Vier Kriterien für den nächsten Immobilienzyklus

Vier Kriterien für den nächsten Immobilienzyklus

Von Jakob Mähren, Vorstand Mähren AG

Die wichtigsten deutschen Metropolregionen ziehen nach wie vor Investoren an, aber der Trend zeigt: Die Zeit großer Renditen ist vorüber. Nur noch mit viel Markterfahrung lassen sich Immobilien finden, die Wachstumspotenziale aufweisen wie die der vergangenen zehn Jahre. Wir befinden uns mitten in einem großen Zyklus, aber lang nicht mehr in der ersten Hälfte, sondern in dessen zweiter, wenn auch derzeit noch entspannter Auslaufphase. Dass wir weiterhin steigende Preise verzeichnen können, ist aus konservativer Investorensicht eher ein Zufall. Ob dieses Jahr oder nächstes Jahr – es steht fest, dass uns eine Phase von Seitwärtsbewegungen, Kurskorrekturen und Konsolidierungen bevorsteht.

Wer also im Jahr 2019 dennoch langfristige Investitionen prüft, der darf als Berechnungskriterien nicht mehr die vergangenen Jahre, die erzielten Renditen, die Gewinne von gestern zur Grundlage nehmen. Er muss vielmehr nach vorn schauen und fragen: In welchen Regionen, an welchen Standorten und in welchen Städten ist davon auszugehen, dass im nächsten Zyklus mit steigenden Preisen und positiven Entwicklung zu rechnen sein wird? Kurzum: Wer aktuell investiert, der darf nicht auf die Wachstumsstädte der vergangenen zehn Jahre schauen.

 

Anhand welcher Kriterien lässt sich erkennen, ob eine bestimmte Stadt oder Region in den zehn Jahren des nächsten Zyklus Potenziale entfalten wird, die dazu führen, dass auch die Immobilienpreise steigen?

 

Fast alle Investoren und Banken mit Immobilienschwerpunkt beschäftigen sich derzeit mit Berechnungsmethoden, die anhand verschiedener Kriterien die „Zukunftsfähigkeit“ von Standorten untersuchen sollen. Die Entwicklung der Einwohnerzahl, Standortfaktoren wie Hochschulen, Universitäten, zukunftsweisende Arbeitgeber – oder aber veraltete Industrien als negativer Indikator –, Infrastruktur, bestehende und potenzielle Lebensqualität – aus all diesen Faktoren entwickeln Investoren Kriterienkataloge, anhand derer sie zu erkennen glauben, ob sich eine Investitionen in eine derzeit möglicherweise noch nicht wachsende Region lohnen wird oder nicht.

Garantien für Wachstum kann, wie so oft, natürlich niemand geben. Letztlich ist die langfristige Immobilieninvestition immer eine Wette auf Zeit, die darauf vertraut, dass man nicht zu einem ungeschickten Zeitpunkt wieder verkaufen muss. Deswegen ist für viele Investoren nicht nur die absolute Preisentwicklung von Bedeutung, sondern auch die kontinuierliche Rendite. Wenn Jahr für Jahr stabile Erträge möglich sind, ist für viele institutionelle Investoren der zukünftig zu erzielende Verkaufserlös sogar eher zweitrangig.

Dennoch: Aus unserer Expertise gibt es einige fundamentale Eckdaten, die schon heute auf einen zukünftigen Erfolg eines Standorts Hinweise geben können. Dabei ist der wichtigste Faktor für uns die Bevölkerungsentwicklung. Es ist zweitrangig, wie groß eine Stadt ist, wichtiger ist, ob sie Wachstum verzeichnet oder nicht. Einem Investor ist nicht damit geholfen, wenn er in eine Großstadt investiert, die indes in zehn Jahren massiv an Einwohnern verlieren wird. Dort ist nicht mit einer steigenden Nachfrage nach Wohnungen zu rechnen.

 

Nicht die Größe des Standorts ist ausschlaggebend, sondern deren Bevölkerungsentwicklung.

 

Eine Stadt hingegen, die 80.000 Einwohner hat und von der man ausgehen kann, dass sie in den nächsten zehn Jahren die magische Grenze von 100.000 Einwohnern erreichen wird, bietet weitaus mehr Potenzial. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die wachsende Nachfrage nach Wohnraum in diesem Zeitraum nicht durch kommunale Neubauprogramme gedeckt werden kann. Und gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Kaufpreise im Bestand die zukünftige Entwicklung noch nicht eingepreist haben. Der zu erwartende Nachfrageüberhang wird sich also bei den Miet- und Kaufpreisen bemerkbar machen. Und plötzlich werden Standorte attraktiv, die man vorher nicht auf dem Schirm hatte: Mittelstädte, die auf dem Sprung sind zur Großstadt.

 

Niemand investiert in Standorte hinter den sieben Bergen.

 

Ebenso wichtig ist die wirtschaftliche Entwicklung der Städte. Für uns zählen dazu auch Infrastrukturpotenziale. Ein Standort „hinter den sieben Bergen“ birgt Risiken, unabhängig davon, ob andere Kriterien erfüllt sind oder nicht. Wie sieht der Mittelstand an einem Standort aus? Welche Industrien, Konzerne, vielversprechende Unternehmen − sogenannte Hidden Champions − gibt es? Wie krisenfest und wie zukunftsweisend sind die ansässigen Firmen? Ein Beispiel: Wer derzeit weiterhin ausschließlich auf die konventionelle Autoproduktion setzt, wird in den kommenden Jahrzehnten nicht bestehen können. Da kann man ohne Weiteres Analogien ziehen zur Schwerindustrie und dem Tagebau.

So gut die unterschiedlichen Berechnungskriterien auch sind, eines darf man nicht außer Acht lassen: Die deutschen Immobilienpreise sind im internationalen Vergleich insgesamt nach wie vor sehr erschwinglich. Das wissen Investoren, das spürt aber ebenso der Immobilienmarkt als solcher. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Wohnraum in Deutschland so viel niedriger eingepreist ist als in den Nachbarländern. Vor allem mit Blick auf die Wirtschaftsleistung Deutschlands wäre eigentlich anzunehmen, dass der Immobilienmarkt deutlich hochpreisiger ist. Streng genommen ist selbst im Jahr 2019 ausschließlich München als Immobilienstandort international wettbewerbsfähig.

Da die globalen Märkte sich immer weiter vernetzen und nicht davon auszugehen ist, dass Deutschland in eine wirtschaftliche Abschottungspolitik verfallen wird, ist zu erwarten, dass die Kauf- und Mietpreise für Wohnungen in Deutschland weiterhin steigen werden – und zwar grundsätzlich flächendeckend. Negative Entwicklungen auf dem deutschen Immobilienmarkt werden eher die Ausnahme darstellen und die Regel steigender Preise bestätigen.

 

Zahlreiche Investoren achten zu streng auf den Kaufpreisfaktor.

 

Ein weiterer Punkt, den manch ein Kriterienkatalog eines institutionellen Investors nicht berücksichtigen kann, ist der Kaufpreisfaktor. Wird ein Mietshaus mit einem Kaufpreisfaktor von 35 oder mehr angeboten, kommt es bei vielen institutionellen Investoren gar nicht erst zu einer Prüfung des Objekts. Aus internen Gründen schon dürfen manche Investoren Immobilien nur bis zu einem gewissen Kaufpreisfaktor erwerben. Dabei sind die tatsächlich auf den Quadratmeter gezahlte Miete und der absolute Quadratmeterpreis mindestens ebenso wichtige Indizien für potenzielle Renditeerwartungen. Was interessiert mich der Kaufpreisfaktor, wenn die Miete derart niedrig ist, dass mit wenigen Mitteln und nur leichten Mietanpassungen deutlich höhere jährliche Renditen zu erzielen sind.

Fazit: Immobilieninvestitionen in der zweiten Phase des Zyklus erfordern Marktkenntnis und langfristige Investitionsziele. Zunehmend bereiten sich Investoren daher auf die Zeit des nächsten Zyklus vor. Sie identifizieren Kriterien, die Hinweise auf zukünftige positive Preisentwicklungen geben. Bei allen Faktoren und Studien darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass manchmal der absolut geforderte Kaufpreis das beste Indiz für potenzielle Wertsteigerungen ist.

 

Kateryna Koval

Co-Founder at Viscub full cycle architectural 3D visualization studio

5 Jahre

Sehr schöner Artikel!

Ursus Schorling

Mechanical engineering | Hydrogen Fuel Cell

5 Jahre

Bevölkerungsentwicklung habe ich bis jetzt nicht so stark gewichtet. Ich ziehes nun in Betracht. Danke.

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