7. Strategeme und Kommunikation: Will man etwas fangen, muss man es zunächst loslassen (Strategem 16)
Der Ursprung dieses Strategems ist die Idee, gegnerische Truppen durch freigelassene Kriegsgefangene zu unterwandern, die man zuvor freundlich behandelt hat. Im übertragenen Sinne gehört daher der Einsatz von Informanten oder Whistleblower, zum Beispiel auch in der Pressearbeit, zu dieser Strategie.
In einem halböffentlichen Unternehmen gab es seit über zehn Jahren denselben Geschäftsführer, der dieses zunehmend wie sein Privateigentum führte. Dagegen formierte sich Widerstand. Außerdem standen Vorwürfe wie Untreue, illegale Arbeitnehmerüberlassung und private Vorteilsnahme im Raum.
Das Kommunikationsziel war es, eine Journalistin eines großen meinungsführenden Mediums in Deutschland zu gewinnen, über die „gutsherrenartige“ Führung und über das Fehlverhalten des Geschäftsführers zu berichten. Dafür mussten wichtige Mitarbeitende in leitender Position des Unternehmens überzeugt werden, die Vorwürfe zu belegen. Nachteile durften ihnen durch ihre Aussagen nicht entstehen und Anonymität musste gewahrt bleiben.
Tatsächlich habe ich in über 25 Berufsjahren noch nie erlebt, dass ein Journalist oder eine Journalistin eine Quelle preisgibt, wenn vorab Verschwiegenheit vereinbart wurde. Gespräche „unter zwei“ oder „unter drei“, wie es in journalistischer Fachsprache heißt, sind verbindliche Vereinbarungen, an die sich gehalten wird. „Unter zwei“ besagt, dass die Information ohne Nennung der Quelle indirekt zitiert werden kann. „Unter drei“ steht für eine reine Hintergrundinformation, die von JournalistInnen nicht direkt verwendet, aber indirekt genutzt werden kann und die zu weiteren Recherchen Anlass gibt.
Im konkreten Fall führte die Berichterstattung später zu staatsanwaltlichen Ermittlungen und letztlich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Geschäftsführers.
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In einem anderen Fall berichteten Medien über Vorwürfe gegen ein Unternehmen, die von einem anonymen Informanten vorgebracht worden waren. In seiner Abwehrstrategie hat der CEO des Unternehmens das direkte Gespräch mit den JournalistInnen gesucht, um die Vorwürfe zu entkräften und die eigene Position klar zu machen. So entstanden Veröffentlichungen, die auch die Argumente und die Sicht des Unternehmens vermittelten und für Ausgleich sorgten.
Presse- und Medienarbeit mit anonymen Informanten ist nach meinen Erfahrungen immer ein besonders aufwendiges Unterfangen. Arbeitet man selber mit solchen Informanten, bedeutet das Aufwand für die Beschaffung, Auswahl und Aufbereitung der Informationen für die Journalistinnen und Journalisten, da diese ohne direkte Zitatgeber von der Richtigkeit besonders überzeugt werden müssen. Arbeitet man gegen anonyme Behauptungen, erfordert auch das hohen Aufwand bei der Beschaffung, Auswahl und Aufbereitung der entkräftenden Informationen.
Dennoch kommt es vor, dass JournalistInnen auch unzureichend belegte Behauptungen wiedergeben. Als letzte Verteidigungslinie in der Pressearbeit ist dann anwaltliche Unterstützung einzuholen.
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Meine gesammelten Artikel zu den chinesischen Strategemen und ihre Relevanz für Kommunikation und PR-Arbeit habe ich in einem Booklet veröffentlicht. Falls Sie für ein Unternehmen arbeiten und dieses Booklet gerne als pdf-Datei haben möchten, schicken Sie mir einfach über LinkedIn eine Nachricht oder eine E-Mail an info@stein-reputation.de.