Typenhäuser im norwegischen Wohnungsbau
Provisorische Unterkunft aus einem Bootswrack in Gamvik, 1944 (Foto: Museene for kystkulutur og gjenreising i Finnmark, Hammerfest)

Typenhäuser im norwegischen Wohnungsbau

Wer in Nordnorwegen das abgelegene Dorf Gamvik besucht, dem erscheinen seine Gebäude traditionell und vertraut. Gleichzeitig erinnert vieles an die Moderne und die 1940er- und 1950er-Jahre. Der erste Eindruck täuscht nicht: Gamvik wurde 1944 von der deutschen Wehrmacht komplett zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte vor allem mit Typenhäusern, die sich gleichermassen auf die Moderne wie auf die Tradition beziehen.

 Nach dem Krieg wurden Typenhäuser in fast ganz Norwegen gebaut und prägen das Land bis heute. Etwa 70 Prozent der neu errichteten Wohngebäude in der Finnmark und in Nord-Troms waren Typenhäuser, nur etwa 30 Prozent wurden entsprechend den Wünschen der Bauherrschaften individuell geplant. Die hohe Prozentzahl hängt damit zusammen, dass die Entscheidung für ein genehmigtes Typenhaus eine Bedingung für günstige Bankdarlehen sowie die Unterstützung durch die Kriegsschadenversicherung war. Bei der Auswahl wurde die Bauherrschaft von den Bezirksarchitekt*innen beraten, die zu Grundstück und Bauherrschaft passende Typen vorschlugen und sie in einigen Fällen auch leicht anpassten. Zeitweilig war aber nur eine reduzierte Auswahl an Typen lieferbar, was die individuelle Auswahl zusätzlich begrenzte.

Es gab kleine Variationsmöglichkeiten: So konnten aus standardisierten Fenstertypen verschiedene Formate und Öffnungsarten gewählt werden oder auch unterschiedliche Fussböden. Zu Variationen trugen auch die Handwerker bei, die das Haus errichteten, indem sie zum Teil nicht nur Details veränderten.

Susanne Kohte erzählt in der aktuellen archithese zum Thema Norwegen wie der standardisierte Wohnungsbau insgesamt zu einem höheren Standard und zu einer Zunahme der durchschnittlichen Wohnungsgrösse führte und zeigt, dass die Debatte um die Typenhäuser, die das Land bis heute prägen, in Norwegen schon im 19., vor allem aber im 20. Jahrhundert wurzelt und erst im späten Zwanzigsten Jahrhundert ihr definitives Ende fand.


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