Verfahrensfinanzierung über Kommanditistenhaftung?

Verfahrensfinanzierung über Kommanditistenhaftung?

Richtungsweisende Entscheidung des LG Stuttgart zur Reichweite der Kommanditistenhaftung

Mit der Frage „Wie weit reicht die Haftung eines Kommanditisten?“ hatte sich der Bundesgerichtshof in den letzten Jahren in gleich mehreren Entscheidungen befasst. Klar ist seitdem, dass sich die Haftung grundsätzlich auf diejenigen Verbindlichkeiten erstreckt, die von der schuldnerischen Kommanditgesellschaft selbst begründet worden sind (unter anderem BGH, Urteil vom 28.1.2021 – IX ZR 54/20). Doch wie verhält es sich mit Verbindlichkeiten, die der Kommanditgesellschaft aufgezwungen wurden? Eine Antwort liefert eine richtungsweisende Entscheidung des LG Stuttgart (Az. 27 O 45/22) aus dem Juni 2022.

Haftungs-Neuland

In Rechtsprechung und Literatur war lange Zeit die Auffassung verbreitet, dass der Kommanditist nicht für Masseverbindlichkeiten einzustehen habe. Das änderte sich durch die jüngeren Entscheidungen des BGH, in denen die Karlsruher Richter klarstellten, dass der insolvenzrechtlichen Einordnung in Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen keine Relevanz für die Frage der Haftung des Kommanditisten zukomme. Das LG Stuttgart hat diese Sichtweise in seiner Entscheidung aufgegriffen und die Haftung des Kommanditisten denkbar weit ausgedehnt. Nach der Auffassung des LG Stuttgart hafte der Kommanditist durchaus auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens.

Ob und inwieweit sich die Auffassung des LG Stuttgart etablieren wird, ist durchaus als richtungsweisend anzusehen – gerade, da der BGH sich hierzu in seiner Rechtsprechung mangels gegebener Entscheidungsrelevanz nicht eingelassen hat. Fakt ist: Die Frage, ob der Kommanditist auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens einzustehen hat, ist nicht nur im Rahmen der Inanspruchnahme von Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter von Bedeutung. Sie kann im Einzelfall sogar entscheidend dafür sein, ob es überhaupt zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt – oder diese mangels Masse nicht erfolgen kann. Die Entscheidung des LG Stuttgart hat letztlich (indirekt) auch Auswirkungen auf die mögliche Insolvenzquote der Gläubiger.

Insolvenzverwalter gegen Kommanditisten

Im Fall vor dem LG Stuttgart klagte der Insolvenzverwalter gegen einen der Kommanditisten des schuldnerischen Schiffsfonds. Der Kommanditist hatte während seiner Zugehörigkeit zur schuldnerischen Kommanditgesellschaft nicht gewinngedeckte Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten, weshalb der Insolvenzverwalter ihn nach Maßgabe der §§ 171, 172 Abs. 4 HGB auf Haftung für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin in Anspruch nahm. Der Insolvenzverwalter hatte bereits ausreichend Mittel zur Befriedigung der festgestellten Insolvenzforderungen nach § 38 InsO vereinnahmt. Daher ging es vor dem LG Stuttgart unter anderem noch darum, ob der Kommanditist auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens hafte – also Gerichtskosten sowie die Vergütung des Insolvenzverwalters.

Befriedigung von Verfahrenskosten aus der Sondermasse

Das LG Stuttgart bejahte dies – und zwar mit folgenden Erwägungen: Da die Kosten des Insolvenzverfahrens vorweg aus der Aktivmasse zu befriedigen seien, stehe diese insoweit nicht zur Deckung von Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen zur Verfügung. Als Konsequenz würden die Kommanditisten mittelbar auch die Verfahrenskosten tragen. Vor diesem Hintergrund erscheine es überzeugender, so das LG Stuttgart weiter, dass die Kommanditisten durchaus auch unmittelbar für die Deckung der Verfahrenskosten herangezogen werden können. Denn anderenfalls dürfte die vom Insolvenzverwalter aus der Inanspruchnahme von Kommanditisten gebildete Sondermasse nicht für die Begleichung der Verfahrenskosten verwendet werden.

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