Steuerstreit USA v. Schweiz: A never ending story?

Steuerstreit USA v. Schweiz: A never ending story?

Vor zehn Jahre brachte der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld als "Whistleblower" den Stein ins Rollen und noch immer ist kein Ende des Steuerstreits mit den USA in Sicht. Nach dem Scheitern der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden gegen die Schweizer Top-Banker Raoul Weil und Stefan Buck konnten zwar viele Schweizer Bankmitarbeiter und externe Berater, die amerikanische Steuersünder betreut hatten, tief durchatmen. Doch sie könnten sich zu früh gefreut haben. Denn wie die NZZ in einem am 16. Dezember 2017 erschienen Artikel schrieb, wollen die USA "böse" Schweizer Bankmitarbeiter weiter verfolgen. Wie die jüngsten Amtshilfeersuchen aus den USA zeigen, verfügen die amerikanischen Behörden dank grosszügiger Schweizer Schützenhilfe über ausreichend Munition für dieses Vorhaben.

Zwecks Beilegung des Steuerstreits mit den USA willigte die Schweizer Regierung im Jahre 2013 ein, Schweizer Banken zu ermutigen, am freiwilligen Programm der US-Regierung zur Bereinigung der Altlasten teilzunehmen. Die USA machten von Anfang an deutlich, dass das Programm keine Straffreiheit für Privatpersonen gewähren wird. Um einer strafrechtlichen Verfolgung im Zusammenhang mit unversteuerten Vermögen von US-Steuerzahlern zu entgehen, zahlten Schweizer Banken - einschliesslich derjenigen Institute, gegen die bereits vor Auflegung des Programms ermittelt wurde - Bussen von bisher rund USD 5.8 Mia. Namhafte Banken wie die Zürcher und Basler Kantonalbanken oder Pictet warten noch immer auf eine Einigung mit dem US Department of Justice.

Mit der Teilnahme am Programm verpflichteten sich die Banken unter anderem dazu, den USA die Namen der Kundenbetreuer und anderer Berater, welche in die Verwaltung, Strukturierung oder Überwachung der fraglichen Bankbeziehungen involviert waren, zu übermitteln. Zahlreiche Banker und externe Berater wehrten sich in der Folge vor Schweizer Gerichten erfolgreich gegen die Übermittlung ihrer Daten an die USA. Da die USA nicht über eine angemessene Datenschutzgesetzgebung verfügen, muss ein überwiegendes öffentliches Interesse die Datenlieferung rechtfertigen, was die Gerichte praktisch ausnahmslos verneinten. Nicht betroffen von solchen Datenlieferungen der Banken und durch das Bankgeheimnis geschützt waren die Daten der Kunden selber. Um an die Namen säumiger US-Bankkunden zu kommen, müssen die USA der Schweiz gestützt auf das Doppelbesteuerungsabkommen von 1996 und das anwendbare Protokoll von 2009 Amtshilfegesuche stellen. Da bei gewährter Amtshilfe Bankunterlagen und Korrespondenzen übermittelt werden, erhält die ersuchende Behörde oft aber nicht nur den Namen des Kunden oder des wirtschaftlich Berechtigten, sondern auch die Namen der involvierten Bankmitarbeiter, Berater, Bevollmächtigten und Gesellschaftsorgane; und zwar auch dann, wenn diese zuvor gestützt auf das Datenschutzgesetz die Lieferung ihrer Daten verhindern konnten.

Das Säbelrasseln der USA gegenüber Schweizer Banken hat sich nicht nur wegen der hohen Bussen ausbezahlt. Angesichts des bröckelnden Bankgeheimnisses haben gemäss Statistik des Internal Revenue Service über 55'000 US-Steuersünder zwischen 2009 und 2015 eine Selbstanzeige eingereicht und dem amerikanischen Fiskus über USD 8 Mia. abgeliefert. Aufwendige Amtshilfeverfahren dürften in diesen Fällen nicht zu weiteren Steuereinnahmen führen.

Dank den von den Banken im Rahmen des US-Programms erhaltenen Informationen stellten die USA jüngst jedoch zahlreiche Amtshilfegesuche, bei denen nicht die Kunden, sondern deren Banker und externen Berater im Zentrum stehen. Es soll sogar ein Amtshilfegesuch eingegangen sein, das sich nicht auf einen Kunden, sondern nur auf den Bankmitarbeiter beziehe (vgl. Kommentar in der NZZ vom 9. Dezember 2017). Mir sind Fälle bekannt, in denen die Kunden ihre Kontobeziehungen im Rahmen der Selbstanzeige offengelegt hatten und trotzdem Amtshilfegesuche gestellt wurden. Damit stellt sich unweigerlich die Frage, ob die USA einfach ihre Informationen aus den Selbstanzeigen mit den Informationen aus dem US-Programm abgleichen, oder ob sie vor allem an den Namen interner und externer Berater interessiert sind.

Sollten die USA mit ihren Amtshilfegesuchen tatsächlich nicht nur nach belastenden Informationen über die Steuerpflichtigen, sondern auch über andere beteiligte Personen suchen, ist dies insofern heikel, als die Amtshilfe die Herausgabe von Informationen bezweckt, die für die Anwendung der Steuergesetze relevant sind. Wie das Bundesgericht in einem Entscheid vom 18. Dezember 2017 bestätigte, dürfen die im Rahmen der Amtshilfe erteilten Auskünfte nicht zur Strafverfolgung zweckentfremdet werden (vgl. Urteil 2C_640/2016 vom 18. Dezember 2017 E. 4.3). Das Bundesverwaltungsgericht verlangte von der ESTV im zugrundeliegenden Fall, die Personendaten von Bankmitarbeitern, Rechtsanwälten und Notaren, die wahrscheinlich nicht relevant sind, in den zu übermittelnden Unterlagen einzuschwärzen. Das Bundesgericht schützte diesen Entscheid und stellte fest, dass der Name einer Drittperson im Rahmen der Amtshilfe übermittelt werden kann, wenn diese Information zur Aufklärung der Steuersituation des Steuerpflichtigen beiträgt. Die Namen der involvierten Bankmitarbeiter, Anwälte und Notare erachtete das Bundesgericht für die Beurteilung der finanziellen und steuerlichen Situation des Steuerpflichtigen jedoch nicht für relevant und bestätigte damit die von der Vorinstanz angeordnete Einschwärzung. Das schweizerische Steueramtshilfegesetz verbietet die Übermittlung von Daten von Personen, über die im Amtshilfegesuch keine Informationen verlangt werden, wenn diese Daten für die Beurteilung der Steuersituation der vom Amtshilfeersuchen betroffenen Person voraussichtlich nicht relevant sind oder wenn berechtigte Interessen von Personen, die nicht vom Amtshilfegesuch betroffen sind, das Interesse der ersuchenden Seite an der Übermittlung der Informationen überwiegen (vgl. Art. 4 Abs 3 StAhiG).

Die jüngste Rechtsprechung zur Amtshilfe im Zusammenhang mit dem US-Steuerstreit ist für Bankmitarbeiter und Berater richtungsweisend. Sie können sich, sollten sie über das Amtshilfegesuch überhaupt Kenntnis erlangen, mit Aussicht auf Erfolg gegen die Offenlegung ihrer Personendaten wehren. Ob die Gerichte in Bezug auf Drittpersonen gleich entscheiden werden, deren Daten aufgrund ihrer Organstellung oder Zeichnungsberechtigung in den Bankunterlagen enthalten sind, muss sich hingegen noch weisen. Immerhin wies das Bundesgericht im fraglichen Entscheid darauf hin, dass der Umstand, ob der Steuerpflichtige alleine oder zusammen mit Dritten gehandelt hat, zwar für die Beurteilung betrügerischer Strukturen relevant sei. Für diese Beurteilung sei jedoch nur die Information über die Existenz und die Beteiligung Dritter notwendig und nicht deren Identität. Diese Argumentation lässt sich grundsätzlich auch auf Personen mit Organstellung und Zeichnungsberechtigung übertragen.

Die US-Justiz hat ihre Unabhängigkeit in den Fällen Weil und Buck unter Beweis gestellt. Dies befreit die Schweizer Justiz aber nicht davon, bei der Gewährung der Amtshilfe Augenmass zu bewahren und der missbräuchlichen Verwendung von nicht amtshilferelevanten Daten einen Riegel zu schieben. Wenn der Informationshunger der USA nicht unnötig weiter angefacht wird, könnte auch der US-Steuerstreit früher als befürchtet beendet sein.

 

Patrik Salzmann

Prozessanwalt | Partner bei Nater Dallafior Rechtsanwälte AG

6 Jahre

Die ESTV hat die Schlussverfügungen, bei denen Namen von Organpersonen von Sitzgesellschaften gegen deren Willen übermittelt werden sollen, wegen dem Bundesgerichtsurteil 2C_640/2016 "on hold" gesetzt. Vermutlich wartet die ESTV auf einen weiteren Leading Case des Bundesgerichts.

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