Trump's Persönlichkeitsprofil - ist Eignungsdiagnostik für Präsidenten sinnvoll?
Ärzte, Anwälte und Soldaten in den USA müssen ihre mentale Kompetenz durch eine Potentialanalyse beweisen. Ähnliches wird in der US-Politik diskutiert, nachdem mehr als zwei Dutzend Psychiater, unter Führung von Ärztin Brandy X. Lee, immer lauter vor einem mentalen Verfall von Präsident Trump gewarnt hatten. Im Kongress kam die Frage auf, ob Eignungsdiagnostik auch bei zukünftigen Präsidenten angewendet werden sollte. Aber ist das wirklich eine gute Idee?
Eignungsdiagnostik für Donald Trump
Unabhängig von den Diskussionen in Fachkreisen hat Präsident Trump sich im Januar 2018 einem mentalen Fitnesstest unterzogen. Bei dem durchgeführten Montreal Cognitive Assessment handelt es sich um einen standardisierten Test zur Früherkennung von Alzheimer und anderen, leichten kognitiven Beeinträchtigungen. Der zehnminütige Test prüft das Kurzzeitgedächtnis, sowie das räumlich-visuelle Erfassen von Gegenständen. Dr. Ronny Jackson, Hausarzt des Präsidenten, erklärte in der anschließenden Pressekonferenz, sein Patient habe 30 von 30 Punkten erzielt. Hier wird der Test näher beschrieben.
Der vermeintliche Erfolg des Tests sollte jedoch nicht zu falschen Schlussfolgerungen verleiten. Elizabeth Suhay ist Professorin für Regierungswesen an der American University in Washington Suhay warnte davor, die Präsidentschaft davon abhängig zu machen, ob jemand einen psychischen Gesundheitstest absolviert. Damit könnte die Grundlagen der Demokratie untergraben werden, denn Menschen werden stets Wege finden, um Gegner an der Teilnahme zu hindern.
Eine Gefahr für die Demokratie durch eine manipulative politische Instrumentalisierung der Eignungsdiagnostik besteht, aber größer ist die Gefahr, die von einem inkompetenten Präsidenten ausgeht. Wissenschaftlich korrekt eingesetzt, überwiegt der Nutzen der Eignungsdiagnostik deutlich. Viele Länder haben die Vorteile erkannt. Das Testen von Menschen in höheren Positionen ist dort selbstverständlich.
Eignungsdiagnostik in Auswahlverfahren
Eignungsdiagnostik ist ein Sammelbegriff für Verfahren und Vorgehensweisen, die zum Testen der Eignung einer Person für eine gestellte Aufgabe eingesetzt werden. Diese Tests finden häufig in beruflichen Auswahlverfahren Anwendung. Hier gibt es einen Überblick über alle Verfahren.
Anwälte, Soldaten und Ärzte müssen sich schon vor dem Berufseinsteig einer Potentialevaluation unterziehen. Denn: Menschen in verantwortungsvollen Berufen beeinflussen Schicksale. Ihre Fähigkeiten und ihre Urteilskraft entscheiden über Freiheit oder Gefängnis, über Leben oder Tod.
Um Anwalt in einem US-Bundesstaat zu werden, müssen Kandidaten zunächst eine Charakter- und Fitnessprüfung überstehen. Danach gilt es, zahlreiche Fragebögen zu Charakter und medizinischem Hintergrund auszufüllen. Jayne Reardon, Vorsitzende des Ausschusses für Professionalität am Obersten Gerichtshof in Illinois, beschreibt, dass fünf unterschiedlichen Gremien die eingereichten Dokumente prüfen. Meldet auch nur ein Gremium Bedenken an, folgt eine intensive Anhörung, bei welcher der Antragsteller durch einen etablierten Anwalt vertreten wird.
Was beleuchtet eine Potentialanalyse?
Die umfassenden Aufnahmeprüfungen, denen sich Berufskandidaten in der Eignungsdiagnostik unterziehen, variieren in ihren Einzelheiten je nach Bundesstaat und Spezialgebiet. Die Tests sind aber immer universell und identisch für alle Kandidaten. Damit kann Objektivität im Prozess sichergestellt werden. Ausserdem können die Kandidaten besser miteinander verglichen werden, wenn alle das gleiche Verfahren durchlaufen. Das Auswahlverfahren fokussiert sich stets auf das Verhalten und die Arbeitsleistung, die Prüfer von einem Kandidaten erwarten.
Amerikanische Chirurgen müssen sich in dem Krankenhaus, an dem sie akkreditiert sind, alle zwei Jahre einer erneuten Prüfung unterziehen. Diese Eignungsdiagnostik dient als fachliche Kontrolle, sagt David Welsh, Chirurg und Mitglied im Aufsichtsrat des American College of Surgeons.
Funktioniert Eignungsdiagnostik auch bei Präsidenten?
Im ersten Amtsjahr von Präsident Trump haben zahlreiche etablierte und weniger etablierte Psychiater Ferndiagnosen über dessen Gesundheitszustand erstellt. Damit kam auch im Kongress die Forderung nach einem mentalen Fitnesstest für Präsident Trump auf. Ihren Höhepunkt erreichten die Rufe nach der Eignungsprüfung mit dem Erscheinen von Michael Wolff's Buch "Feuer und Zorn". Der Hamburger Psychiater Claas-Hinrich Lammers beschreibt in einem Interview in Spektrum.de die Schwierigkeit, einen narzisstische Persönlichkeitsstörung auf Krankheitsniveau zu sprechen. Lammers forscht über Persönlichkeitsstörungen, affektive Erkrankungen, Emotionsregulation und Psychotherapie und sagt in dem Interview, dass es eine kaum zu beantwortende Frage sei, wo Krankheit beginne.
Über die geistige Gesundheit eines einzelnen Staatsoberhauptes zu urteilen, soll hier jedoch nicht im Mittelpunkt stehen. Vielmehr geht es darum zu klären, inwieweit sich Eignungsdiagnostik und Potentialanalyse für den Einsatz in der Politik als solcher eignet.
Auf den ersten Blick gibt es viele Ähnlichkeiten zu den beschriebenen Szenarien. Doch fokussiert sich das Interesse der Eignungsdiagnostik in diesen Fällen stets auf das Verhalten und die Arbeitsleistung der Betroffenen. Eine etwaige Geisteskrankheit oder Persönlichkeitsstörung kommt nur zum Vorschein, wenn sie Einfluss auf andere Verhaltensmuster hat.
Außerdem werden die Tests in allen Berufsbereichen universell und für jeden eingesetzt. Niemand erhält einen Freifahrtschein und niemand muss als einziger eine Prüfung über sich ergehen lassen. "Es ist ein sehr empfindliches Gleichgewicht, weil (Menschen mit psychischen Problemen) auch Rechte haben", sagte Reardon über das Auswahlverfahren für Anwälte. "Aber ihre Rechte enden, wo Rechte der Kunden ungeschützt bleiben."
So sieht es in der Unternehmenswelt aus
In Unternehmen sieht dieses Gleichgewicht durchaus anders aus. Viele Firmen setzen Potentialanalyse und Auswahlverfahren ein, um geeignete Kandidaten zu prüfen. Das genaue Verfahren unterscheidet sich dabei von Unternehmen zu Unternehmen, sagt Jeffrey Sonnenfeld, Dekan für Führungspraxis an der Yale School of Management.
Es gibt keine universelle Aufnahmeprüfung für jeden, der eine Aufgabe im höheren Management oder einen Sitz im Aufsichtsrat anstrebt. Sonnenfeld spricht sich auch explizit gegen eine einheitliche Eignungsdiagnostik aus, die sich am Beispiel von Recht, Medizin und Militär anlehne.
Einige der eingesetzten Persönlichkeits- und Kompetenztests aus der Wirtschaft haben sich mit der Zeit wissenschaftlich als fehlerhaft und schlecht für die Unternehmen erwiesen. Er sieht zudem die Gefahr, dass universelle Tests unbeabsichtigt zu konformistischen Arbeitsplätzen führen könnten oder die Diskriminierung gegen Minderheiten und Menschen mit Behinderungen scheinbar wissenschaftlich untermauern.
Die Gefahr individueller Eignungsdiagnostik
Die Interpretation der Testergebnisse ist wichtig. Ebenso wichtig ist aber die Art, wie diese Ergebnisse zustande kamen. Suhay weist auf die Bedenken zu Metriken hin, mit denen die mentale Kompetenz von Menschen bemessen werden.
Ihre wissenschaftliche Arbeit untersucht die Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Politik. Sie sieht sie die Gefahr der Meinungsmanipulation, wenn in einem politisch stark polarisierten Klima ein Kompetenztest von einem Präsidenten verlangt wird. "Langsam wird für jeden ersichtlich, dass Menschen Fakten ebenso politisieren können, wie menschliche Werte.", sagte Suhay.