Ukraine 🇺🇦: Große Sorge um Flüchtende mit Behinderungen; “Selber Schuld!” – Blaming the Victim
👋 Hey,
Der Krieg in der Ukraine ist auch diese Woche das relevanteste Thema in den Nachrichten und Köpfen. Insbesondere möchte ich in meinem Newsletter die Situation von Ukrainer*innen mit Behinderung und ihren Familien in den Fokus rücken. Denn für sie ist die Situation besonders heikel. Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist eine Flucht oft nicht möglich und sie sind dem Kriegsgeschehen schutzlos ausgeliefert.
Und wenn es ihnen gelingt, zu fliehen, ist die Unterbringung und Versorgung in Deutschland häufig nicht einfach. Daher findest du in der Rubrik Ukraine Informationen zur Situation von geflüchteten Menschen mit Behinderung, Forderungen an die Regierung und Möglichkeiten, wie du helfen kannst.Ansonsten gibt es hier handgepflückte Links, Neues von "Die Neue Norm", den Sozialheld*innen und ein Social Media Post der Woche.
Dein
Raul
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Neues von Die Neue Norm
Kolumne
Im Begriff des Victim Blamings findet unsere Kolumnistin Lela Finkbeiner ein Phänomen, das sie im Bezug auf Menschen mit Behinderung oft erlebt hat, aber bisher nicht benennen konnte.
Ende September 2021 wurde die offizielle Bundes-Notruf-App eingeführt. Von Teilen der Gehörlosengemeinschaft wird “nora” jedoch noch skeptisch beäugt. Thomas Mitterhuber von der Deutschen Gehörlosenzeitung hat Erfahrungsberichte von drei gehörlosen Nutzern gesammelt, die unterschiedlich zufrieden waren.
Ukraine 🇺🇦
Aktuelle Situation / Forderungen:
Vor dem Hintergrund der Situation in der Ukraine und der zunehmenden Zahl an Flüchtenden, appellieren die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern, die besonderen Belange von Geflüchteten mit Behinderungen in den Blick zu nehmen.
Die Situation am Hauptbahnhof Berlin, wo täglich Tausende Menschen aus der Ukraine ankommen, gerate zunehmend außer Kontrolle, warnt die Hilfsorganisation
Moabit hilft. Obwohl es etliche private Angebote zur Unterbringung gebe und Internetplattformen für die Zuweisung der Suchenden und Bietenden sorgen sollten, funktioniere die Zusammenführung vor Ort völlig unkoordiniert.
Relativ wenig ist über die Lage von Menschen mit Behinderung in der Ukraine bekannt, da die Berichterstattung weitestgehend daran vorbeiläuft. Seit Freitag macht das Netzwerk Leichte Sprache in Form einer Petition auf die Situation für Menschen mit Behinderung in der Ukraine aufmerksam.
Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) bezieht Stellung zum Krieg in der Ukraine und fordert “die uneingeschränkte Aufnahme behinderter Geflüchteter aus der Ukraine und allen anderen Menschen mit Behinderungen, die auf der Flucht sind. Ihnen stehen barrierefreie Unterkünfte, Informationen, eine medizinische und therapeutische Versorgung sowie alle weiteren Maßnahmen, die vonnöten sind, uneingeschränkt und sofort zu! Behindertenrechte sind Menschenrechte!”
Wie kannst du helfen?
Es gibt bereits ein paar Initiativen, um Menschen mit Behinderung und ihren Familien zu helfen. Wenn du barrierefreien Wohnraum hast, Gebärdensprache sprichst oder sonstige hilfreiche Ressourcen anbieten kannst, melde dich bitte bei diesen Hilfsangeboten.
Wenn du bereits gespendet hast und mehr tun möchtest, oder nicht spenden kannst und dich fragst, wie du stattdessen aktiv werden kannst, schau dir diese sechs Alternativen zum Spenden an, die auch wirkungsvoll sein können.
Dieser spannende Artikel erörtert, welche Rolle Wortwahl bei der Berichterstattung über Menschen, die nach Deutschland fliehen, spielt. Wie sie in manchen Fällen empathisch und menschlich, in anderen Fällen angsteinflößend und entmenschlichend klingt und welche Rolle Rassismus dabei spielt. All das und mehr erfährst du hier.
Handgepflückte Links der Woche
Gesellschaft
Ich spreche es in diesem Newsletter oft an: Das deutsche Gesundheitssystem ist in Sachen Barrierefreiheit eine Katastrophe. Und das, obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention, die vor 13 Jahren (!!) von Deutschland ratifiziert wurde, gleichberechtigten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung festlegt. Wo noch immer Hürden liegen und was der Koalitionsvertrag verspricht, erklärt dieser Artikel.
Inspiration Exploitation, auch Inspirationsausbeutung genannt, ist ein Phänomen, das viele Menschen mit Behinderung nur zu gut kennen. Eine gelungene Definition und einige interessante Fakten über den Begriff, sowie Herkunft und Relevanz, liefert dieser Artikel inklusive Hörbeitrag.
Victoria Michel ist 27 Jahre alt und lebt mit 24-Stunden-Assistenz. Dieser Artikel erzählt davon, wie sie lernte, sich selbstbewusst für ihre eigenen Bedürfnisse einzusetzen und wie sie es schafft, ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch als sie im Rahmen der Corona-Krise in Quarantäne musste, veränderte sich dann doch wieder alles.
Vor einem Jahr hat sich die Medien-Produktionsfirma UFA verpflichtet, die On-Screen-Diversity bei den eigenen Produktionen zu messen und zu verbessern. Nach einem Jahr liegt der erste Report vor. Überraschung, wer hätte es gedacht: Menschen mit Behinderung kommen so gut wie gar nicht vor. Da bin ich ja mal gespannt, was sich die UFA einfallen lässt, um diese Bilanz zu verbessern.
Empfohlen von LinkedIn
Barrierefreiheit mit Marco ist ein relativ neuer Podcast, rund um das Thema digitale Barrierefreiheit. In den monatlich erscheinenden Folgen liefert Marco Tipps und Tricks im Umgang mit verschiedensten Tools und Apps, die für Menschen mit Behinderung relevant sind, sowie Screenreader, Braillezeilen o.ä. Hör mal rein.
Ab dem Jahr 2025 wird ein barrierefreies Design für Onlineshops gesetzlich verpflichtend. Es ist also höchste Zeit, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Katrin Kolossa, Chief Strategy Offficer von Sapera, beschreibt, was dabei beachtet werden muss. Und sie zeigt, dass sich damit gesellschaftliche und wirtschaftliche Ziele bestens miteinander verbinden lassen. Denn ein Onlineshop mit einer für alle verständlichen Nutzerführung wird am Ende ökonomisch erfolgreicher sein.
Die Peer-Beratungsstelle von BIZEPS könnte dir ein Begriff sein. Hier werden Menschen mit Behinderung selbst zu Berater*innen und stehen Ratsuchenden rund um das Thema Leben mit Behinderung mit Rat und Tat zur Seite. Jetzt ist die Initiative 30 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!
Immer mehr Moscheen bemühen sich um Barrierefreiheit, damit auch Menschen mit Behinderung am Moscheeleben teilhaben können. Die Architektin Kerime Türk sieht noch Luft nach oben und fordert, bestimmte Standards einzuführen.
Wieso heißt der berühmte Treppenlift eigentlich Lifta? Über die Begründung hinaus, gibt der Artikel Einblick in die Familie Seick, die diese legendäre Marke erfunden und groß gemacht hat.
Kultur / Medien
“Ich bin behindert - kein Synonym für Scheiße.” Geile Rap-Nummer mit Hammer Video, PLUS dem ein oder anderen bekannten Gesicht der Behindertenbewegung. Love it!
In dem von Samuel und Sarah Koch 2021 veröffentlichten Buch geht es um das Kuscheltier Pollo, das beim Spielen einen Arm verliert und daraufhin mit Selbstzweifeln zu kämpfen hat. Mithilfe der Plüschtier-Truppe “Kuscheltier-Kommando” schöpft er neue Hoffnung. Der Inklusionsaktivist Daniel Horneber, hat ein paar Anmerkungen und Kritikpunkte zu dem Buch, nachzulesen hier. Verrate mir gerne, was du selbst darüber denkst. Hast du das Buch schon? Gefällt dir die Geschichte?
Diversität: das Gebot der Stunde. Im Film, Theater und Tanz werden zunehmend Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Ethnie, Hautfarbe oder Geschlechtszugehörigkeit engagiert.
Aus aller Welt
Der englischsprachige Raum bietet zu jedem Aspekt des Lebens mit Behinderung etliche Beiträge. Hier eine kleine Auswahl meiner Highlights dieser Woche:
Auch im englischsprachigen Raum gibt es natürlich organisierte Hilfe für Ukrainer*innen mit Behinderung. Die kalifornische Non-profit-Organisation Joni & Friends International Disability Center hilft Menschen mit Behinderung bei der Flucht. Hier kannst du mehr über die Arbeit von Joni & Friends erfahren oder ihnen eine Spende da lassen.
In diesem Blogartikel schreibt die gehörlose Mutter Rebecca A Withey darüber, wie ihre Kinder (hörend und taub) in ihre Identität als taubes Kind oder hörendes Kind einer tauben Mutter hineinwachsen und wie wichtig positive Vorbilder und Peers mit ähnlichen Erfahrungen dabei sind.
Der stumme Komiker Lee Ridley erlangte große Popularität in Großbritannien, als er 2018 als “Lost Voice Guy“ (“Der Verlorene-Stimme-Typ”) Britain’s Got Talent (zu Deutsch: Das Supertalent) gewann. Mit einer automatischen Sprachausgabe konnte er auf Tastendruck ein fantastisches Programm abrufen. Hier ist sein erster Auftritt bei der Castingshow. Jetzt hat der Entertainer einen neuen Sprecher gefunden, der ihm seine Stimme leiht. Das war Ridley deshalb wichtig, weil er ursprünglich aus dem Nordosten Englands kommt, wo der Geordie-Dialekt gesprochen wird. Auf Tastendruck ertönt nun die Stimme von Synchronsprecher Dan Pye, der Ridley “ein wenig Identität zurückgebe”.
Menschen ohne Behinderung können sich oft nicht hineinversetzen, mit welchen Problemen Menschen mit Behinderung zu kämpfen haben. Die behinderte PoC (Person of Color) Sarah Kim erklärt hier eindrucksvoll, wie die Naturkatastrophe Hurricane Sandy sie beinahe ihre weiteren Bildungsmöglichkeiten, ihre ökonomische und mobile Unabhängigkeit und ihren Aufstieg in der Gesellschaft gekostet hätte. Darum ist Klimagerechtigkeit so wichtig. Weil sie die Schwachen besonders hart und langwährend trifft.
Social Media Post der Woche
Raul Krauthausen: "Als kleines Kind habe ich "gelernt", dass Dinge besser laufen, wenn ich fröhlich bin & mein nicht-behindertes Umfeld mich mag. Für andere emotionale Arbeit zu leisten, kann ich wahrscheinlich ganz gut. Auch wenn ich manchmal keine Kraft dafür habe. #internalisierterAbleismus."
Neues von den Sozialheld*innen
Unternehmen und Marken suchen immer wieder nach neuen Ideen, um potenzielle Kund*innen zu erreichen. Dabei rückt auch das Thema Inklusion als neues Aufmerksamkeitswerkzeug in den Fokus. Doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Meine Kollegin Judyta Smykowski hat für das Magazin absatzwirtschaft fünf Tipps für Unternehmen aufgeschrieben, die sie beachten sollten, wenn sie inklusiv sein wollen.
Außerdem
netz-barrierefrei.de
Das Team von netz-barrierefrei hat einen Überblick über Veranstaltungen zu digitaler Barrierefreiheit zusammengetragen. So findet man an einem Ort, was im Netz zu dem Thema angeboten wird. Einiges davon ist wohl auf Englisch, aber es finden sich auch ein paar spannende deutsche Angebote darunter.
kobinet-nachrichten.org
Audiodeskription wird immer häufiger an deutschen Theatern angeboten und so könnte es viele Interessenten für diese Möglichkeit geben, aus dem Wissen und den Erfahrungen anderer für die eigene Arbeit zu profitieren. Noch bis zum 4. April sind Anmeldungen zu diesem Fachtag unter diesem Link möglich.
Mit Liebe zum Detail - in der Text- und in der Kintsugi-Werkstatt/Admiring the small things - in my Kintsugi workshop
2 JahreSuper! Dankeschön!