So können wir neue Organisationsstrukturen mitgestalten

So können wir neue Organisationsstrukturen mitgestalten

Mit „Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit“ ist Frederic Laloux ein spannendes Buch gelungen, das einen völlig neuen Blickwinkel auf die Entwicklung von Organisationen und Unternehmen vermittelt. Das Menschen- und Gesellschaftsbild, das dahinter steckt, ist übernommen aus der Entwicklungspsychologie von Jean Piaget und dem Spiral Dyanmics Model aus Spiral Dynamics - Leadership, Werte und Wandel von Don Beck (schon mit den Anpassungen von Ken Wilber).

Spirituelle Tendenzen als Anstoß

Dieser Hintergrund verspricht nicht gerade eine Vorgehensweise nach wissenschaftlichem Standard. Das Buch fängt zwar sehr strukturiert an, aber spätestens die Beispiele im dritten Teil benötigen ganz klar mehr fundierte Recherche. Wegen dieses Drifts in spirituelle Welten lässt sich das Buch einfach abtun – oder man nutzt es als Anstoß, in eine neue Dimension von gesellschaftlicher Entwicklung vorzustoßen. Und genau unter diesem Blickwinkel möchte ich Lust auf das Lesen des Buches machen.

Die Stufen der Unternehmensstrukturen

Im ersten Teil gibt Laloux einen umfassenden Überblick über die historische Entwicklung von Organisationsstrukturen anhand der Entwicklungsmodelle von Graves, Wilber und Cook-Greuter. Die Stufen entspringen den sozialen Entwicklungsstufen der menschlichen Entwicklung über die letzten 100.000 Jahre. Laloux führt, wie in Spiral Dynamics, ein neues Farbsystem für diese Stufen ein.

Wir Menschen entwickeln immer neue Konzepte für das Zusammenleben und -arbeiten und es gelingt uns dabei, immer mehr Menschen in die sozialen Prozesse zu integrieren. Drei Stufen sind uns heute noch bekannt; in diesen sind heutige Unternehmen organisiert:

  1. Mafia- oder Rudelstruktur zur Organisation von kleinen Gruppen, deren Grundstruktur auf der Gewalt und Stärke eines Anführers beruht.
  2. Konformistische hierarchische Struktur, in denen vor allem Kirchen, Militär und Behörden organisiert sind.
  3. Die Organisation als wissensbasierte Maschine mit hierarchischen Strukturen, in denen sich heute die meisten Konzerne organisiert haben.

Aufruf zur Mitgestaltung

Der Gedanke, dass wir als Menschen in einer Gesellschaft überhaupt erst fähig werden müssen, eine neue Stufe zu erklimmen, ist smart, erklärt er doch, warum wir uns mit der gerade entstehenden Werteorientierung und den ganzheitlichen Strukturen so schwer tun und so schnell in den spirituellen Bereich hineinkommen. Wir haben diesen Gedanken schlichtweg noch nicht ausreichend strukturiert und für andere erfahrbar und nachvollziehbar gestaltet.

Es ist also eher ein Aufruf, an solchen neuen postkapitalistischen Strukturen mitzuwirken:

  • Wie können wir ganzheitliche Sichtweisen in Organisationsmodelle einführen?
  • Wie kann der Wandel einer Organisation von der Maschine zum lebendigen Organismus erfolgen?
  • Wie können wir unsere Arbeit wieder in einen neuen Sinnzusammenhang stellen?
  • Wie kann die menschliche Selbstorganisation als zentrales Organisationsprinzip genutzt werden?

Als Anstoß für neue Ideen und Gedanken sind die Ausführungen von Laloux eine wahre Fundgrube für Menschen, die spüren, dass sie mit aktuellen Konzepten der Organisationsentwicklung nicht richtig weiter kommen; die nach Transformation von Unternehmensmodellen verlangen. Aber es ist ganz klar kein strukturierendes und gefestigtes Standardwerk.


Frederic Laloux: Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit

Vahlen, 356 Seiten, 38,90 Euro, Kindle-Ausgabe 33,99 Euro

Außerdem gibt es eine illustrierte Taschenbuchausgabe, die lediglich die Kernideen des ausführlichen Buches enthält.

Dieser Artikel erschien zuerst auf stefanfritz.de.

Ich habe mir beide Bücher gekauft und kann interessierten Lesern nur raten, sich die illustrierte Taschenbuchausgabe zu kaufen, denn da finden sie wirklich die wichtigsten Passagen und Kernideen des Buches. Vor allem kann man es in einem Zug durchlesen und ist nachher "inspiriert". Wer mehr wissen will, findet dann ihm Anhang der Taschenbuchausgabe ausgezeichnete weiterführende Literatur und Links. Alle genannten Organisationen zeichnen sich aber durch einen "charismatischen" Führungsstil des CEOs aus, das mag darin begründet sein, dass, wie Stefan Fritz meint, die Trägheit des "alten Denkens" anscheinend nur durch einen charismatischen Führer, der auch die "spirituelle Quelle" für diese Organisationen ist, überwunden werden kann, aber so besteht auch die Gefahr, dass es ein Minderheitenprogramm bleibt. Ich persönlich bin der Meinung, dass eine "achtsame Unternehmenskultur", wie sie zB Karl E. Weick in seinem Buch "Das Unerwartete managen" beschreibt, ausreichend wäre, denn dort werden alle Werte, Fähigkeiten, Einstellungen, Prozesse, usw. , die für eine Selbstorganisation notwendig sind, beschrieben, aber eben ohne der Notwendigkeit einer charismatischen Unternehmenskultur. Wir haben weniger ein Produktionsproblem, sondern vielmehr eine Nachfrageproblem und was mich an den vorgestellten Organisationen so fasziniert hat, ist, dass sie nicht mit Entlassungen und Lohndruck auf die Digitalisierung oder (chinesische) Konkurrenz reagieren, sondern mit Innovationen und adhoc Arbeitsgruppen. Darüber hinaus scheint der Lohn/Gehalt in diesen Organisationen und damit die Nachfrage der Mitarbeiter signifikant höher zu sein, als in Vergleichsunternehmen.

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