgt, oder der Algorithmus, der mir meine Auswahl selektiert. Beides bezeichne ich nicht als Zufall. Zufall entsteht durch aktives Handeln und Denken. Wir sollten uns beidem gegenüber kritisch äussern und das Wording konkretisieren. Der Maschine und den menschlichen Unzulänglichkeiten. Finden Sie nicht? Ich wäre gespannt auf eine solche offene Diskussion.