Scheinselbständigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern bei Auftragsverhältnissen mit Ein-Personen-Kapitalgesellschaften
Neue BSG-Rechtsprechung birgt Prüfungsbedarf für vermeintlich „sichere“ Gestaltungen
Im Rahmen von Betriebsprüfungen stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund zunehmend fest, dass vermeintlich selbständige Tätigkeiten tatsächlich als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren sind. Dies hat üblicherweise schmerzliche Folgen für den Auftraggeber, der das Risiko der Haftung für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge trägt.
Selbstständig ist im Allgemeinen jemand, der unternehmerische Entscheidungsfreiheit genießt. Solche Personen tragen ein unternehmerisches Risiko, arbeiten auf eigene Rechnung im eigenen Namen, nehmen unternehmerische Chancen wahr und können für ihre Tätigkeit Eigenwerbung betreiben. Der Erfolg des finanziellen und persönlichen Einsatzes ist dabei ungewiss und hängt nicht von anderen Beteiligten und deren Vorgaben ab. Selbstständige gestalten ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei und bestimmen selbst ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort. Bei Scheinselbstständigen ist das nicht der Fall. Das BSG stellt bei der Beurteilung des Vorliegens einer (nicht)selbständigen Tätigkeit auf das Gesamtbild der Leistungserbringung im Einzelfall anhand der genannten Kriterien ab.
Ein bislang taugliches Mittel, eine Scheinselbständigkeit zu umgehen, war eine Auftragserteilung nicht an eine natürliche Person als „Selbständigen“, sondern an eine von diesem gegründete Ein-Personen-Kapitalgesellschaft, in der dieser als 100% beteiligter Gesellschaftergeschäftsführer tätig ist. Ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und dem „Selbständigen“ als natürliche Person ist dann nicht gegeben.
Die Problematik des Gesellschaftergeschäftsführers, der die Gesellschaft nicht beherrscht, ist damit umschifft (vgl. etwa BSG, Urt. B 12 KR 37/19 vom 01.02.2022). Jedoch ist die genannte Gestaltung des 100% Gesellschaftergeschäftsführers in der Ein-Personen-Kapitalgesellschaft keine sichere Gestaltung (mehr) gegen eine, regelmäßig ungewollte, Sozialversicherungspflicht.
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Auch in den zuletzt entschiedenen Fällen (vgl. BSG, Urteile B 12 BA 1/23, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R vom 20.07.2023) verwies das BSG auf das Gesamtbild der Tätigkeit der natürlichen Person. Es stellt fest, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht zwingend dadurch ausgeschlossen ist, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Auftraggeber und einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft besteht, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer die Tätigkeit persönlich erbringt. Vielmehr seien auch in diesen Konstellationen für die Abgrenzung einer abhängigen von einer selbstständigen Tätigkeit die jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände der Tätigkeit nach einer Gesamtabwägung anhand der genannten Kriterien maßgeblich.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund wird von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung umfassend Gebrauch machen. Eine rechtssichere Feststellung, ob eine abhängige, oder selbständige Tätigkeit vorliegt, lässt sich daher auch in solchen Konstellationen nur nach Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens treffen.
Ansprechpartner >> Philipp Dietz, Rechtsanwalt