Stadt. Region. Ausstellung. Stadtentwicklung durch Großereignisse.

Stadt. Region. Ausstellung. Stadtentwicklung durch Großereignisse.

PLANERIN 05/25 Fachzeitschrift bestellbar unter: Aktuelles Heft - SRL

Editorial

Detlef Kurth, Ariane Sept: Stadt | Region | Ausstellung Stadtentwicklung durch Großereignisse

Ausstellungen und Großveranstaltungen werden seit Jahr zehnten bewusst als ein Instrument der Stadt- und Regionalentwicklung eingesetzt. Sie eröffnen einer Stadtregion die Möglichkeit, sich auf einen definierten Zeitpunkt hin mit Schlüsselprojekten und Leuchttürmen national und international zu präsentieren. Häußermann und Siebel prägten dafür bereits in den 1990er Jahren den Begriff der „Festivalisierung“, sie zählten dazu unter anderem Sportereignisse (Olympia), Weltausstellungen (EXPO), Garten schauen (Buga, Laga) und Bauausstellungen. Diese Großereignisse können positive Folgen haben für das Stadtimage, die Umnutzung von Brachflächen, die Attraktivität der Städte. Sie können aber auch zu sozialen Verdrängungen, monofunktionalen Nutzungen und finanziellen Abhängigkeiten führen.

In diesem Heft beschäftigen wir uns mit aktuellen, kürzlich beendeten und gerade beginnenden Garten- und Bauausstellungen. Diese Ausstellungsformate sind am ehesten geeignet, direkt mit Stadtentwicklungsprozessen gekoppelt zu werden. Gartenausstellungen entwickelten sich immer mehr von reinen „Blumenschauen“ zu Stadtentwicklungsprojekten, bei denen Brachen umgenutzt werden oder so- gar neue innovative Bauprojekte entstehen, wie zuletzt in Heilbronn oder Mannheim. Diese Ausstellungen sind klar hierarchisiert in Internationale Gartenausstellungen (IGA), Bundesgartenschauen (Buga) und Landesgartenausstellungen (Laga), organisiert von entsprechenden Gesellschaften. Hierfür gibt es Teilnahmewettbewerbe, Auswahlgremien und eine zeitliche Abfolge – es kann nicht zwei Ausstellungen parallel geben. Die Dauer einer Ausstellung ist in der Regel nur ein halbes Jahr. Im Unterschied zu den Gartenschauen gibt es für Internationale Bauausstellungen (IBA) kein vorgeschriebenes Format, keine Auswahlverfahren, keine zeitliche Abfolge und auch keine übergeordneten Gesellschaften. Jede Stadt oder Region kann eine IBA ausrufen, es können auch mehrere IBA parallel laufen. Es gibt zwar den IBA-Expertenrat des Bundes, aber aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands werden von Bundesseite keine Vorgaben für die Gestaltung einer IBA gemacht, nur Empfehlungen ausgesprochen. Auch die Vergabe von Fördermitteln an IBA, wie z. B. Städtebaufördermittel, werden nicht von der Einhaltung der IBA-Empfehlungen des Expertenrats oder anderer Kriterien abhängig gemacht. Früher folgten die IBA aufeinander: auf die IBA Berlin 1979 –1987 die IBA Emscher Park 1989 –1999, darauf die IBA Fürst-Pückler-Land 2000–2010. Inzwischen gibt es eine starke Gleichzeitigkeit und einen Pluralismus von IBA, außerdem haben die Bauausstellungen eine unterschiedliche räumliche Ausstrahlungskraft: teils länderübergreifend bzw. international, teils national, teils bundeslandweit oder auch nur städtisch.

Ein Blick auf die bisherigen IBA zeigt, dass diese sich von einer klassischen Wohnbau-Ausstellung (Stuttgart 1927, Berlin 1957) hin zu komplexeren Ausstellungen mit erweiterten Themenstellungen (z. B. Strukturwandel) und regionalen Bezügen entwickelt haben. Häufig wurden mit den IBA neue Leitbilder geprägt, wie die „behutsame Stadterneuerung“ (Berlin 1987), der „perspektivische Inkrementalismus“ (Emscher Park 1987) oder die „ökologische Moderne“ (Hamburg 2013). Auch wurden neue Planungsinstrumente und Städtebauförderprogramme erprobt, z. B. entstanden die ersten Soziale Stadt-Gebiete bei der IBA Emscher Park, bei der IBA Hamburg wurde das Urbane Gebiet vorweggenommen. Garten- und Bauausstellungen sind immer ein Experi- ment auf Zeit, eine Ausnahmesituation, bei der alle Potenziale in der Bürgerschaft und in den Verwaltungen gehoben wer- den, um zeitgerecht ein innovatives Konzept umzusetzen.

Zentrale Anforderungen sind: Z klar definierter Anlass und Ort,

·        Ausnahmezustand auf Zeit, Aufbrechen überkommener Regeln,

·        Qualifizierung von Planungsinstrumenten,

·        Hinterfragung bestehender Governance-Strukturen, neue Kooperationsmodelle,

·        eigenständige Organisationsformen, Z Wettbewerbsprinzip, Qualität und Innovation,

·        neue Ansätze für Förderprogramme, Z Mut zum Risiko, unkonventionelle Prozesse.

IBA werden inzwischen auch außerhalb Deutschlands angewendet, z. B. in Wien, den Niederlanden oder grenz- überschreitend in der Agglomeration Basel, und auch in der Ukraine ist eine IBA geplant. So entsteht zwar einerseits eine räumliche und zeitliche Vielfalt, andererseits aber auch eine Inflation des Formats, die Zweifel daran aufkommen lässt, inwieweit eine IBA noch ein „Ausnahmezustand auf Zeit“ sein kann. Es ist daher die Frage zu stellen, ob IBA künftig wieder ein eindeutiges Markenzeichen für Planungs- und Baukultur werden sollte, das nur an einem Ort mit entsprechender nationaler und internationaler Aufmerksamkeit stattfindet. Dafür wären jedoch ein Wettbewerbsprinzip und ein nationales oder internationales Auswahlgremium erforderlich, das langfristig ein „IBA-Siegel“ vergibt – ähnlich wie bei den Gartenausstellungen. So könnten IBA zeitlich und räumlich wieder stärker begrenzt werden, um sich auf bestimmte Fragestellungen und Bauvorhaben zu fokussieren, neue Planungsstrategien zu erproben, die Ausstellung für ein breites Publikum begreifbar zu machen und den fachlichen Diskurs stärker zu bündeln

Wir haben für dieses Heft verschiedene Garten- und Bauausstellungen angefragt. Nicht zu allen konnten wir Berichte bekommen, zur geplanten IBA Berlin und IBTA Aachen–Köln erwarten wir in späteren Heften noch weitere Texte. SCHWERPUNKT . PLANERIN 5_24 4 Der Schwerpunkt beginnt mit einem Beitrag von Oliver Ibert, der die in diesem Heft betrachteten Ausstellungsformate sowohl in den Debatten um Festivalisierung als auch um projektorientierte Planung verortet. Er zeigt auf, wie sich die Diskussionen und gleichzeitig die politischen Rahmenbedingungen seit den 1990er Jahren weiterentwickelt haben. Während Großprojekte zunehmend schärfere Konflikte in der Öffentlichkeit erzeugen, bieten Festivals weiterhin Experimentierräume im entpolitisierten, nicht alltäglichen Rahmen.

Agnes Förster, Ann-Christin Sreball und Bérénice Preller stellen in ihrem Beitrag die Ergebnisse des BBSR-Forschungsprojekts „IBA als Katalysator für Exzellenz in der Stadt- und Regionalentwicklung: Impulsvorhaben in IBA unterstützen“ vor. In dem Projekt wurde untersucht, wel che IBA-Projekte eine besondere Impuls- und Transformationskraft entfalten und wie diese frühzeitig unterstützt und gefördert werden können. Außerdem wird beleuchtet, wie dadurch Innovationsprozesse innerhalb des Formats IBA angeregt werden.

Katja Fischer und Bertram Schiffers blicken zurück auf elf Jahre Arbeit im Rahmen der IBA StadtLand in Thüringen. Zwar sehen sie im Nachhinein die Auslobung eines Projektwettbewerbs kritisch, beschreiben aber vor allem das Experimentieren auf der Prozessebene als erfolgreich. So sei in Thüringen neben sichtbaren Ergebnissen vor allem eine „neue Kultur des Bauens, als eine neue Raumpraxis“ entstanden. Mit der Stiftung Baukultur Thüringen und dem LeerGut-Agentinnen und -Agenten e.V. sollen die Ansätze der IBA in die Zukunft weitergetragen werden.

Rudolf Scheuvens und Andreas Bernögger ziehen eine positive Bilanz der IBA Wien 2022 „Neues soziales Wohnen“. Diese IBA hatte „nur“ sechs Jahre Laufzeit und einen klaren Themenfokus: die Weiterentwicklung des berühmten Wiener sozialen Wohnungsbaus angesichts neuer Herausforderungen. Die Abschlusspräsentation umfasste 72 Projekte in neun Quartieren, insgesamt über 6000 sanierte und über 12 000 gebaute Wohnungen – eine bauliche Bilanz, die schon lange keine IBA mehr aufweisen konnte.

Eine Bilanz fünf Jahre nach der Bundesgartenschau Heilbronn geben Andreas Ringle und Oliver Toellner. Diese Buga wurde von Anfang an als ein langfristiges Konversionsprojekt verstanden, bei dem neben den Grünanlagen auch erste Wohngebäude mit ausgestellt wurden. Nach Abschluss der Buga wurde das neue dichte und kompakte Stadtquartier Neckarbogen weitergebaut, mit einem klaren Gestaltungsregelwerk. Für eine kleine Großstadt mit 130 000 Einwohner:innen war die Buga ein nachhaltiges Großereignis, das städtebauliche und freiraumplanerische Ziele miteinander verband und ein Katalysator für die weitere Stadtentwicklung war. 100 Jahre nach der Bauausstellung Weißenhofsiedlung wird die IBA’27 in der Stadtregion Stuttgart 2027 ihren Höhepunkt erleben. Thea Leisinger, Andreas Hofer und Tobias Schiller stellen einige der IBA’27-Projekte vor, die sich als Bauprojekte vor allem mit dem Um- und Weiter bauen beschäftigen und dabei aktuelle Herausforderungen wie Kreislaufwirtschaft oder eine neue Umbaukultur angehen. Die gerade erst begonnenen Tätigkeiten der IBA „Räume der Mobilität“ in der Metropolregion München stellen Julianna Günther und Oliver Weigel vor. Hier stehen bei einer IBA erstmals die Themen Mobilität und Verkehr im Zentrum, und das in einer Region mit hohen Pendelzahlen und weiterhin zunehmendem Pkw-Bestand. Der Anspruch der IBA ist es, bis 2034 zu zeigen, dass „gute Prozess- und Baugestaltung“ zu einer neuen Mobilitätskultur beitragen kann.

Johannes Novy und Christoph Sommer setzen sich in ihrem Beitrag kritisch mit der Bedeutung von Internationalen Bauausstellungen auseinander, um daraus Folgerungen für eine mögliche IBA Berlin-Brandenburg zu ziehen. Die Popularität der IBA passe zum Zeitgeist der Stadtplanung, bei dem Standortwettbewerb, sozial-ökologischer Innovationsdruck und Deregulierung von Planungsprozessen dominieren. Es erscheint fraglich, ob IBA als Ereignis noch in der Lage sind, Innovationen hervorzubringen und Regeln zu durchbrechen, oder ob sie vielmehr angesichts der starren Rahmenbedingungen eine Flucht in die Festivalisierung suchen.

Dass auch Gartenschauen als Instrument der Stadtentwicklung eingesetzt werden, zeigen Martina Annawald und Anne Pieper für die Landesgartenschau Rheinland-Pfalz 2027 in Neustadt an der Weinstraße. Als Teil der Stadtentwicklungsstrategie soll die Laga Ankerpunkt für Grün- und Naherholungsentwicklung, städtebauliche Veränderungen im Sinne einer Innenentwicklung und Konversion sowie Kreislaufwirtschaft und Stärkung umweltfreundlicher Mobilität sein.

Kees Christiaanse, Gyler Mydyti, Nataliia Mysak, Benja min Hossbach und Petr Návrat berichten von der Initiative „IBA in Ukraine“, die sich 2022 auf internationalen Foren zur Unterstützung der Ukraine gründete. Die Idee besteht darin, über Städtepartnerschaften, Themenschwerpunkte und Schlüsselprojekte eine nachhaltige und resiliente Stadtentwicklung in der Ukraine beispielhaft aufzuzeigen. So zeigen die Städtepartnerschaften zwischen Freiburg, Frankfurt und Lviv erste konkrete Projekte, wie Wohnungen für Binnenflüchtlinge errichtet werden können und wie z. B. ein Rehabilitätszentrum für kriegsversehrte Ukrainer zum Nukleus für ein neues Stadtquartier werden könnte. Auch wenn der brutale Angriffskrieg Russlands mit flächenhafter Zerstörung der ukrainischen Städte und der Kultur direkt vor unseren Grenzen fortgesetzt wird, kann die IBA ein Hoffnungsschimmer für eine bessere Zukunft in einer unabhängigen und freien Ukraine sein.

Detlef Kurth, Prof. Dr.-lng., SRL, Universitätsprofessor für Stadtplanung an der TU Kaiserslautern, Fachbereich Raum- und Umweltplanung, Mitglied der Redaktion PLANERIN

Ariane Sept, Prof. Dr., SRL, Professorin für Partizipative Kommunalentwicklung und Gemeinwesenarbeit an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften, Hochschule München, Mitglied der Redaktion PLANERIN

 

Susanne Jahn

Stadtplanerin Vorsitzende SRL e.V

1 Monat

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