Transformation der Führung – was ist digital leadership?

Transformation der Führung – was ist digital leadership?

Führung war im Change Management schon immer die zentrale Variable und bleibt es auch in der digitalen Transformation. Daher kann es niemanden überraschen, dass in diesem Umfeld und dem Auftreten von agilen Frameworks das Thema Führung einen neuerlichen Wandel hin zu digital leadership erlebt.

Meine Google Anfrage zum Begriff digital leadership heute ergab „ungefähr 1.300.000.000 Ergebnisse“. Das Feld ist also unübersichtlich und deshalb will ich auch hier versuchen, ihnen Hinweise zu geben, mit denen sie sich in der aktuellen Vielfalt besser zurechtfinden können. Zwei Aspekte fallen mir besonders auf:

  1. Ein neues Führungsparadigma entsteht und
  2. Das Wissen über (digitale) Technologie wird Beststandteil des Kompetenzprofils

Ein neues Führungsparadigma, dass sich im Slogan „vom ich zum wir“ zusammenfassen lässt, scheint sich anzudeuten. Der frühere Sprachgebrauch „Vorgesetzter“ deutet schon an, dass hier jemand vorn ist, der weiß, wie es geht, Ansagen macht und allein über den Ressourceneinsatz bestimmt. Wenn also eine Person vorn sitzt, sind die anderen natürlich hinten, erfüllen die Anforderungen, machen das was gesagt wird richtig und hoffen dafür auf Belohnung. Ich finde ja, dass es nicht einer digitalen Revolution bedarf, damit klar wird, dass der autoritäre Führungsstil des command und control obsolet ist. Aber angesichts der Verbreitung der agilen Haltung in Kombination mit der digitalen Transformation ist die Zeit der einsamen Helden und Alleinherrscher an der Spitze nun definitiv vorbei!

Führung die kollegial, in Netzwerken, alternierend, als Team oder auch ganz anders organisiert werden kann, prägt das Bild wirksamer digitaler Transformation. Gemeinsam ist all diesen Ansätzen, dass der Dienstleistungscharakter (oft wird von enabling gesprochen) der Führung in den Vordergrund tritt. Entwicklung fördern, mit Fragen führen, Sinn stiften und intrinsische Motivation nutzen, steht jetzt im Vordergrund.

Ein neues Führungsparadigma

Denn die Aufgabe, die die digitale Transformation an Führung stellt, ist nicht mehr das Durchsetzen von überzeugenden Plänen mit ausgefeilter Managementtechnik, sondern das Unternehmensschiff durch manch unbekanntes Gewässer zu steuern. Die Rahmenbedingungen der Führung wandeln sich:

  • Feste Anwesenheit und starre Stellenbeschreibungen werden durch flexible Arbeitszeiten und offene Rollenmodelle ersetzt.
  • Der gute alte Teamworkshop und die dort vereinbarten Spielregeln der Zusammenarbeit weichen gruppendynamisch orientierten und offenen Veranstaltungen, in denen die Prinzipien der Selbstorganisation auf Augenhöhe ausgehandelt werden.
  • Die Klarheit und Richtungsgenauigkeit, die gestern noch benchmark Analysen und best practice Fallstudien boten, wird abgelöst durch unterschiedliche Szenarien, Prototypen und Lösungen die gut genug (man spricht auch von „minimum viable“) sind.
  • Der alte Erfolgsbegriff, der sich vor allem an der Zielerreichung und harten Zahlen, Daten und dem Finanzergebnis bemisst, wird durch ein breiteres Verständnis abgelöst. Wie sich die Kultur entwickelt, wie die Stimmung und das Klima sind, wie akzeptiert die Führung ist, wie viele und welche Personen neu in die Organisation kommen und wer das Unternehmen aus welchen Gründen verlässt, rückt in den Fokus von guter Führung.

Insbesondere der letzte Punkt, der sich oft auf Konferenzen und auf Karriereseiten unter dem Begriff des „kulturellen Vorbildes“ wiederfindet, ist wohl die größte Herausforderung. Denn bei digital leadership geht es nicht mehr um die einzelnen Aspekte der Führung, sondern um Führung als „Gesamtkunstwerk“. Da finde ich es auch nur richtig, wenn der alte Satz „Führung ist nur auf Zeit“ wieder eine Renaissance erlebt. Er wird in einigen Organisationen so konsequent umgesetzt, dass dort die Führungskräfte für eine bestimmte Periode von allen gewählt werden.

Digitale Kompetenz

Wie schon gesagt, es sind spannende Zeiten und wir sollten sie aufmerksam beobachten. Zu dem neuen Führungsparadigma kommt aber noch ein zweiter Aspekt hinzu: die technologische bzw. digitale Kompetenz.

Früher mag es gereicht haben, sich nur für seine Fachaufgabe zu interessieren und seine Bürosoftware leidlich bedienen zu können. Wenn es mal um IT Themen ging, schrieb man seine Wünsche in ein dickes Buch, genannt Fachkonzept und knallte es den komischen Leuten, die im Keller vor den Bildschirmen saßen, auf den Tisch. Die Fachabteilung bestimmte und die IT musste folgen. Dieser Zusammenhang dreht sich um. Geschäftsmodelle und -prozesse können nicht mehr rein fachlich und autonom entwickelt und dann technisch umgesetzt werden. Die Technologie bestimmt zunehmend, wie die Fachleute ihr Geschäft betreiben können.

Digital leadership verlangt mehr technologische Kompetenz in den Bereichen künstliche Intelligenz, Automation, Internet of Things, um nur einige zu nennen.

Reifegrade digitaler Führung

Die Beratungsorganisation Capgemini hat dafür ein kleines Modell entworfen, dass sie digital mastery nennt. Wie so oft, erscheint auch diese Idee in einer vier Felder Tafel, die die vier Reifegrade im Zuge der digitalen Transformation abbilden soll. Auf der X-Achse sind die Führungsfähigkeiten abgebildet, die im Wesentlichen dem entsprechen, was ich Ihnen eben vorgestellt habe. Auf der vertikalen Y- Achse sehen sie den Grad der Digitalisierungs- Fähigkeiten. Hierunter fassen die Autoren nicht nur die technologischen Fähigkeiten, die ich oben aufgezählt habe, sondern auch die Fähigkeit bessere Kundenzufriedenheit durch einen akzeptierten, schnellen und einfacheren Technologieeinsatz herzustellen. Ebenso gehören die wirksame Anpassung von Geschäftsmodellen und die Fähigkeit Kostenvorteile der Digitalisierung schnell zu nutzen zur Digitalisierungs-Fähigkeit auf die Y- Achse. Und zuletzt zählen die Autoren, und das freut mich besonders, auch die Fähigkeit den Mitarbeiterstamm parallel zur digitalen Technologieentwicklung ebenfalls weiterzuentwickeln, zu diesen Digitalisierungs-Fähigkeiten.

  • Die Anfänger kennen zwar das Thema digitale Transformation, aber trauen dem Braten nicht recht. An einzelnen Stellen der Organisation gibt es kleinere Experimente, aber diese werden kaum oder gar nicht verbunden. Eine Digitalisierungsstrategie sucht man vergebens.
  • Das ist bei den Konservativen ganz anders. Hier existiert eine Strategie und auch der belegbare Wille, sich auf eine digitale Transformation zu begeben. Allerdings fehlt es an reifen digitalen Produkten und Features und ebenso an einer wirksamen Verbindung von Geschäftsprozessen und digitalen Möglichkeiten.
  • Oben links finden wir die sogenannten Mode- und Trendbewussten (Fashionistas), d.h. die Personen, die zahlreiche ausgereifte und auch innovative digitale Features nutzen. Allerdings geschieht dies meist in begrenzten Räumen oder Silos und eben nicht über die ganze Firma hinweg. In Fashionistas Organisationen wird bei dem Gespräch über digitale Transformation immer über die gleiche Abteilung, denselben „fancy“ Hub und dieselben „Leuchttürme“ geredet, während andere Unternehmensteile sprichwörtlich im Digitalisierungsschatten liegen.
  • Kommen hohe Fertigkeiten in der Digitalisierung und in der Führung zusammen, sprechen die Kollegen von Capgemini von digitalen Meistern. Dort ist die digitale Transformation über die ganze Organisation etabliert, wirksam und zeigt sich positiv in der Gewinn- und Verlustrechnung.

Olaf Hinz

Lotse für Transformation/ Change in Organisationen & für Führungskräfte und Projektmanager

5 Monate

Gerade der Bereich technologische Kompetenz findet sich in den meisten curricula der Führungskräfte Entwicklung (noch) nicht, oder?

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen