storytime #2: Ersti oder nicht Ersti? - Über den Hochschulwechsel zum Master
Die ersten Tage im Masterstudium an einer neuen Hochschule waren in jeder Hinsicht turbulent. Eine neue Stadt, eine neue Wohnung, ein neuer Campus und vor allem – viele neue Gesichter und ein großes Kennenlernen. Wenn ich erzählte, dass ich meinen Bachelor an einer anderen Hochschule gemacht habe, wurde sofort festgestellt, dass ich ein "Ersti" sei. Ich war verblüfft. War ich das – ein Ersti?
Mit diesen Erlebnissen war ich sicher nicht alleine. Jeder Dritte wechselt zum Master die Hochschule. Gründe gibt es dafür genug - wie z.B. eine attraktivere Schwerpunktsetzung, einen besseren Ruf oder schlichtweg günstigere Zulassungsvoraussetzungen.
In diesem Artikel schildere ich meine ersten Eindrücke und Sorgen, die der Anfang meines Masterstudiums an einer anderen Hochschule mit sich gebracht hat, und hoffe, damit potenziellen Masteranden dabei zu helfen, die "große Ungewissheit" vor dem "zweiten ersten Semester" zu verkleinern.
Was dagegen spricht:
Ich weiß, wie Dinge laufen
Ich immatrikuliere mich nicht zum ersten Mal, besuche nicht zum ersten Mal Vorlesungen und schreibe nicht zum ersten Mal Prüfungen auf Hochschulniveau. Ich kenne den Studienalltag in- und auswendig – schließlich lebe ich ihn schon seit drei Jahren.
Ich weiß, was auf mich zukommt
Viele Studienanfänger haben im ersten Semester nur eine vage Vorstellung von dem, was sie erwartet. Klar, es gibt eine Website, es gibt Modulkataloge. Aber was nimmt man wirklich aus den Vorlesungen mit?
Ich habe im Bachelor schon ein breites Basiswissen über die Betriebswirtschaftslehre erlangt, auf dem ich jetzt aufbauen kann.
Ich kann mich organisieren
Während der Bachelor am Anfang noch ein großes, schwarzes Loch der Ungewissheit war, weiß ich im Master jetzt, wie ich mit „dem Thema Studium“ umzugehen habe. Ich weiß, wie ich mich auf Prüfungen vorbereite, wie ich meinen Studienverlauf planen muss, um pünktlich fertigzuwerden, ins Ausland zu gehen oder doch noch ein Praktikum dazwischenzuschieben und kenne auch die Fristen, innerhalb derer Module aus dem Vorstudium angerechnet werden können. Richtige Erstis haben in diesem Bereich bestimmt mehr Probleme.
Ich weiß, wie ich lernen muss
Während des Bachelors habe ich mehr als ein Semester gebraucht, um „meine“ Art, zu lernen, zu finden, was man auch an meinem Notendurchschnitt gemerkt hat. Im Master kann ich dieses Wissen von Anfang an nutzen, brauche also keine „Selbstfindungsphase“ mehr.
Ich lasse mich nicht mehr so leicht überraschen
Ich muss zugeben – in den vergangenen Wochen ist mir aufgefallen, wie entspannt ich in gewisser Hinsicht geworden bin. Die bürokratischen Hürden werden mit jeder bezwungenen Barriere größer? Standard. Dozenten verkaufen ihr Vorlesungsskript, anstatt es online frei zur Verfügung zu stellen? Soll es geben. Man muss für ein einziges Fach so viele studienbegleitende Leistungen erbringen, dass dieser Umstand allein einem über Monate hinweg jegliche Freizeit zu rauben droht? Passiert. Der Lehrstuhl wird mitten im Semester aufgelöst? Typisch.
Wäre ich ein "Ersti", hätte mich nichts davon kalt gelassen.
Was dafür spricht:
Ich verlaufe mich
Verdammt, ist dieser Campus riesig! Aber Moment, wenn ich hier um die Ecke gehe, sollte ich doch eigentlich – Wo in aller Welt bin ich?
Warum kann ich im Erdgeschoss auf die Straße hinausgehen – im ersten Stock aber auch?
Wie bin ich in ein anderes Gebäude gekommen, ohne das erste Gebäude je verlassen zu haben?
Warum gibt es hier keine Wegweiser?
Ich bin verwirrt
Sich innerhalb einer völlig fremden Organisation zurecht zu finden, kann ziemlich schwierig sein.
Ich komme von einer Fachhochschule, was bedeutet: Es gab eine Fakultät. Mehr musste man zur Organisation nicht wissen. An meiner jetzigen Universität gibt es jedoch noch eine weitere Instanz – die Lehrstühle. Wer sich Fächer aus dem Vorstudium anerkennen lassen will, muss erst einmal den zuständigen Lehrstuhl finden. Aber welcher ist das? Leider wissen das die Lehrstühle oft selbst nicht.
Ich muss ständig nachfragen
Wie funktioniert hier die Prüfungsanmeldung? Bis wann läuft die Prüfungsabmeldephase? Wo bekomme ich dieses Skript her? Sind die Vorlesungen in diesem Modul genauso wichtig wie die Übungen? In welche Bibliothek muss ich, wenn ich das Buch xy ausleihen will? Wo in aller Welt bin ich und wie komme ich ins Wirtschafts-Gebäude?
Ich kenne niemanden
In den ersten Tagen fühlte ich mich alleine unter vielen. Ich besaß keine Kontakte aus meiner alten Hochschule – was wahrscheinlich noch extremer ist als der Studienstart eines so „richtigen“ Erstis, der zumindest ein paar Kommilitonen schon aus der Abi-Zeit kennt.
Ich bin genauso verunsichert wie im "aller"ersten Semester
Wenn es etwas gab, das mir in den ersten Tagen des Masters klar geworden ist, dann war es die Tatsache, dass er eine noch größere Herausforderung sein würde als der Bachelor: Mehr Aufwand in weniger Zeit, könnte man sagen. Noch dazu die Unsicherheit, die mein neues Umfeld, die neue Hochschule und die neuen Dozenten in mir auslösten. Ich hatte keine Ahnung, was von mir erwartet wurde - und was ich von mir selbst erwarten konnte. Plötzlich fühlte ich mich in die Zeit vor drei Jahren zurückgesetzt, als ich mich – wegen ähnlichen und völlig anderen Gründen – genau so gefühlt hatte.
Ersti oder nicht Ersti?
Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Aber fest steht: Selbst wenn ich mich tatsächlich zum Ersti zurückentwickelt haben sollte, ist diese Herausforderung nicht überwindbar. Denn so wie Bachelor war, geht auch das "zweite erste Semester" irgendwann vorbei.
Deshalb - keine Angst vor einem Hochschulwechsel zum Master. Den Großteil dieses Artikels habe ich bereits im Oktober, zu Beginn meines Masterstudiums, verfasst. Selbst wenn die ersten Wochen ein kleiner Kulturschock waren, so gab es doch keine Schwierigkeiten, die sich nicht haben beseitigen lassen. Deshalb mein Appell an alle, die davor zurückschrecken, zum Master die Hochschule zu wechseln: Macht euch keine Sorgen! Selbst wenn ihr zu Beginn verunsichert seid, werden sich die meisten eurer Startschwierigkeiten mit der Zeit von selbst auflösen.
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