Volkstheater: Verzicht auf „Homohalal“-Premiere

Volkstheater: Verzicht auf „Homohalal“-Premiere

VON MICHAELA MOTTINGER

Flüchtlings-Diskurs zu stark „von Angst und Hass geprägt“

Die Leitung des Volkstheaters hat beschlossen, das ursprünglich als letzte Premiere dieser Spielzeit im Haupthaus geplante Stück „Homohalal“ von Ibrahim Amir zu diesem Zeitpunkt nicht zur Uraufführung zu bringen. Dies wurde heute mit einer Aussendung mitgeteilt. Zitat: „Seitdem die große Fluchtbewegung aus Syrien und dem Irak Mitteleuropa unübersehbar erreicht hat, haben sich die Vorzeichen für eine Inszenierung von ,Homohalal‘ verändert. Der öffentliche Diskurs über Geflüchtete ist zur Zeit stark von Angst und Hass geprägt. In dieser Situation ist eine Dystopie – so vielschichtig und komisch sie im Fall von ,Homohalal‘ sein mag – kein geeignetes Mittel zur Auseinandersetzung über die Zukunft schutzsuchender Menschen in Österreich.“

Amirs Stück entstand 2013 und entwickelte ausgehend vom Refugee Protest Camp im Wiener Sigmund-Freud-Park und in der Votivkirche einen Ausblick in die Zukunft: Im Jahr 2033 begegnet sich eine Gruppe ehemaliger österreichischer und migrantischer Aktivisten wieder und es wird Bilanz gezogen. War es den einst Geflüchteten möglich, in Österreich Fuß zu fassen? Hat jemals eine Annäherung zwischen den privilegierten Unterstützerinnen und den Geflüchteten stattgefunden? Ist man sich überhaupt auf Augenhöhe begegnet? „Amirs Antworten fielen kritisch aus und legten den Blick frei auf Tendenzen einer Gegenwart, die womöglich zu jener behaupteten Zukunft führen“, so das Volkstheater, das mit dem Autor weiterhin in künstlerischer Verbindung bleiben will.

Zum jetzigen Zeitpunkt setzt das Volkstheater ein anderes Stück an diese Stelle auf den Spielplan. Neil Simons „Brooklyn Memoiren“, das im Einwandererviertel Brooklyn Ende der dreißiger Jahre spielt, „verhält sich“, so das Haus, „auf andere Weise zum Thema Migration“. Regisseur ist wie geplant Sarantos Zervoulakos. Der Premierentermin ist unverändert der 22. April.

In Unkenntnis des Textes sei gesagt, dass es schade ist, dass das Volkstheater sich diese Chance zur erweiterten Diskussion entgehen lässt. Es scheint, als hätte auch das sonst von Anna Badora so mutig geleitete Haus beschlossen, sich in dieser Debatte, die mehr und mehr rechts überlassen wird, in die Verstummung zurückzuziehen. Es brauchte aber dringend Stimmen, die wie kürzlich der Philosoph Richard David Precht feststellen: 1. Wir müssen viele Flüchtlinge aufnehmen, weil wir gar nicht anders können. 2. Ich glaube, dass es dabei viele Schwierigkeiten geben wird. 3. Wir werden es trotzdem tun. Und es ist annehmen zu wollen, dass sowohl Künstler als auch Publikum des Volkstheaters Amirs Text als Denkanstoß in diese Richtung nutzen hätten können.

Ibrahim Amir ist Kurde und wurde 1984 in Aleppo in Syrien geboren. Er studierte Theater- und Medienwissenschaft an der Universität Aleppo. Die Fortsetzung seines Studiums wurde ihm nach drei Semestern aus politischen Gründen verboten. Er kam 2002 nach Wien, wo er das Studium der Medizin aufnahm und es 2012 erfolgreich abgeschlossen hat. 2009 erhielt er den Exil-Literaturpreis „schreiben zwischen den kulturen“ für die Kurzgeschichte „In jener Nacht schlief sie tief”. Im Rahmen der Wiener Wortstaetten verfasste er das Stück “Habe die Ehre“. Es wurde 2013 in der Inszenierung von Hans Escher uraufgeführt. Die Produktion wurde mit dem Nestroy-Preis in der Kategorie “Beste Off-Produktion” ausgezeichnet, das Stück seither an zahlreichen deutschsprachigen Theatern inszeniert.

Der ganze Beitrag:

http://www.mottingers-meinung.at/?p=17434

Wien, 8. 2. 2016

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