Streaming-Dienste: Können TV-Sender in Zukunft noch US-Serien anbieten?
Seit dem 16. September 2014 haben TV-Sender und Streaming-Dienste einen neuen Konkurrenten: Netflix. Gespannt sahen Experten dem Start entgegen und befürchteten einen Zuschauerschwund bei den klassischen Fernsehsendern, wie Michael Loeb, Chef des Rechtehändlers WDR Mediagroup der Wirtschaftswoche im Gespräch mitteilte. Nun könnte Loeb Recht behalten. Denn Netflix kündigte an, dass sie bereits 2020 pro Jahr 20 eigene Serienstaffeln produzieren wollen. Dazu gehören Weiterführungen zu bestehenden Formaten ebenso wie neue Serien. Erreicht Netflix bis in fünf Jahren seine Ziele, wäre der Video-on-Demand-Anbieter der größte Produzent von Serien - im Vergleich zu anderen Senderketten - in den USA, heißt es nach Einschätzung von Experten. Mit dieser Offensive möchte Netflix sicherstellen, dass die selbstproduzierten Inhalte eine höhere Reichweite erhalten als jene, die zuerst im TV liefen.
Konkurrenz kontert mit eigener Plattform
Das ist unter anderem eine Kampfansage an den amerikanischen TV-Giganten HBO, der für Produktionen wie Sex and the City bekannt ist. Der Kabelsender rudert aber längst zurück und kündigte bereits für 2015 einen eigenen Streaming-Dienst an. Anders nimmt das amerikanische Fernseh-Network CBS diesen Plan zu Kenntnis und verweist gegenteilig auf Zahlen, die belegen, dass auf Netflix die Streaming-Abrufe von selbstproduzierten Inhalten bei nur zehn Prozent liegen. Auch die rund 1,1 Milliarden Stunden, die Netflix-Nutzer die fünf selbst produzierten Serien angeschaut haben sollen, beunruhigt das Unternehmen mit Sitz in New York nicht. Denn schon alleine die Serie NCIS kommt auf 800 Millionen Stunden und war zuvor schon im Fernsehen zu sehen. Für CBS der Beweis, dass Eigenproduktionen meist weniger attraktiv sind als TV-Wiederholungen.
Trotz gegenteiliger Behauptungen, Kritik und dem Fall der Netflix-Aktie um drei Prozent (aus Angst der Anleger vor hohen Kosten), hält das Unternehmen an dem Plan fest.
Video-on-Demand-Branche: Marktvolumen verdreifacht sich bis 2019
Doch nicht nur die amerikanischen Netflix-Konkurrenten begutachten, obwohl sie es teilweise nicht zugeben, diese Entwicklung äußerst sorgfältig und beunruhigt, sondern auch deutsche Anbieter und TV-Sender bangen, ob sie mit der heißen US-Ware bald noch mithalten können. Die ProSiebenSat.1-Tochter Maxdome beispielsweise macht sich auf einen harten Konkurrenzkampf gefasst, erlebt aber seit dem Markeintritt von Netflix einen Nutzer-Zuwachs von 30 Prozent. Experten sagen vorraus, dass Maxdome zwar durch den gestiegenen Wettbewerb Marktanteile verlieren, jedoch vom Branchen-Marktwachstum profitieren wird. Zusätzlich sei Maxdome in Sachen Preis und Inhalt gut aufgestellt und bereit für die sich stark entwickelnde Video-on-Demand-Branche, welche bis 2019 von ca. 273 Millionen Euro auf 750 Millionen Euro Marktvolumen wachsen soll.
Doch auch wenn sich die amerikanische Konkurrenz bislang keine schwerwiegenden Sorgen macht und auch hierzulande die Stimmung mehr oder minder positiv ist, stellen die eigenproduzierten Netflix-Inhalte und künftige Streaming-Portale wie das von HBO eine nicht zu unterschätzende Bedrohung für die grenzenübergreifende Medienlandschaft dar.
Gründe können wie folgt aussehen:
- Die produzierenden Unternehmen bieten ihre Inhalte exklusiv auf ihren Portalen an
- Der Rechte-Vertrieb fällt ganz oder teilweise weg, sodass solche Programme nicht mehr im Free-TV ausgestrahlt würden
- Werden Serien nach Erstausstrahlung an TV-Sender verkauft, könnten die Preise enorm ansteigen
- Stellen Video-on-Demand-Anbieter ganze Staffeln weltweit an einem Tag zur Verfügung, wie es am 12. Dezember mit Marco Polo von Netflix der Fall war, könnte die wöchentliche Ausstrahlung bei einem TV-Sender weniger attraktiv sein
- Inhalte sind jederzeit gegen ein monatliches Entgelt abrufbar - der Zuschauer ist der eigene Programmmacher und muss nicht eine Woche lang warten, bis die nächste Folge ausgestrahlt wird - ganz ohne Werbung
Wie könnte sich der deutsche TV-Markt daraufhin entwickeln?
Eine konkrete Marktentwicklung ist schwierig vorherzusagen. Fest steht jedoch, dass eigenproduzierte Serien in Deutschland außerhalb der Grenzen nicht leicht zu vermarkten sind und sie es ohnehin schon schwer haben. Aus diesem Grund muss es weltweite Allianzen geben, die fördern und unterstützen, damit Produktionen wieder lukrativer werden.
Koproduktionen und Kofinanzierungen machen den deutschen Sendern die Programmangebote der Zukunft und dafür gibt es schon jetzt die geeigneten Player im Markt. Nicht zuletzt mit dem Zusammenschluss zweier großer Player wie Endemol und Shine rüsten sich die internationalen Giganten auf einen interessanten Paradigmenwechsel vor und werden weiterhin am großen Rad drehen. Dieses Szenario und das Anbinden von kleinen kreativen Produzenten an die großen Player werden den Sendern definitiv noch Zeit verschaffen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken und zu optimieren.
Unter den Konzernen gibt es bereits Pläne hierfür, die sicherlich für Spannung in der Branche sorgen werden. Und auf diese können wir Fernsehmacher und auch der Zuschauer gespannt sein.
Die Erstveröffentlichung meines Beitrags finden Sie auf meiner Homepage: www.martinbaumannblog.de