Termine (II) – Rechte des Auftraggebers bei Verzögerungen aus dem Risikobereich des Auftragnehmers (1)

Termine (II) – Rechte des Auftraggebers bei Verzögerungen aus dem Risikobereich des Auftragnehmers (1)

Ganz grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass der Auftraggeber bestrebt ist, sich für den Fall einer durch den Auftragnehmer verursachten Verspätung möglichst umfangreich abzusichern. Dadurch sichert er sich zu den etwaig vorhandenen gesetzlichen Ansprüchen auch weitergehende vertragliche Rechte.

Deutsches Recht: Vertragsstrafen, pauschalisierter Schadenersatz und AGB-Recht

Anlagenbauverträge enthalten aus diesem Grund häufig Regelungen, die vorsehen, dass der Lieferant der Anlage bei Versäumung vertraglich vereinbarter Fristen zur Zahlung eines bestimmten Betrages an den Auftraggeber verpflichtet ist.

Vertragsstrafen stellen eine weit verbreitete Sanktion dar, derer sich der Auftraggeber im Verzugfall bedienen kann. Die in den §§ 339-345 BGB geregelte Vertragsstrafe eröffnet dem Auftraggeber den Vorteil, dass er ungeachtet des tatsächlich eingetretenen Schadens einen vertraglich näher bestimmten Geldbetrag erhält. In diesem Zusammenhang handelt es sich allerdings lediglich um eine Mindestentschädigung. Dem Auftraggeber ist es unbenommen, einen ihm tatsächlich entstandenen Schaden gegenüber dem Lieferanten geltend zu machen.

Regelungen zur Vertragsstrafe unterfallen als allgemeine Geschäftsbedingungen, d.h. als für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, häufig der gerichtlichen Inhaltskontrolle (§§ 307 ff. BGB). Diese Strafe kann in den Händen des Auftraggebers als „scharfes Schwer“ charakterisiert werden. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung den Prüfmaßstab für formularartig verwendete Vertragsstrafeklauseln in den letzten Jahren zugunsten der Auftragnehmer immer enger gefasst und Klauseln vielfach als unangemessen und damit unwirksam im Sinne von § 307 BGB bewertet. Mithilfe dieses Vorgehens versuch sie einen Ausgleich zwischen dem berechtigten Druck- und Kompensationsinteresse des Auftraggebers auf der einen Seite und dem Schutz des Auftragnehmers vor einer unangemessenen Benachteiligung auf der anderen Seite zu schaffen. Vor allem soll dadurch umgangen werden, dass ein Auftragnehmer schon bei Vorliegen eines nur geringfügigen Verzuges in die Gefahr gerät, die von ihm bei der tatsächlichen Durchführung des Projekts kalkulierten wirtschaftlichen Gewinne innerhalb kurzer Frist aufzuzehren. Ganz grundsätzlich ist die Rechtsprechung überwiegend zu Bauverträgen ergangen – nichtsdestotrotz lasen sich die dort gefundenen Lösungen auch auf Anlagenbauverträge übertragen.

Praxishinweis: Werden Vertragsstrafeklauseln formuliert, sollte unbedingt wichtiges beachtet werden:

  • Die vom Auftragnehmer zu zahlende Vertragsstrafe darf einen Höchstbetrag von 5% der Gesamtnettovergütung nicht überschreiten.
  • Die festgelegte Vertragsstrafensumme (pro Kalender-/Arbeitstag innerhalb einer Formularklage) ist ebenfalls begrenzt. Sie darf 0,2% bzw. 0,3% der Gesamtnettovergütung nicht überschreiten. Aufgrund der fortwährend Rechtsprechung, die fortwährend restriktive Züge erhält, ist nicht auszuschließen, dass dieser Betrag weiter reduziert werden wird. Eine Vertragsstrafe in Höhe 0,15% pro Tag ist aus diesem Grund von den Parteien zu vereinbaren.
  • Bei der Pönalisierung von Zwischenfristen muss weiterhin gewährleistet sein, dass die bei vorangegangenen Zwischenterminen bereits verwirkten Vertragsstrafen bei der nachfolgenden Überschreitung von Zwischenfristen angerechnet werden.
  • Grundsätzlich ist eine verschuldensunabhängige Verwirkung der Vertragsstrafe auszuschließen.
  • Im Falle der Interessenidentität muss gewährleistet sein, dass bereits verwirkte Vertragsstrafen auf mögliche Schadenersatzansprüche angerechnet werden.
  • Werden die benannten Kriterien eingehalten, sollte eine Vertragsstrafeklausel festgelegt werden – und zwar in der Art, dass sie auch für die durch Verschiebung von Vertragsterminen dann neuen Zwischen- bzw. Fertigstellungstermine gilt.

Rainer Proksch unterstützt Firmen in Einkaufs-, Contract- und Claimfragen rund um Großbaustellen. Er besitzt langjährige praktische Erfahrung in der außergerichtlichen Lösung.

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