Von Künstlicher Intelligenz und Individualismus – Industrie und Leben im Wandel der Zeit
KI und Individualismus

Von Künstlicher Intelligenz und Individualismus – Industrie und Leben im Wandel der Zeit

Seit der Jahrtausendwende wurde unsere kleine heile Welt grundlegend und in rasantem Tempo umgekrempelt. In grossen Schritten eilen wir vom simplen Informationszeitalter zur Globalisierung - eine Entwicklung, die auch vor zwischenmenschlichen Beziehungen nicht Halt macht. Standen wir am Ende des vorigen Jahrtausends noch vor den Kinderschuhen des Internets, so ist heute ein Leben ohne Digitalisierung nicht mehr vorstellbar. Amtswege, Einkäufe und ja, auch unser soziales Leben wird immer mehr in den Bereich der Virtualität verschoben. Wer da nicht mithält, bleibt vermeintlich ausgegrenzt. Kaum ein Tag vergeht, an dem uns nicht alle erdenklichen Nachrichten zu den neuesten technischen Entwicklungen über die sozialen Netzwerke erreichen. Und wir sehen sie schon am Horizont, die Vorboten der Automatisierung. Die Bots, die klassische menschliche Intelligenzformen imitieren, ja sogar übertreffen sollen.

Anbieter und Hersteller sollen Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden vom technologischen Standpunkt her erfüllen. Die Zeit, in der Manager von ihrem Ledersessel aus nur Befehle erteilten, ist abgelaufen. In der demokratischen Welt wird nicht mehr einfach blind marschiert und gehorcht.

Eigenverantwortliches, aktives Handeln ist in den Vordergrund gerückt.

Die einst so effektive Form der Koordination wurde durch Teamwork, Kooperation, ersetzt. Kunden geben mit einer hohen Erwartungshaltung ständig zu verbessernde Qualitätsansprüche vor. Dabei werden individuelle und kundenspezifische Lösungen erwartet. Diesem Anspruch kann eine allein bestimmende Führungspersönlichkeit kaum gerecht werden. Dem gesammelten Potenzial an Individualität, Ideenreichtum, Energie und Kreativität muss nun Rechnung getragen werden.

Die Träume des modernen Menschen entwickeln immer grössere Ausmasse. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese in Politik, Wirtschaft, Vereinen oder Organisationen verwirklicht werden sollen. Immer schneller wird gearbeitet, immer mehr Freiraum und Anerkennung werden gefordert. Höher, schneller, weiter lautet die Devise. Dabei muss in erster Linie gelernt werden, mit seinen Mitmenschen anders als in der Vergangenheit umzugehen. Jeder einzelne strebt danach, auf seinem Gebiet eine Führungskraft zu sein. Mitarbeiter wollen motiviert werden, Vision sollen im eigenen Team gemeinsam erarbeitet werden. Jeder möchte den grossen Durchbruch schaffen und auf seinem Gebiet etwas leisten.

Unternehmen und Organisationen, die auf positives Engagement des Menschen setzen, können Qualitätsverbesserungen merklich realisieren und Kundenbedürfnisse rascher befriedigen. Hier wird Kunden zugehört und deren Bedürfnisse verstanden. Diese Entwicklung ist ebenso beim Mikrokosmos Familie bemerkbar. Jeder ist hier einmal Führungskraft, einmal Kunde, einmal Lieferant. Ganz egal, ob es sich um Tischdecken oder Rasenmähen handelt.

Andere hingegen, die sich in ihrem Erfolg suhlen und sich arrogant in trügerischer Selbstsicherheit wiegen, werden ein schweren Stand haben. Nur neue Ideen gewinnen an Einfluss und somit an Marktanteilen. Der Aktienmarkt zeichnet ein buntes Bild von fusionierten, übernommenen, entschuldeten oder umstrukturierten Unternehmen. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte steigt ins Unermessliche. Es kommen eigenartig anmutende Ideen aufs Parkett, wie etwa eine Robotersteuer, die die Löcher in Sozialversicherung und Bildungswesen stopfen soll.

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Bild: Brand von Uster

Am Beispiel des Fabriksturms in Uster lässt sich erstklassig aufzeigen, wie im 19. Jahrhundert die menschliche Muskelkraft durch den Einsatz von Motoren vervielfacht wurde. Hier stürmten Handweber die Spinnerei Korrodi und Pfister, da sie durch die neuartigen Webmaschinen ihre Existenz bedroht sahen. Heute sind wir soweit, dass Unternehmen wie Amazon, Facebook, Google und Microsoft den Stellenwert früherer Stahlwerke haben. Der Rohstoff und Produktionsfaktor wurde durch den Faktor Information ersetzt, Glasfaser ersetzt die Eisenbahnschiene. Und so bauen Multinationale Unternehmen und Telekommunikationsanbieter Datenautobahnen, sogenannte Information Highways. Die Digitalisierung ist im Vormarsch.

Quer durch den Lauf ihrer Geschichte sind einige Länder in Handelskriege verwickelt. Auch wenn die Protagonisten heute anders heissen, so sind diese Handelskriege aktueller denn je. Gegenseitig wird sich mit aggressiver Zollpolitik geschadet - mit meist verheerenden Auswirkungen. So stecken die USA in ihrem Schlagabtausch mit der neuen Wirtschafts-grösse China seit einiger Zeit fest. Grössere Erfolge haben sie dabei keine vorzuweisen. Wer allerdings die Folgen verspürt, ist unter anderem die europäische Wirtschaft. So bricht etwa deutschen Autobauern, die in den USA Fahrzeuge für den China-Export fertigen, der Hauptabsatzmarkt weg. Der Harvard-Politologe Graham Allison zieht einen passenden Vergleich: So wie Sparta den Aufstieg Athens fürchtete und so zu einem Krieg führte, so fürchten die USA den Aufstieg Chinas.

Allerdings sollte man sich immer vor Augen halten, dass die Entwicklung von Technologie und Industrie alleine nicht genügt, um bessere zwischenmenschliche Beziehungen zu schaffen. Der Faktor Mensch ist und wird immer ein Schlüsselfaktor bleiben. Die Gefahr liegt in der Tatsache, dass vermieden werden muss, sich der Technik zu beugen. Leider haben alle noch so leicht zugänglichen Kommunikationsmöglichkeiten nicht dazu geführt, dass Menschen Partner-orientierter kommunizieren und Konflikte leichter bereinigen.

Bei der Kommunikation sollte in erster Linie dem anderen zugehört werden, der andere verstanden werden und sich in den anderen eingefühlt werden. Es sollte niemals darum gehen, den anderen zu niederzuringen oder aber sich selbst mit Überzeugungsdiktaten durchzusetzen. Leider haben hier auch Smartphones und Co. keine Verbesserung gebracht. Alle schnellen fliessenden Kommunikationsmittel sind nutzlos, wenn die User dahinter ihre zwischenmenschlichen Kompetenzen nicht verbessern. An dieser Stelle wäre auch der Bildungsauftrag der Schulen zu rügen, die Selbst- und Sozialkompetenz und die Fähigkeit, mit sich selbst und anderen umzugehen, vermutlich in zu geringem Masse vermitteln.

Rein durch das einfache Auflisten von Speicherkapazitäten und Übertragungsleistungen können die Gewinner und Verlierer von Digitalisierung und AI ganz sicher nicht ermittelt werden. Heute kann sich auf jeden Fall jemand als Gewinner bezeichnen, der kooperativ, aufgeschlossen, kreativ, entscheidungsfreudig und kommunikativ ist. Solche Menschen leben uns Visionen und Werte vor und können dadurch Mitmenschen motivieren. Nur Menschen, die sich zu Leadern entwickeln motivieren andere, ebenfalls durch Leistung Anerkennung zu gewinnen. Das Zauberwort muss hier heissen Fordern statt verwöhnen.

Zum physischen und psychischen Wohlfühlen gelangt man einzig allein durch ehrliches Bemühen, die Mitmenschen zu verstehen und ein Miteinander zu leben. Die Zeit der Einzelkämpfer ist abgelaufen. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er die Chance auf Erfolg durch das Verbessern zwischenmenschlicher Beziehungen nutzen möchte, oder eben nicht. Wenn nun neueste Informationstechnologien dafür eingesetzt werden, haben sie ihren Zweck mehr als erfüllt und die Gesellschaft hat einen grossen Schritt in Richtung positiver Zukunft geschafft.

Es kann am Ende wie folgt eine Schlussfolgerung gezogen werden: Natürlich ist das Fortschreiten von Technologie und Industrie unabdingbar und äusserst nützlich - das Wichtigste aber ist und bleibt der Faktor Mensch. Durch die Globalisierung ist die Welt ein Stück zusammengerückt, die zwischenmenschlichen Probleme sind jedoch in Grossen und Ganzen dieselben geblieben. Nur bei Verbesserung des Miteinander kann Technik auch positiv genutzt werden. Und AI kann in keinem Fall die Kommunikation von Mensch zu Mensch ersetzen.

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