SFTI Open Pension: 
Einordnung der wichtigsten Erkenntnisse

SFTI Open Pension: Einordnung der wichtigsten Erkenntnisse

Was ist Open Pension? Wer würde davon wie stark profitieren? Und wie könnte Open Pension in der Schweiz sinnvoll umgesetzt werden?

Diesen und weiteren Fragen gingen wir in der SFTI Arbeitsgruppe Open Pension vertieft nach. Und publizieren heute in einem Positionspapier handfeste Erkenntnisse und Empfehlungen rund um die Öffnung der 2. Säule.

In diesem Blog fasse ich die Kernerkenntnisse zusammen – und ergänze diese um einige persönliche Gedanken und Einordnungen insbesondere zur Öffnung der 1. und 3. Säule.

Ein Management Summary (DE/FR/EN), das Papier selbst (EN only) sowie das dazugehörende Announcement findet ihr auf der Website von SFTI.


1. Potential von Open Pension bestätigt

 Die Relevanz von Open Pension lässt sich klar belegen:

  • Die Vorsorge ist seit Jahren eine der grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung.
  • Hierzulande fehlt die Möglichkeit, sich auf einfache und verständliche Weise einen säulen-übergreifenden Überblick über die erwartete Rente zu verschaffen – und den Einfluss von Entscheidungen wie Teilzeitarbeit, frühzeitige Pensionierung, Hochzeit oder Scheidung zu simulieren.
  • In vielen anderen europäischen Ländern werden dazu digitale «Pension Tracking Systems» (PTS) bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Übersicht basierend auf EIOPA-Daten:

  • Die PTS werden von rund 30-40% der Bevölkerung aktiv genutzt. Vertiefte Einblicke geben folgende Zahlen aus Belgien:

  • Bezogen auf die Schweiz hat unser breit abgestützter SFTI Open Pension Survey das Potential untermauert. Ganze 93% der Teilnehmenden erwarten, dass die Öffnung von 2. Säule-Daten einen «relevant benefit» für die betroffenen Personen/Endnutzer hätte, 66% erwarten gar einen «major benefit».  Auch sogenannte «Data Recipients» (z.B. Banken, Versicherungen, Fintechs) sowie, in geringerem Masse, die Institute der 2. Säule selbst, dürften von einer Öffnung der 2. Säule profitieren.



2. Public-Private-Partnership benötigt

Um Open Pension in der Schweiz zum Erfolg zu führen, wird es sowohl den Staat als auch die Privatwirtschaft brauchen. Das optimale Vorgehen ist dabei je nach Säule ein anderes:

Für die Öffnung der 1. Säule braucht es naturgemäss den Staat im Lead. Mit Projekt MOSAR und dem Entwurf des Bundesgesetzes über Informationssysteme in den Sozialversicherungen (BISS) bestehen bereits begrüssenswerte Vorstösse zur Digitalisierung der 1. Säule. Aus Sicht Open Pension ist dabei entscheidend, dass auf Wunsch der betroffenen Personen eine Datenherausgabe an Dritte bzw. an die Privatwirtschaft explizit als Möglichkeit vorgesehen wird. Einen entsprechenden Beitrag zur BISS-Vernehmlassung haben wir als SFTI gemeinsam mit der Schweizerischen Bankiervereinigung am 28. März eingereicht.

Für die Öffnung der 3. Säule ist hingegen ein marktgetriebenes Modell sinnvoll. Denn die Anbieter der 3. Säule stehen untereinander im Wettbewerb um die Endkunden. Die Anreize für eine Öffnung sind daher ausreichend, sofern es gelingt, mit einem koordinierten Vorgehen die inhärente «Huhn/Ei»-Problematik zu überwinden. Dass dies möglich ist, haben die Banken mit dem von der Bankiervereinigung koordinierten Memorandum of Understanding zu Multibanking bereits unter Beweis gestellt. Der logische, effizienteste nächste Schritt im Bereich 3. Säule wäre daher die Ausweitung entsprechender privater Initiativen, aufbauend namentlich auf der «Access to Account»-Spezifikation von SFTI Common API.

Die grösste «Knacknuss» ist die Öffnung der 2. Säule. Hier scheint auf den ersten Blick nicht offensichtlich, ob ein staatliches oder marktgetriebenes Vorgehen zielführender ist. Im Verlaufe der letzten Jahre setzte sich im Rahmen von SFTI-Arbeitsgruppen jedoch die klare Erkenntnis durch, dass eine Öffnung der 2. Säule ohne staatlichen Lead nicht funktionieren wird. Dies aus folgenden Gründen:

  • Im Schweizer Pensionskassensystem haben Endkunden (sogenannte «Destinatäre») keine Möglichkeit, ihre Pensionskasse selbst zu wählen, sondern sind an die Wahl ihres Arbeitsgebers gebunden. Deshalb sind die Anreize für eine marktgetriebene, breitflächige Öffnung von Pensionskassen-Daten nicht ausreichend vorhanden.
  • Dass dies mehr ist als graue Theorie, bestätigen mehrere Erkenntnisse des Open Pension Survey. Rund ein Drittel der teilnehmenden Pensionskassen antwortete explizit, dass sie sich nur bei regulatorischem Zwang öffnen würden. Und mehr als 50% aller Umfrage-Teilnehmenden gehen davon aus, dass bei Freiwilligkeit eine breiflächige Öffnung der PKs mehr als 10 Jahre dauerte – oder gar nie eintreten würde.
  • Theoretisch denkbar bleibt der Weg einer verbindlichen Selbstregulation der 2. Säule. Bisher zeigte jedoch leider keiner der möglicherweise federführenden Pensionskassen- oder Versicherungsverbände ein Interesse, eine solche Selbstregulation zu erwirken.



In Summe führen diese Überlegungen zur Konklusion der SFTI Open Pension Arbeitsgruppe, dass eine staatlich mandatierte Öffnung von Datenschnittstellen der 2. Säule unumgänglich ist, falls säulenübergreifende Pension Tracking Systems auch in der Schweiz Realität werden sollen.

Essenziell ist dabei, dass «staatlich mandatierte Öffnung» nicht gleichbedeutend ist mit «staatlich gebautes / betriebenes / finanziertes Pension Tracking System». Im Gegenteil: auch bei staatlich vorgegebener Öffnung der 2.-Säule-Daten kann und soll ein Wettbewerb unter «Pension Tracking Systems» entstehen.

Wie wichtig ein solcher Wettbewerb am «Frontend» ist, belegen erneut europäische Erfahrungswerte. Ein gutes Beispiel ist Norwegen, wo es sowohl staatlich als auch privatwirtschaftliche Pension Dashboards gibt – und im Ergebnis 96% der Nutzung von PTS über privatwirtschaftlichen Dashboards läuft, weil diese z.B. als Teil von E-Bankings oder Versicherungsportalen besser in den Alltag der Bevölkerung eingebettet sind.


Ein Zwischenfazit ist somit klar: im Bereich der 2. Säule braucht es eine «Public Private Partnership» im Sinne eines institutionalisierten Schulterschlusses von Staat und privaten Akteuren. Die zuständige Behörde, z.B. das Bundesamt für Sozialversicherung, sollte die Federführung für die Öffnung der Schnittstellen übernehmen – und zugleich die Privatwirtschaft von Anfang an eng involvieren, um eine effiziente und effektive Umsetzung sowie den erwünschten Wettbewerb auf Stufe PTS sicherzustellen.


3. Abtiefung von zwei strategischen Optionen empfohlen

Soviel zur erforderlichen Projekt-Governance. Doch was genau soll eine solche «Public Private Partnership» technisch umsetzen? Diese Frage steht im Kern des SFTI Open Pension Positionspapiers.

Eine zentrale Herausforderung der Öffnung von 2.-Säule-Daten besteht darin, dass unzählige Stakeholder-Gruppen betroffen sind – und diese Gruppen jeweils eigene Terminologien verwenden und unterschiedliche technische Umsetzungsoptionen im Hinterkopf haben.

In der SFTI Open Pension Arbeitsgruppe haben wir fünf strategische Umsetzungsoptionen entwickelt und für die weitere Diskussion aufbereitet. Drei davon basieren auf zentralen Datenaustauschs-Plattformen (ohne zentrale Datenspeicherung!), zwei basieren auf Prinzipien des selbstbestimmten Datenaustauschs («Self-Sovereign Data Sharing»).


Jede dieser Optionen wird im Positionspapier zunächst in Kapitel 4 vertieft beschrieben (inkl. Architektur- und Customer-Journey-Skizzen) sowie in Kapitel 5 strukturiert beurteilt entlang zahlreicher Dimensionen. Das Ergebnis ist hier zusammengefasst:


In Essenz empfehlen wir also, mit Optionen B und C zwei Varianten zentraler Datenaustauschs-Plattformen vertieft zu prüfen. Der Unterschied zwischen diesen Optionen besteht darin, wo genau die Endnutzer die explizite Zustimmung («Consent») zum Teilen der 2.-Säule-Daten geben: direkt im PTS-Dashboard (also im Frontend des Trusted Third-Party Providers) oder an der Quelle («at source») bei der jeweiligen Pensionskasse. Was nach einem technischen Umsetzungsdetail klingt, hat sehr weitreichende und mehrdimensionale Folgen z.B. hinsichtlich Projektkomplexität und Risiken, Kundenerlebnis, Systemkosten, etc.

Eine vertiefte Analyse und technische Validierung dieser beiden Optionen wird daher empfohlen. Wobei die Aufwände für vertiefte Abklärungen nur gerechtfertigt sind, falls seitens Behörden ein klares Signal kommt, die Öffnung der 2.-Säule-Daten voranzutreiben und in geeigneter Form zu mandatieren.  


Der Ball liegt somit nun bei den zuständigen Behörden sowie bei der Politik. Bekanntlich hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) beauftragt zu prüfen, wie der digitale Zugang zu Altersvorsorgedaten angemessen gefördert werden kann. Ich würde mich freuen, wenn das SFTI-Positionspapier einen Beitrag zu einer konstruktiven Beantwortung dieser Anfrage leistet und hoffe darüber hinaus auf eine wirkungsvolle Public-Private-Zusammenarbeit.

 

Im Loop bleiben: www.acrea.com/newsletter

 


Super Arbeit, sehr schlüssige Quintessenz - toll euer Beitrag in diesem überaus wichtigen Thema, lieber Stephan 🙂

Tamara Soyka

Passionate people and transformation leader in Re/Insurance.

8 Monate

Spannender Artikel, vielen Dank Stephan!

Roman Schwarz

Leiter Finanzberatung, Zürcher Kantonalbank (ZKB) | Finanz-, Steuer- und Nachlassberatung

8 Monate

Besten Dank für die wertvolle Arbeit. Open Pension wäre ein wichtiger Schritt, um die Schweizer Bevölkerung im Thema Vorsorge weiter zu sensibilisieren und die Eigenverantwortung zu stärken. #OpenPension #OpenFinance #Vorsorge

Stephanie K. Wickihalder

Ecosystem Believer | Partnership Enabler | Thought Leader | People Connector

8 Monate

Ein sehr wichtiges Thema, welches uns alle betrifft. Danke dir Stephan für deine wertvolle Mitarbeit im SFTI Open Pension Team. Wir als Team sind gespannt auf die weiteren Diskussionen und werden uns weiterhin für eine kundenzentrierte Innovation auf dem Schweizer Finanzplatz einsetzen. Michael Müller, Yves Sinka, Anja Vujovic, Swiss Fintech Innovations, Acrea

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