Servicewüste Schweiz? Was hat unfreundliche Bedienung mit New Work zu tun?
Neulich im Baumarkt. Ich wollte ein Brett kaufen, um damit ein Regal zu basteln. In der Holzabteilung hatte ein Mitarbeiter in Arbeitskleidung gerade einem Kunden seine Holzzuschnitte gegeben und wandte sich dann zu mir. "Grüezi". Pause. Der grosse gelbe Gehörschutz auf seinem Kopf signalisierte mir: Ich will gar nicht hören, was du von mir willst! "Grüezi" sagte ich "Ich bräuchte ein Brett, etwa 1m 40cm lang und 40 cm breit." Wortlos drehte sich der Mann von mir ab, um ein Zuschnittformular aus einer Halterung an der Wand zu holen, welches er wortlos auf die Schreibfläche daneben legte. "Die Masse sind nicht so wichtig, ich muss das Brett sowieso anpassen" nahm ich einen neuen Anlauf und ob er vielleicht ein passendes Reststück hätte. Weil ich etwas in Eile war, hoffte ich, mir das Warten auf einen Zuschnitt ersparen zu können. "Wenn Sie zwei Wochen Zeit haben, kann ich mich ja mal auf die Suche machen." Mit diesen Worten drehte er mir den Rücken zu und ging in den angrenzenden Werkstattbereich zurück, wo er vor lästigen Kunden sicher war. Zutritt nur für Berechtigte. Service geht anders, dachte ich mir und verliess den Baumarkt leicht verärgert und ohne mein Brett.
Servicewüste Schweiz! Zu platt.
Es ist halt schwierig, gutes Personal zu finden! Ja, das mag für bestimmte Bereiche zutreffen.
Die falsche Person für diesen Job! Ja, vielleicht. Oder auch der falsche Job für diese Person.
Ich beschäftige mich intensiv mit dem Thema "New Work". Brandaktuell, enorm vielseitig und hoch spanend. Neben der Fülle an lesens- und hörenswerten Beträgen über Methoden und Tools, Arbeitsmodelle und Führungsmethoden, fasziniert mich besonders die Idee der "Neuen Arbeit" im Sinne ihres Erfinders, Frithjof Bergmann. Für ihn geht es bei "New Work" weder um Tischtennisplatten noch um bunte Sofas am Arbeitsplatz. Die Frage, die er immer und immer wieder stellt, ist: "Was ist es, was Sie wirklich, wirklich tun wollen."
Keine einfache und auch keine bequeme Frage. Denn das zu tun, was man wirklich, wirklich will, ist oft nicht der einfachste Weg.
Zu tun was man eigentlich nicht will, jedoch schadet. Es schadet Arbeitnehmenden, weil Frust, Stress, Unter- oder Überforderung krank machen können. Es schadet Unternehmen, weil betroffene Mitarbeitende ihr Potenzial nicht entfalten und Dienst nach Vorschrift machen oder gar ausfallen. Und es schadet letztlich den Kunden, weil diese nicht die Dienstleitung oder den Service erhalten, den sie erwarten.
Unternehmen tun demnach gut daran, ihre Mitarbeitenden besser zu kennen, zu erfahren, was diese wirklich, wirklich tun wollen und sie entsprechend ihrer Interessen, Fähigkeiten und Neigungen einzusetzen und zu fördern.
Die Verantwortung liegt aber nicht nur bei den Unternehmen. Wir alle ist aufgefordert uns ständig zu hinterfragen, ob das was wir aktuell tun, das ist, was wir wirklich, wirklich wollen.
Wenn der Baumarkangestellte aus unserem Beispiel, das tun würde, was er wirklich, wirklich will, würde er vielleicht Möbel restaurieren oder Schränke bauen und jemand, der wirklich gerne mit Menschen in Kontakt ist, hätte mir mein Brett verkauft.
Was halten Sie von der Idee der "Neuen Arbeit"? Ihre Meinung interessiert mich und ich freue mich auf Ihr Feedback.
Wegbereiter für Vorreiter:innen mit Weitsicht
5 JahreWir arbeiten bei Howard & Company mit Mustern aus der Soziokratie 3.0. Eines davon heisst "artful participation" oder auf deutsch die kunstvolle Teilnahme. Damit gehen wir noch einen Schritt weiter. Die kunstvolle Teilnahme fordert den bewussten und aktiven Einsatz des Einzelnen für hilfreiche Interaktionen und effektive Zusammenarbeit. Man fragt sich immer wieder: "Ist mein Verhalten im Moment der beste Beitrag, den ich zum Gelingen unserer Zusammenarbeit leisten kann?" Dies ist natürlich nur möglich wenn dem Mitarbeitenden auch ein Umfeld geboten wird, wo guten Vorschläge mit besseren Vorschlägen begegnet werden darf. Folglich werden auch nur noch Regeln befolgt, die selbst mitbestimmt wurden und das ganze "nur machen was man machen möchte" erübrigt sich. Mit diesem Mindset hätte der Baumarkt Mitarbeiter bei seinem Vorgesetzten den Vorschlag gemacht, dass er nur Bretter zuschneidet während sein Kollege die Verkaufsgespräche führt. Mit der Argumentation, dass dadurch die Motivation und Produktivität der beiden steigt, wäre er damit wohl durchgekommen. Ende gut, alles gut!
MitZieheN(d) in Trainings und Entwicklungsprozessen! Expertin für Kommunikation, Ausbildungsmanagement.
5 JahreDanke Für diesen wertvollen Artikel Jörg Ruch. Ich bin genau Deiner Meinung: #NewWork ist eine Chance für alle, wenn sie richtig genutzt wird, denn wo Ressourcen sich voll entfalten können und die Verantwortung für das Handeln übernommen wird, da entsteht Freude an der Arbeit, welche richtig wertgeschätzt DIE Grundlage für optimale Lösungen und somit auch für eine kundenbindende Dienstleistung sind.