Stirbt Ratingen langsam?
In der aktuellen "Stimme der Wirtschaft", die heute in der Rheinischen Post erschienen ist, schreibt unser Vorstandsvorsitzender Olaf Tünkers über die Entwicklungen der medizinischen Versorgung in Ratingen:
Schon mit dem Aus der Geburtshilfe und Gynäkologie am St. Marien Krankenhaus Ende 2022 zeichneten sich dunkle Wolken am Ratinger Gesundheitshimmel ab. Seit letztem Monat steht nun fest: das Ratinger Krankenhaus wird vollständig geschlossen. Hätte man diesen Niedergang noch stoppen können? Haben sich die Betreiber, die Stadt, die Wirtschaft zu wenig für den Erhalt der medizinischen Grundversorgung am Standort Ratingen eingesetzt?
Dieser Niedergang war, wenn man ehrlich ist, absehbar. Im Inneren des Gebäudes war bereits seit Jahren ein Investitionsstau spürbar. Der Ruf des Hauses wurde unterschiedlich bewertet, und der Wettbewerb mit den Krankenhäusern und deren spezialisierten Ausrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft war hart. Für das langfristige Überleben galt das Ratinger Krankenhaus gemeinhin als zu klein. Traurig, besonders für die dort tätigen Mitarbeiter*innen, die ich aus eigener Erfahrung als hochmotiviert, kompetent und sehr einfühlsam erlebt habe.
Ein echtes Drama für die Stadt Ratingen, die als eine der wenigen Mittelstädte in Deutschland nicht mehr über eine eigene medizinische Grundversorgung verfügen wird.
Ein Krankenhaus vor Ort ist ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft und für die hier ansässigen Unternehmen und deren Mitarbeiter*innen. In dem ansonsten positiven wirtschaftlichen Umfeld klafft mit dem Verlust des zentralen Krankenhauses, übrigens langjähriges Mitglied des UVR, nun eine bittere Lücke.
Einen viel größeren Verlust bedeutet das Aus aber für die Ratingen Bürger und hier besonders die weniger mobilen Älteren und erst recht die akut Betroffenen.
Die Krankenhäuser in den Nachbarstädten sind im Normalfall schnell erreichbar. Ein Unfall auf der A3, die geplante Teilsperrung der Brachter Straße und die angekündigten Baustellen auf den umgebenden Autobahnen werden aber wie in der Vergangenheit wieder in Ratingen zu chaotischen Verkehrsverhältnissen führen. An solchen Tagen möchte niemand mit einem Infarkt im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus einer Nachbarstadt sein.
Vielleicht ist deshalb ein schon diskutiertes Zentrum für Notfälle und Akutmedizin ein Modell, das man sich für unsere Stadt wünschen würde, unter Umständen als Außenstelle eines Krankenhauses aus der Nachbarschaft.
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Die Schließung des Sankt Marien Krankenhauses fügt sich ein in eine Reihe von traurigen Bildern, die die lokalen Nachrichten der letzten Wochen prägten: Die überschwemmte Naturbühne am Blauen See, die Brachflächen am Büro-Standort Ratingen-Ost, der seit Jahren leerstehende Bahnhof Ratingen-Ost, der verwaiste Berliner Platz in West, der Ausfall der S6…
Man kann kaum glauben, dass wir in der Stadt leben, die zu einer der reichsten Gemeinden im Kreis Mettmann zählt und mit einer Ausgleichsrücklage von fast 240 Millionen Euro viele Vorhaben aus der Portokasse bezahlen könnte.
Viel bitterer ist aber vielleicht die Tatsache, dass bereits seit dem Wegfall der Geburtshilfe die Zahl der Bürger*innen mit Ratingen als Geburtsort abnimmt. Stirbt Ratingen langsam?
Dagegen hilft dann nur eins – die vielen bei uns leerstehenden Bürogebäude müssen im Sinne einer klugen Nutzung konsequent in Geburtshäuser umgewandelt werden.
Olaf Tünkers
Vorstandsvorsitzender des Unternehmensverband Ratingen e.V.