Verwertbarkeit privat erhobener Beweismittel im Strafverfahren (BGer 6B_1468/2019 vom 1. September 2020, Publ.)
A. verteilte während einer nicht bewilligten Kundgebung in Bern Flugblätter, was Aufnahmen einer (privaten) Überwachungskamera bestätigten. Die Kundgebung führte u.a. zu Sachbeschädigungen durch vermummte Sprayer, die die übrigen Kundgebungsteilnehmer wiederholt im Umzug versteckt hätten. Die Vorinstanz verurteilte A. zwar wegen Landfriedensbruch (Art. 260 StGB), sah indes von einer Bestrafung (Art. 52 StGB) ab.
Nicht strittig war vor Bundesgericht, dass die privaten Aufnahmen in Verletzung des DSG entstanden waren. Streitig war dagegen, ob diese im Strafverfahren verwertet werden durften. Das Bundesgericht erwog, dass die von Privaten rechtswidrig erlangten Beweismittel nur verwertbar seien, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden hätten rechtmässig erlangt werden können und kumulativ eine Interessenabwägung für deren Verwertung spreche. Dabei sei der gleiche Massstab anzuwenden, wie bei staatlich erhobenen Beweisen. Die Verwertung sei daher nur zulässig, wenn dies zur Aufklärung einer schweren Straftat unerlässlich sei (s. Art. 141 Abs. 2 StPO).
In der Folge beschäftigte sich das Bundesgericht mit den divergierenden Lehrmeinungen zur «schweren Straftat». Es gelangt mit Blick auf die Materialien und die Systematik zum Schluss, dass in diesem Fall nicht nur gewisse Tatbestände und deren abstrakte Strafandrohungen, sondern die gesamten Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen seien. Die abstrakte Qualifikation des Landfriedensbruchs als Vergehen (Art. 260 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 10 Abs. 3 StGB) sei daher nicht das ausschliessliche Kriterium zur Beurteilung, ob eine schwere Straftat nach Art. 141 Abs. 2 StPO vorliege. Landfriedensbruch als kollektive Gewalttätigkeit verletzte die bestehende, öffentliche Friedensordnung und das Vertrauen in deren Bestand und damit sehr gewichtige Rechtsgüter. Nicht massgebend für die Beurteilung, ob eine schwere Straftat vorliege, sei schliesslich der individuelle (und nicht gewalttätige) Tatbeitrag von A und das damit einhergehende Absehen von Strafe der Vorinstanz. Insgesamt sei die Auffassung der Vorinstanz daher nicht zu beanstanden, dass es vorliegend um eine schwere Straftat gehe und das Interesse an der Verwertbarkeit der Videoaufnahmen überwiege.