Unbequeme Wahrheit: Nein, Unternehmen können ihre Marke nicht selbst erschaffen.

Unbequeme Wahrheit: Nein, Unternehmen können ihre Marke nicht selbst erschaffen.

Es ist unbestritten, dass die Marke das wertvollste Asset für ein Unternehmen ist. Viele Unternehmen streben danach, eine starke Marke zu sein. Agenturen versprechen, für Unternehmen starke Marken zu schaffen. Führungskräfte glauben, sie könnten selbst bestimmen, wie ihre Marke ist.

Die unbequeme Wahrheit: Das funktioniert nicht mehr so. Warum das so ist und was das bedeutet, wollen wir in diesem Artikel erläutern.


Es war einmal ... die Positionierung

Früher war alles einfach: Man entschied, wer man sein wollte, kommunizierte dies mit einem großen Budget und schon hatte man eine starke Marke. Auch wenn das überspitzt klingt, ein Unternehmen hatte die Kontrolle über seine Marke. Für Konsument:innen war jedes Wettbewerbsfeld überschaubar und sie konnten ihre Wahl gut treffen.

Dann kam das Internet. Und Online-Shops. Und Social Media. Empfehlungen, Bewertungen und Shitstorms folgten. Plötzlich herrschte Wettbewerb auf Steroiden: brutal, schnell und völlig unüberschaubar. Heute haben Menschen generell zu viele Optionen und zu wenig Zeit, um diese auszuwählen. Es gibt keine Chance mehr, sich mit dem Gesamtangebot auseinanderzusetzen und Markenbotschaften gegeneinander abzuwägen. Selbst große Budgets dringen nicht mehr durch. Niemand hört zu.


Es gibt zu viel Optionen und zu wenig Zeit.

Ein Beispiel: Im Jahr 2009 hatten Supermärkte durchschnittlich 9.643 Artikel im Sortiment. 2022 waren es 14.876 Artikel (Quelle: handelsdaten.de). Hinzu kommt das Sortiment von Amazon und anderen Online-Shops. Die Auswahl ist endlos. Außerdem bieten die meisten Angebote die gleichen Grundfunktionen, und Unterschiede werden erst in der Tiefe bemerkbar. Ein Kommunikations-Tsunami überflutet Konsumenten mit vermeintlichen Unterschieden, Vorteilen und Argumenten. Vergeblich.

Die Branding-Legende Marty Neumeier bringt es in seinem Bestseller „The Brand Flip“ auf den Punkt:

"Companies no longer lead the business. Customers lead the business.“ – aus The Brand Flip

Diese neue Realität hat das Modell der Markenbildung auf den Kopf gestellt: Unternehmen erschaffen keine Marken mehr, die Kunden anziehen. Unternehmen erschaffen Kunden, die dann wiederum die Marke erschaffen. Und weitertragen. Und anderen davon erzählen. Und Teil einer Gemeinschaft werden, die das ähnlich sieht. Die Reihenfolge und der Fokus haben sich verändert: Kund:innen zuerst!


Es zählt nicht mehr, was Unternehmen sagen. Es zählt, was Kunden sagen.

Heute sind Marken ein Ergebnis. Ein Resultat aus allem, was ein Unternehmen macht oder nicht macht. Welchen Wert hat es für mich? Was macht dieses Angebot aus mir? Das sind die Fragen, die anstelle von Funktionen getreten sind. Darin unterscheiden sich die Angebote. Vorbei sind die Zeiten, in denen Unternehmen ihre Marke selbst bestimmen konnten. Kunden würden es nicht hören und noch viel weniger glauben.

„Die Marke ist die Bedeutung, die eine Person einem Produkt, Unternehmen oder einer anderen Person beimisst.“ – Das ist unsere Definition von Marke. Und sie klingt von den meisten Experten ähnlich.


Ich kaufe, also bin ich.

Funktionen erfüllen einen Zweck, sie haben aber keine Bedeutung für uns. Sie werden schneller kopiert, als man „Alleinstellung“ sagen kann. Anstelle von Funktion tritt Wert. Was macht es aus mir? Ein Beispiel: Warum kaufen wir Apple’s iPhone? Oder Samsung’s Galaxy? Oder Google’s Pixel? Sicherlich nicht, weil wir mit einem von diesen Smartphones besser telefonieren können. Die Entscheidung dreht sich um andere Aspekte: Bin ich ein Design-Mensch? Oder Technik-Freak? Oder ein UX-Freund. Unter Hardcore-Fans entbrennt regelmäßig eine heftige Grundsatz-Diskussion, welches denn das Beste sei. Aber ja, telefonieren kann man auch damit.

Dieser Wert, der Kaufentscheidungen antreibt, bzw. ein ganzes System dieser Werte entsteht nicht zufällig – es wird bewusst gestaltet. Und von vorne bis hinten, von unten bis oben gelebt. Und vielleicht sehen das Kund:innen ähnlich und wollen Teil davon sein. Das ist der Einfluss, den Unternehmen heute auf die Markenbildung haben. Aber sie können ihre Marke nicht mehr selbst bestimmen.

Und das ist eine ganz andere Herausforderung als einfach nur ein hübsches Logo zu machen, wie das oft missverständlich gesehen wird.

Wenn wir uns im nächsten Artikel mit diesem Thema der Wert-Schöpfung befassen sollen, hinterlasse uns bitte einen entsprechenden Kommentar.

Many Klenk

Brand and Business Strategist | Founder of mut.agency | LEVEL C Fellow in Residence | Speaker | Brand Philospher

6 Monate

Ich habe das Gefühl, dass es beim Markenaufbau noch so einige unbequeme Wahrheiten gibt ... #moretocome

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