Streit wegen des Bauvertrags? So lösen Sie Konflikte!
Auf der Baustelle kommt es immer wieder zu Konflikten (Bild: Getty Images/ iStock/ ekapanova)

Streit wegen des Bauvertrags? So lösen Sie Konflikte!

Der Vollzug eines Bauvertrags gestaltet sich vielschichtig. Ein besonderes Risiko besteht darin, dass die tatsächlichen Umstände auf der Baustelle (insbesondere die Bodenqualität oder die Witterung) stark von demjenigen abweichen können, was bei Abschluss des Bauvertrags unterstellt wurde.

Daneben hat der Bauvertrag Züge eines Dauerschuldverhältnisses; der BGH spricht deswegen von einem „Langzeitvertrag“. Die Klauseln des Bauvertrags müssen sich daher anhand oft unvorhergesehener Umstände über einen langen Vollzugszeitraum hinweg bewähren.

Ausgehend davon ist zumindest bei Bauvorhaben größeren Umfangs nahezu ausgeschlossen, dass es zwischen den Bauvertragsparteien (Auftraggeber und Auftragnehmer) nicht zu Konflikten kommt.

Streitanfällige Themen:

Als streitanfällige Themen lassen sich typischerweise folgende Punkte ausmachen:

  • Änderungsanordnungen: Handelt es sich im Vergleich zum Leistungsspektrum des Bauvertrags um eine zusätzliche/geänderte Leistung, welche gesondert zu vergüten ist?
  • Behinderungen (Gläubigerverzug): Ist der Auftragnehmer durch solche Umstände an der ungestörten Bauausführung behindert, welche Gläubigerverzug des Auftraggebers und entsprechende Mehrvergütungsansprüche begründen?
  • Bauzeit: Muss der Bauzeitenplan laut Bauvertrag trotz Widrigkeiten/unvorhergesehenen Umständen auf der Baustelle eingehalten werden? Oder kommt es zugunsten des Auftragnehmers zu einer Verschiebung vereinbarter Fristen? Falls ja, in welchem Umfang?
  • Mängel/unvollständige Leistungen: Entspricht die Bauausführung vollständig den Vorgaben des Bauvertrags bzw. den darin in Bezug genommenen Regelwerken?

Die Ausgangssituation zu Konflikten gestaltet sich oft dahingehend, dass der Auftragnehmer in Nachtragsangebot zur Beauftragung durch den Auftraggeber vorlegt. Die Begründung für die Forderung von Mehrvergütung kann der Auftraggeber ggf. nicht nachvollziehen und weist das Nachtragsangebot zurück. Stattdessen fordert der Auftraggeber die Erfüllung des Bauvertrags mit dem ursprünglich vereinbarten Inhalt ohne jede Mehrvergütung.

Druckmittel: Leistungsverweigerung

Finden die Parteien keinen gemeinsamen Standpunkt, so besteht für jede Partei grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht. In der Praxis hat das Institut der Leistungsverweigerung eine herausragende Bedeutung während der Bauausführung.

Jeder Partei verschafft das Leistungsverweigerungsrecht im Sinne der „Selbsthilfe“ ein Druckmittel zur Durchsetzung der eigenen Forderung, ohne ein staatliches Gericht anrufen zu müssen oder eine alternative Streitbeilegung bemühen zu müssen.

In der Regel besteht die Leistungsverweigerung

  • durch den Auftraggeber darin, dass Abschlagsforderungen des Auftragnehmers nicht mehr bedient werden (Zahlungsstop),
  • durch den Auftragnehmer in einer vorläufigen Einstellung der Bauausführung (Baustopp).

Ob die jeweilige Leistungsverweigerung materiell rechtmäßig erfolgt, kann im Nachgang durch ein Gericht überprüft werden. Gleichwohl jeder Leistungsverweigerung deswegen das Risiko einer Schadensersatzpflichtigkeit gegenüber der anderen Partei innewohnt, werden mit der Leistungsverweigerung für den Moment Tatsachen geschaffen und erheblicher Druck aufgebaut. Nicht selten setzt sich daher die Effektivität der Leistungsverweigerung gegenüber ihrer materiellen Rechtmäßigkeit durch.

Ultima Ratio: Kündigung/Schadensersatz

Im Fall der Leistungsverweigerung besteht die Ultima Ratio in der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund sowie – damit typischerweise einhergehend – in der Forderung von Schadensersatz von der anderen Partei:

  • Der Auftraggeber setzt dem Auftragnehmer ein Nachfrist zur weiteren Bauausführung/Mängelbeseitigung.
  • Der Auftragnehmer setzt dem Auftraggeber eine Nachfrist zur Bezahlung der offenen (Abschlags-) Forderungen.

Verbunden mit der jeweiligen Nachfristsetzung ist die Androhung der Kündigung nach ergebnislosem Fristablauf sowie von Schadensersatz.

Für den Auftragnehmer bietet sich zusätzlich die Möglichkeit, ein Sicherungsverlangen für den noch offenen Werklohn zu stellen (Bauhandwerkersicherung – § 650fBGB). Stellt der Auftraggeber die geforderte Sicherheit nicht, so besteht für den Auftragnehmer die Möglichkeit zur Kündigung des Bauvertrags.

Ein solches Sicherungsverlangen hat an sich keinerlei Bezug zu einem Konfliktfall. Der Auftragnehmer kann die Bauhandwerkersicherung jederzeit nach Abschluss des Bauvertrags fordern, auch noch nach Kündigung. In der Praxis wird der Auftragnehmer allerdings gerade im Konfliktfall von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Stellt der Auftraggeber die Sicherheit nicht, so ist dieser Tatbestand nach § 650f BGB die wesentlich rechtssicherere Option zur vorzeitigen Kündigung als die ggf. schwierige Darlegung eines wichtigen Kündigungsgrunds wegen unberechtigter Leistungsverweigerung des Auftraggebers (Zahlungsverzug).

Anders als der Auftraggeber steht dem Auftragnehmer kein freies Kündigungsrecht zu, sodass eine Umdeutung einer unwirksamen Kündigung aus wichtigem Grund in eine freie Kündigung von vornherein nicht möglich ist.

Folge des Konflikts: Mehrkosten

Jeder Tag, an dem die Baustelle infolge des Konflikts (teilweise) stillsteht, verursacht erhebliche Mehrkosten. Hinzu kommt der personelle Mehraufwand, d.h. die Bindung von Mitarbeitern zur Bewältigung des Konfliktfalls. Beide Parteien haben daher im absoluten Regelfall ein hohes Interesse an einer pragmatischen, raschen Beilegung des Konflikts.

Dies gilt im Besonderen bei Konflikten während der Bauausführung, da der Auftraggeber zumeist einen (häufig vertragsstrafbewehrten) Fertigstellungstermin gegenüber dem Bauherrn zu wahren hat. Allerdings ist auch nach Abschluss der Bauausführung das Interesse jeder Partei hoch, keinen jahrelangen Bauprozess mit einhergehenden Prozesskosten führen zu müssen.

Baubegleitendes Konfliktmanagement

Das Primärziel des baubegleitenden Konfliktmanagements besteht in der Ermöglichung einer raschen, erfolgreichen Fertigstellung der Bauausführung. Dies wiederum bedingt eine Klärung der behaupteten Ansprüche/Gegenansprüche.

In aller Regel lassen sich folgende Etappen des baubegleitenden Konfliktmanagements ausmachen:

  • direkte Verhandlungen der Parteien ohne Rechtsbeistand oder sonstigen externen „Moderator“
  • Beiziehung eines Rechtsbeistands (Inhouse-Jurist/Syndikus oder externer Rechtsanwalt)
  • Inanspruchnahme von Rechtsschutz: -> staatlicher Rechtsschutz (beispielsweise einstweilige Verfügung); alternative Streitbeilegung (beispielsweise Schiedsgutachten zu Mängelbehauptungen)

Ohne Konfliktlösung: Eskalation

Findet sich anhand des vorgenannten baubegleitenden Konfliktmanagements keine Lösung, so kommt es zumeist zu folgenden Tatbeständen der Eskalation:

  • Kündigung
  • Ersatzvornahme: Vollendung der Bauausführung durch Beauftragung eines Dritten
  • Forderung von Schadensersatz
  • einseitige Aufrechnungen mit (behaupteten) Gegenansprüchen

Die Bauausführung wird somit fertiggestellt, ohne dass zwischen den Parteien die wechselseitig behaupteten Forderungen abgegolten werden. Insbesondere wird der Auftraggeber die Schlussrechnung des Auftragnehmers in den strittigen Punkten zurückweisen.

Nachgelagertes Konfliktmanagement

Das der Bauausführung nachgelagerte Konfliktmanagement vollzieht sich ohne den Zeitdruck, der noch während der Bauausführung besteht. Allerdings ist jeder Partei allein aus buchhalterischen Gründen daran gelegen, die wechselseitigen Ansprüche geklärt zu wissen. In diesem Sinn ist das Primärziel des nachgelagerten Konfliktmanagements die finale Klärung von offenen Ansprüchen/ Gegenansprüchen.

Die Parteien können trotz Scheitern des baubegleitenden Konfliktmanagements selbstverständlich auch nach Abschluss der Bauausführung den Versuch einer gütlichen Einigung unternehmen. Durch den Zeitablauf („Abkühlungsphase“) mag sich Einigungsbereitschaft einstellen. Ist dies jedoch nicht der Fall, so ist bezüglich der Optionen zum Rechtsschutz Folgendes zu unterscheiden

Staatlicher Rechtsschutz (Bauprozess)

Bei den Landgerichten sind Baukammern eingerichtet (§ 72a Abs. 1 Nr. 2GVG). Bei den Oberlandesgerichten (Berufungsinstanz) finden sich entsprechende Spezialsenate (§ 119a Abs. 1 Nr. 2GVG). Typischerweise sind dort folgende Formen der Bauprozesse zu führen:

  • Klage des Auftragnehmers auf offenen Werklohn (Werklohnklage)
  • Klage des Auftraggebers auf Schadensersatz (Mehraufwendungen wegen Ersatzvornahme/ Mangelfolgeschäden)
  • selbstständige Beweisverfahren wegen Mängeln

Alternative Streitbeilegung

Bei Konflikten aus einem Bauvertrag gestaltet sich der staatliche Rechtsschutz oftmals als langatmig und kostenintensiv. Durch den Anspruch auf einen gesetzlich festgelegten Richter haben die Parteien keinen Einfluss darauf, welcher Richter konkret entscheiden wird. Oftmals ist es aus Sicht beider Parteien vorzugswürdig, einen anerkannten, beidseitig akzeptierten Experten auf dem Gebiet des Baurechts zu wählen. Nicht zuletzt das Interesse an einer raschen Entscheidung führt zu dem Bedürfnis, dass die Parteien die Modalitäten des Rechtsschutzes aktiv selbst gestalten können.

In diesem Sinne hat sich die alternative Streitbeilegung etabliert. „Alternativ“ im Vergleich zum staatlichen Rechtsschutz lassen sich folgende Institute ausmachen:

  • Adjudikation
  • Schiedsgutachten
  • schiedsrichterliches Verfahren
  • Schlichtung/Mediation


Autor: Rechtsanwalt Dr. Bernhard Hartl


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