"Vom Verwalten zum Gestalten!"
Wie stellen sich junge Verwaltungsangestellte die Services & Arbeitsmethoden von Behörden in der Zukunft vor? Dieser Frage sind 100 TeilnehmerInnen - zukünftige Führungskräfte - des U30 Barcamp von Wegweiser im Jahr 2019 nachgegangen. Ich durfte das Format als Teilnehmer begleiten und war von der Energie und der Kreativität der Gruppe begeistert. Deshalb möchte ich in diesem Beitrag eine Übersicht zu den fünf Konzepten geben, welche die Öffentliche Verwaltung positiv verändern sollen. Die detaillierten Konzepte zum Download sowie die verantwortlichen Teams zur Kontaktaufnahme sind auf der Webseite des Veranstalters hinterlegt.
Laut einer aktuellen McKinsey Studie steuert die Öffentliche Verwaltung auf einen dramatischen Fachkräftemängel zu: „Bis 2030 wird dort mehr als jeder dritte Beschäftigte in Rente gehen. Da es den Behörden zugleich an Nachwuchs mangelt, klafft eine Personallücke von über 730.000 Beschäftigten.“
Die Konzepte des U30 Barcamps können bei dieser Herausforderung unterstützen. Auf der einen Seite gilt es verwaltungsinterne, kulturelle Strukturen zu transformieren und auf der anderen Seite die digitalen Services für Bürgerinnen und Bürger schnellstmöglich auf eine neue Stufe zu heben. Dies würde die Attraktivität der Öffentlichen Verwaltung als Arbeitgeber unmittelbar steigern und die jungen Angestellten kommen so vom "Verwalten zum Gestalten".
Das Team Kompetenzscout startet mit der Hypothese, „dass [Kommunalverwaltungen, Behörden und Ministerien] über eine große Menge an stillen, also ungenutzten Kompetenzen verfügen, die darauf warten, endlich ausgeschöpft zu werden. Außerdem gehen [sie] davon aus, dass immer wieder extern Kompetenzen für hohe Summen eingekauft werden müssen, weil nicht erkannt wird, dass diese an anderer Stelle in der Organisation unbekannt und ungenutzt vorliegen.“ Der Digitale Kompetenzscout nimmt zusätzlich zur Zuständigkeit die Kompetenz in den Fokus von Recruiting und Personalpolitik.
Die grundsätzliche Idee ist es das interne Matchmaking, durch eine transparente Kompetenz-Datenbank, deutlich zu verbessern. „Das Ziel dabei: die Kompetenzen endlich digital, transparent und damit durchsuch-, nutz- sowie steuerbar zu machen.“
Aus meiner Sicht ein spannender Ansatz, der zudem an bisher starren Karrierepfaden in der Verwaltung ruckelt. Um hier schnell zum Erfolg zu kommen ist eine HR-SaaS Lösung ein toller Startpunkt, die das aktuell technische Mögliche (inkl. KI-Elementen) abbildet.
„Unsichtbares Wissen sichtbar machen!“ Wie schaffen wir eine intelligente Organisation? Diesen Schlagwörtern widmet sich das Team Wissenspool. Der Bedarf nach einer Wissensplattform zeigt das Bedürfnis junger Verwaltungsangestellter zu lernen, Dinge zu verstehen und zu ergänzen.
So sei das Motto in der Behördenlandschaft "Wissen ist Macht". Technische und methodische Insellösungen schufen bisher lediglich Silowissen. Das Ziel einer Wissensplattform, auf der Wissen und Arbeitserfahrung verständlich organisierbar und einfach abrufbar gemacht wird, erscheint in diesem Zusammenhang offensichtlich.
Hinter diesem - auf den ersten Blick – simplen Zielbild steckt die Forderung nach einem kulturellen Wandel. Noch zu oft bestimmen Zugriffsrechte und Silodenken den Zugang auf das Wissen in einer Behörde. Führungskräfte müssen sich die Frage stellen, ob bessere, bürgerfreundliche Services mit Abgrenzung erschaffen werden können oder ob eine offene Wissenskultur in den Behörden geschaffen werden kann.
Die Anforderungen an eine Führungskraft haben sich in der Privatwirtschaft in den letzten Jahren weiterentwickelt. „Lange Zeit funktionierte Unternehmens- und Mitarbeiterführung relativ dogmatisch: Der Chef gab die Richtung vor und traf die wichtigsten Entscheidungen, die Belegschaft gehorchte. Wer kann aber ernsthaft in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung als einzelne Person noch alles im Blick behalten, um die richtigen Entscheidungen zu treffen?“
Das Bedürfnis nach „neuer Führung“ wurde auch im U30 Barcamp gefordert. Konkret wird das Team Führung auf Zeit. Denn in der Öffentlichen Verwaltung (wie auch in vielen Konzernen) gilt: „einmal Führungskraft, immer Führungskraft!" Dadurch würden Machtmissbrauch, Veränderungsträgheit und autokratische Führungsstile gefördert.
Der Gegenvorschlag ist die „befristete Führungskraft“ inklusive einer regelmäßigen Bewährungsprobe in Form des 360-Grad-Feedbacks. Dies stärke die Rolle einer Führungskraft in der Öffentlichen Verwaltung, da auch hier die wertebasierte Kultur gefördert würde.
Die vorgeschlagene Zeitachse des Teams auf der verlinkten Webseite zeigt: „Das wird ein langer Weg!“ Insbesondere in der hierarchisch geprägten Behördenwelt - einschließlich der geltenden tariflichen Rahmenbedingungen – gibt es hier viel Nachholbedarf. Dieser ist jedoch unbedingt nötig, da junge Verwaltungsangestellte und zukünftige Bewerber „neue Führung“ voraussetzen.
Eine Win-Win-Situation, das wäre der zeitlich befristete und wechselseitige Austausch zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und privater Unternehmen / Organisationen. Die Vorteile liegen auf der Hand: ein besseres Verständnis „für die andere Seite bekommen“, den Umgang mit einer anderen Arbeitskultur kennenlernen sowie neue Tools ausprobieren. Dadurch würden Vorurteile abgebaut (ÖV: träge, ineffizient & Wirtschaft: Profitmaximierung, lange Arbeitszeiten).
Ziel des Teams Heißer Stuhl - Rotationsprogramm ist es, dass die Mitarbeiter und damit die Entsendestellen selbst von einem gegenseitigen Wissenstransfer profitieren sowie neue Kenntnisse und Verständnisse anderer Arbeits- und Herangehensweisen gewinnen.“ Die bisherigen Rotationsprogramme der Verwaltung (u.a. Bundes- und Landesverwaltung) konnten nicht skaliert werden.
Das Rotationsprogramm ist aus meiner Sicht ein toller Hebel, um Highperformer aus Wirtschaft und Technologie für Public Service (für einen gewissen Zeitraum) zu begeistern. Insbesondere in einer Generation, die sich vermehrt dem WHY? widmet, muss die Öffentliche Verwaltung in Zukunft besser punkten und dabei auch die Selbstvermarktung überdenken. Ein tolles Beispiel wie das funktionieren kann sind die Youtube Formate der Bundeswehr.
Die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bis Ende 2022 alle ca. 575 Verwaltungsdienstleistungen online verfügbar zu machen, stellt für Bund, Länder und Kommunen eine große Herausforderung dar. Das obige Bild zeigt jedoch die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger nach dem Amt in der Hosentasche. Stellvertretend für diesen Themenkomplex hat das Team MoVe (Mobile Verwaltung) auf dem Zukunftskongress gepitched, Papierprotoypen und den MVP Ansatz vorgestellt. Die Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsangebote ist aktuell gering ausgeprägt und genau an diesem Punkt möchte MoVe ansetzen. MoVe befähigt die Öffentliche Verwaltung in Deutschland (digitale) bürgerzentrierte Services bereitzustellen.
So sollen in enger Abstimmung mit NutzerInnen - die wesentlichen OZG Leistungen angeboten werden. Was heißt das für die Behörden? Aufgrund von Skill- und Zeitmangel wird die ansprechende Umsetzung des OZG für viele Akteure der öffentlichen Verwaltung schwer. Der MoVe - Baukasten schafft hier Abhilfe. Im ersten Schritt (V1) gilt es, schon vorhandene Services von Bund, Ländern und Kommunen anzubieten (Beispiel: Informationsaufbereitung, Terminservice). In diesem Zusammenhang strebt MoVe eine enge Verknüpfung mit dem Verwaltungsportal www.beta.bund.de an.
Die Erfahrung zeigt, dass innerhalb des föderalen Systems starke Unterschiede in der Entwicklung digitaler Services bestehen. Um auf best practices aufzubauen, möchte MoVe einen “Marktplatz” für Services anbieten. Hier können Verwaltungen APIs für andere Kommunen oder Länder zu Verfügung stellen. Dabei wird streng nach dem "Open Source" Prinzip gehandelt.
Um komplexe Funktionen, wie KI-Assistenten zu entwickeln, empfiehlt das Team die Öffnung der Plattform (und des Marktplatzes) für Privatunternehmen. Als “Amazon” für Verwaltungsleistungen kann MoVe durch eine entsprechende Wettbewerbssituation wichtige Impulse für die digitale Verwaltung liefern.
Im Wesentlichen gilt es die Motivation von MoVe aufzunehmen und in die Behördenlandschaft zu transportieren:
- Digitale Services nutzerzentriert bauen, u.a. durch Feedback der Bürgerinnen und Bürger und der Verwaltungsangestellten (Paperprototyping, MVPs).
- Agile & crossfunktionale Teams aufbauen, um die Vorgaben des OZG voranzutreiben und die Behördenkultur voranzutreiben.
- Einsatz smarter Technologien, für ein besseres Nutzererlebnis und die Automatisierung von Prozessen.
- Einreißen von Silos! Unter Berücksichtigung des Föderalismus ist die Zusammenarbeit über alle Ebenen hinweg zur Umsetzung der OZG Vorgaben notwendig.
Ich bedanke mich bei den Organisatoren des U30 Barcamps 2019 im Rahmen des #zk2019 und freue mich auf die Reaktionen aus der Öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft.
Digitalisierung findet „zwischen den beiden Ohren“ statt und ist deshalb obligatorisch CEO Chefsache und CHRO als Transformation der Workforce !
Agiler Pontifex und EX-Enthusiast
5 Jahreein schöner Artikel lieber Patrick, vielen Dank dir! Wir beide kennen Kunden(teams), die noch recht weit entfernt sind von den Punkten, die hier aufgelistet sind. Was ich dabei spannend finde: Alteingesessene Mitarbeiter und Führungskräfte werden aus zwei Richtungen "in die Zange genommen": a) Die Demografie schlägt zu (wie du schön beschrieben hast), allein dadurch ergeben sich voraussichtlich starke Veränderungen, b) junge Mitarbeiter treten mit einem anderen "Mindset" am Markt und in den Unternehmen auf (mit neuen, teils ungewöhnlichen Ansprüchen, Ideen und Erwartungen). Ich als Veränderungsberater finde das ja generell spannend und frage mich, was ich dazu beitragen kann, damit sich Mitarbeiter in Organisationen auch weiterhin gut verstehen, im Dialog bleiben und eine gemeinsame Richtung finden.
with a Red Hat
5 JahreInteressanter Beitrag! Insbesondere Nummer 3 und 4 in Kombination miteinander könnten bewirken, dass sich eine hierarchisch, wenig wandelbare Struktur nachhaltig wandelt.