Vom KNAST zum CEO (Teil 2)
"Wir freuen uns für Sie, ABER..."
Spricht man in Behörden in Personalgesprächen von "Perspektive und Entwicklung", bekommt man von seinen Vorgesetzten grundsätzlich eine Abhandlung darüber, wie, wann und warum man das nächste Beförderungsamt errreichen kann - oder in den meisten Fällen, wieso man gerade eben nicht befördert werden kann.
Und um eine Sache vorweg klarzustellen:
Wir sprechen bei Beförderungen im Amt nicht über die unglaubliche Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär. Als Beamter im mittleren Dienst der Justiz hat man im Laufe seiner Dienstzeit im Normalfall zweimal-, wenn man Glück und wenig Rückgrat hat, dreimal- und wenn man mit den richtigen Leuten im gleichen Schützenverein an der Theke steht, vielleicht viermal die Chance auf eine Beförderung.
Meine Personalgespräche endeten somit meist in einer unangenehmen Stille, auf die unstrukturiertes Gefasel ohne Inhalt folgte. Die Vorgesetzten, mit denen ich zu tun hatte, wollten in diesen Gesprächen lediglich Ihre Herrschaft präsentieren. Es war also jedes Mal aufs Neue spannend mit anzusehen, wie hilflos sie wurden, wenn ich Ihnen ihr einziges Druckmittel nahm, indem ich klarstellte, dass Beförderungen mich nicht interessierten. "Perspektive" bedeutet für mich in erster Linie "persönliche Entwicklung". Es war für mich undenkbar, 40 Jahre die gleiche Routine absitzen zu müssen und gefangen zu sein in der 12/ 2 Dauerschleife (12 Tage arbeiten, zwei Tage frei) - ein Schichtmodell, das bereits nach kürzester Zeit seinen Tribut zollt.
Mir wurde also schnell klar, dass der Vollzug nicht die letzte Station meines Arbeitslebens sein sollte. Und so nahm ich meine Entwicklung selbst in die Hand. Ich besuchte viele Fortbildungen zu Themen wie Führungs- und Kommunikationsfähigkeit, Feedbackgespräche, Praxisanleitung für junge Kolleginnen und Kollegen, kam ins Team der sogenannten Erstsprecher bei Geiselnahmen und wurde Dozent und Referent in Aus- und Fortbildung für die Justizvollzugsschule.
Währenddessen schaute ich mich bei externen Behörden nach Stellen um, die für mich interessant sein könnten. Das sollte mir jedoch bald zum Verhängnis werden.
Ich war inzwischen verheiratet; die geplante Familie schien nicht mehr fern. Wäre da nicht diese Sache mit der Arbeit. Ich war frustriert, stieß wieder und wieder auf die Unbeweglichkeit verstaubter Behördenstrukturen und kam mittlerweile auch zu Hause nicht mehr zur Ruhe. Ich suchte ständig nach Lösungen und Auswegen, wurde jedoch immer wieder am gleichen Punkt gebremst. Die ersehnte Sicherheit stellte sich als andauernder Prozess der Rastlosigkeit heraus und wurde immer mehr zu den besagten Ketten, die mich gefangen hielten, wo ich war - eine denkbar ungünstige Grundlage für Zufriedenheit und innere Ruhe.
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Viermal hatte ich mich im Zeitraum von 2013 - 2019 auf Stellen in anderen Behörden beworben. Einige bargen hochintensive Einstellungsverfahren. Ich musste mich physisch und mental auf Höchstleistung bringen, ließ mein Leben sowie das Leben von Familie und Freunden vom Staat durchleuchten, um den notwendigen Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden. Eines dieser Verfahren zog sich insgesamt über zweieinhalb Jahre und stellte meine Frustrationstoleranz und Resilienz enorm auf die Probe. Doch es waren Stellen, die mir auf den Leib geschrieben waren. Ich brachte alles mit, was es brauchte und war mir sicher, dort etwas bewegen zu können. Also hielt ich durch. Die Behörden, bei denen ich mich beworben hatte, sahen das genauso und all diese Einstellungsverfahren absolvierte ich erfolgreich. Die jeweils aufnehmenden Behörden hatten jedes Mal die Absicht mich zu übernehmen.
Eigentlich könnte und sollte der Artikel hier enden. Leider fing die Geschichte meines Unglücks hier erst richtig an. Es reichte nicht, dass ich die Einstellungsverfahren bestanden hatte. Jetzt musste die JVA noch ihr Einverständnis zu meinem Wechsel geben. Ich legte der Leitung also die schriftliche Einstellungsabsicht der potentiellen neuen Behörden vor. Die Antwort war so unverständlich wie sie niederschmetternd war:
"Wir freuen uns für Sie, dass Sie das Einstellungsverfahren erfolgreich absolviert haben und es ist schön, dass die andere Behörde Sie aufnehmen würde, ABER leider können wir Sie nicht gehen lassen! Wir brauchen Sie hier."
Und es kommt noch besser:
Zu dieser Zeit war ich nicht mal "hier". Ich war weiterhin ausgeliehen an die Justizvollzugsschule und fehlte in der JVA an keiner Stelle. Es gab keinen rationalen Grund, meinem Wunsch nach einem Wechsel nicht zu entsprechen. Die Ablehnung konnte also lediglich eine Machtdemonstration sein. Ich denke ich muss nicht erklären, wie zutiefst frustriert, demotiviert und unzufrieden ich wurde. Vier bestandene Einstellungsverfahren und viermal scheiterte es am Unwillen meiner JVA, mich gehen zu lassen. Ich versuchte alles, um die Leitung umzustimmen, von "lieb Bitte sagen" über die Zuschaltung des Personalrats bis hin zur anwaltlichen Beratung. Es war aussichtlos. Das Gesetz gab der JVA die Möglichkeit, mich gegen meinen eigenen Willen festzuhalten. Ich konnte bloß dastehen und zusehen, wie die Leitung der JVA mir jede Chance nahm, mich persönlich zu entwickeln und mein Leben nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Ich war perspektivlos und verzweifelt.
Das bekam auch meine Frau zu spüren. Zu Hause war ich anwesend und doch nicht wirklich da. Ich kämpfte Kriege im Kopf gegen die JVA, am meisten jedoch gegen mich selbst. Es war ein Gefühl der Ohnmacht, das mich begleitete. Alles, was ich selbst tun konnte, hatte ich getan. Es waren jedoch die Gnade und das Wohlwollen der Leitung, auf die ich angewiesen war, um frei wählen zu dürfen. Erwähnte ich bereits, dass ich in keinem Schützenverein aktiv bin!?
Ich sagte ja... mein Job war sicher! Genauso wie der Zusammenbruch, der mir bald bevorstehen sollte...
Senior Manager Product Marketing Graphics bei EIZO
1 JahrUnd so funktioniert Brain Drain in ohnehin an der Dysfunktionalität kratzender Systeme. Eine Schande!
Verkaufsberater bei Volvo Trucks
1 JahrWie heißt es so schön: „was dich nicht umbringt, macht dich härter“ Ich bin mir sicher Du machst Dein Ding und kannst irgendwann nur noch über diese Schreibtischtäter lachen.
There it is!!