RWE auf schmalem Grat – Nachhaltige Transformation oder "peinliche Öko-Propaganda“?
Der neue Markenauftritt von RWE zeigt, wie schmal der Grat ist, den viele Großunternehmen bei einer angestrebten Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit beschreiten. Die gesellschaftliche Debatte wird intensiv und emotional geführt und erschwert die Kommunikation des angestrebten Wandels vom größten deutschen „Kohle-Verstromer“ hin zum führenden Ökostromkonzern. Das quasi über Nacht grün gefärbte neue Image stößt nicht nur den Demonstranten sauer auf, die über Monate den Hambacher Forst besetzt hielten, um den weiteren Kohleabbau zu stoppen. Auch mancher Verbraucher wundert sich über diesen rasanten Sinneswandel. Die FAZ kommentierte den neuen Markenauftritt gestern gar unter dem Titel „Peinliche Öko-Propaganda“. Der Versorger tue nur das, was die Politik ihm vorschreibe, keinen Deut mehr, so der Autor. „Und deshalb wird RWE auch fleißig weiter Kohle verbrennen, solange man den Konzern lässt: also exakt bis 2038, dem bisher angepeilten Endjahr für den Kohleausstieg in Deutschland“.
Ein Blick auf die Fakten gibt zunächst den Kritikern Recht: 2018 stammten 38 Prozent des von RWE erzeugten Stroms aus Braunkohle, 27 Prozent aus Gas, 16 Prozent aus Steinkohle und 12 Prozent aus Atomkraft. Der Anteil der Erneuerbaren lag bei 9,9 Prozent (Quelle: RWE/Statista). Andererseits verweist das Unternehmen darauf, dass es von 2012 bis 2018 seinen CO2-Ausstoß um 60 Millionen Tonnen reduziert habe. Hinzu kommt, dass RWE sich selbst bereits an Platz zwei der weltweit größten Betreiber von Offshore-Windanlagen sieht und den Bereich Renewables weiter mit massiven Investitionen stärken will. Insofern müssen selbst Kritiker einräumen, dass bei RWE ein – wenn auch zunächst erzwungener – Transformationsprozess eingesetzt hat, mit dem Potential, den Konzern nachhaltig zu verändern. Und es ist typisch für Transformationsprozesse in großen Industrieunternehmen, dass diese zunächst in einzelnen Bereichen beginnen und dann über Jahre hinweg fortschreiten. Ein über Jahrhunderte gewachsenes Geschäftsmodell lässt sich nicht über Nacht umkrempeln.
Das bringt jedoch auch die Frage mit sich, wie dann die grüne Repositionierung hin zum „neuen RWE“ zu bewerten ist, die der Energieversorger ebenfalls quasi über Nacht vollzogen hat? Die vielen kritischen Stimmen zeigen, dass das neue Image hier eventuell zu früh und zu schnell ausgerollt wurde. Das belegt auch unser GLOBEONE PRI® (Purpose Readiness Index), der misst, in wie weit einem Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung zugetraut wird, einen „Purpose“ nachhaltig zu verfolgen. RWE landete hier weit hinten im Ranking und erzielte vor allem im Bereich Unnachhaltigkeit (27% stimmen zu) und bei Unehrlichkeit (24% stimmen zu) vergleichsweise schlechte Werte. Das zeigt, dass die Glaubwürdigkeit dieser neuen, stärker Purpose-getriebenen Strategie noch nicht allzu groß ist und es wichtig gewesen wäre, hier vorab durch konkretes Handeln und faktische Belege die Glaubwürdigkeit der neu eingeschlagenen Richtung zu stärken. Im schlimmsten Fall verfehlt der neue Markenauftritt zum aktuellen Zeitpunkt den gewünschten Effekt – er verhallt, wird nicht geglaubt oder wirkt im schlimmsten Fall sogar der eigentlichen Absicht entgegen.