Von Trump bis Ampel-Aus: DIW-Präsident ordnet Folgen für Deutschland ein; Streit um Schuldenbremse; und mehr
Liebe Leser:innen,
Der November startete mit ordentlich Tempo: Erst sichert sich Donald Trump die Rückkehr ins Weiße Haus und am selben Abend platzt die Ampel. Für Deutschland und seine Wirtschaft herrscht nun erst einmal Ungewissheit. Wie geht es weiter? Und was wird aus all den Gesetzesvorhaben, die nun in der Luft hängen? Darüber sprechen wir im Interview mit DIW-Präsident Marcel Fratzscher .
Die Koalition ist an der Forderung, die Schuldenbremse auszusetzen, geplatzt. Dabei gibt es mittlerweile viele Stimmen – auch von Ökonom:innen und von Unternehmer:innen – die gegen ein striktes Bestehen auf die Schuldenbremse sind. Wir fassen die häufigsten Argumente zusammen.
Viel Spaß beim Lesen!
Ihre Nele Behrens
"Das Resultat wird dramatisch für kommende Generationen und wirtschaftlichen Wohlstand sein"
Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin – eines der wichtigsten Wirtschaftsinstitute in Deutschland. Mit ihm sprechen wir über die Neuwahl Trumps, das Aus der Ampel und wie beides das Land und die Wirtschaft in den kommenden Monaten prägen werden.
LinkedIn News DACH: Trump kehrt 2025 ins Weiße Haus zurück und auch in Deutschland stehen Neuwahlen an: Was sind jetzt die größten Gefahren für die bereits strauchelnde Wirtschaft?
Marcel Fratzscher: Die Präsidentschaft Donald Trumps stellt Deutschland vor drei große wirtschaftliche Herausforderungen. Der Handelskonflikt wird Deutschland besonders viel Schaden zufügen, da kaum eine Volkswirtschaft so abhängig von ihren Exporten ist. Vor allem die deutsche Industrie dürfte in ohnehin schon schwierigen Zeiten stark darunter leiden, wodurch sich die Deindustrialisierung beschleunigen könnte. Daraus resultierende Arbeitsplatzverluste dürften mit einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit einhergehen. Zudem werden vor allem auch die Konsumenten und Konsumentinnen leiden, denn ein Handelskonflikt bedeutet höhere Preise und einen geringeren Lebensstandard. Dies trifft insbesondere Menschen mit geringem Einkommen.
Die zweite Herausforderung entsteht durch die Notwendigkeit für Deutschland, in Zukunft deutlich mehr Verantwortung für Sicherheit, Verteidigung und die Unterstützung der Ukraine aufbringen zu müssen. Das dogmatische Festhalten an der Schuldenbremse zeigt, dass Deutschland dies noch nicht realisiert hat.
Als drittes sind die ökologische Transformation sowie der Schutz von Klima, Umwelt und Biodiversität zu nennen, die akut durch Donald Trump gefährdet sind. Ein Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen durch die USA könnte einen Dominoeffekt auslösen. Das Resultat wird unweigerlich dramatisch für die kommenden Generationen und künftigen wirtschaftlichen Wohlstand sein.
LinkedIn News DACH: Die Koalition ist geplatzt und der Haushalt für 2025 noch nicht beschlossen. Droht in Deutschland nun der „Shutdown“ – das Angstszenario, vor dem die USA zuletzt häufiger standen? Welche Auswirkungen hätte das?
Deutschland droht durch die vorläufige Haushaltsführung für 2025 kein Shutdown wie in den USA. Jedoch könnte es zu Problemen bei der Umsetzung wichtiger Hilfen für Unternehmen und Bürger kommen. Dies erhöht die Unsicherheit und wird die politische und wirtschaftliche Lähmung weiter verschärfen.
Zuschüsse für die Rentenversicherung, steigende Kosten im Gesundheitssektor und nun auch drohende Strafzölle: Die neue Regierung muss viele Probleme bewältigen – wie soll das mit der Schuldenbremse möglich sein?
Die Schuldenbremse ist zu einem akuten Problem für Deutschland geworden. Auch viele CDU-geführte Bundesländer realisieren dies und fordern Reformen. Deutschland muss sich ehrlich machen und Prioritäten setzen: Die Einhaltung der Schuldenbremse und Steuersenkungen sind mit der Notwendigkeit für höhere Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz, Verteidigung und Bildung nicht vereinbar.
Eine Reform der Schuldenbremse wird Jahre brauchen. Aber durch die Notsituation in der Ukraine hat die Politik innerhalb der existierenden Gesetze alle Möglichkeiten, die Schuldenbremse auszusetzen und die notwendigen Gelder zu akquirieren. Wir brauchen mehr Pragmatismus und Ehrlichkeit, weniger politischen Egoismus und Ideologie.
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Herr Fratzscher, vielen Dank für das Gespräch
Für mehr Informationen und Analysen zur deutschen Wirtschaft folgen Marcel Fratzscher und Michael Hüther
Streit um die Schuldenbremse
Wie viele neue Schulden darf Deutschland machen? Diese Frage bewegt seit Jahren das Land und insbesondere die Regierung. Nun ist die Ampel-Regierung vergangene Woche an der Forderung, die Schuldenbremse auszusetzen, geplatzt. Und die Diskussion, ob Deutschland aggressiver Schulden machen sollte, bestimmt wieder die Diskussion – und womöglich auch den anstehenden Wahlkampf. “Der nächste Kanzler muss die Schuldenbremse lockern. Die Vorschläge kommen nicht etwa von linken Ökonomen oder Außenseitern. Sie kommen von der Deutsche Bundesbank, dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder Bank-Volkswirten wie Holger Schmieding von der Berenberg”, schreibt Journalist Romanus Otte auf LinkedIn.
Der Investitionsbedarf ist enorm in Deutschland. Besonders seitdem deutlich wurde, dass mit Trump die Unterstützung aus den USA geringer ausfallen dürfte, sagt Prof. Dr. Heiko Höfler , Partner bei PWC. “Unser Grundgesetz setzt dem finanziellen Spielraum für Rüstungsprojekte Grenzen - die sog. Schuldenbremse. Konkret liegt der Schlüssel zur Lösung des Problems deshalb in langfristigen Kooperationen zwischen privatwirtschaftlichen Anbietern und der Bundeswehr. Dort, wo eine private Vorfinanzierung und langfristige Risikoallokation auf (z.B.) der Industrieseite sinnvoll sind, steht der Weg für derartige Kooperationen offen”, schreibt er in einem Beitrag auf LinkedIn.
Daniel D. Eckert sieht durchaus die Möglichkeit, die Schuldenbremse aufzuweichen, ohne sie direkt aufzugeben. “Ein wichtiger Grund für den Rückstand: der Investionsstau in Deutschland. Um den zu überwinden, müssen wir neue Wege in der Wirtschaftspolitik beschreiten. Eine Schuldenbremse, die Investitionsausgaben z.B. in Infrastruktur, Bildung und die Bundeswehr ausnimmt, wäre meiner Meinung ebenfalls eine Überlegung wert”, schreibt er.
IW-Chef Michael Hüther fordert von Deutschland, nun eine Vorreiterrolle in Europa zu übernehmen. “Deutschland muss mehr für die Ukraine und die eigene Verteidigungsfähigkeit tun.” Hier könnte die Regierung wieder mit einem Sondervermögen arbeiten – die Begründung einer Notlage sei angesichts der neuen geopolitschen Lage gegeben. “Dafür muss das Bundeswehr-Sondervermögen noch in dieser Legislaturperiode deutlich – etwa auf 300 Milliarden Euro – aufgestockt werden, schon weil zu befürchten ist, dass im nächsten Deutschen Bundestag eine Sperrminorität populistischer Parteien bestehen könnte. Dann wäre Deutschland sicherheitspolitisch handlungsunfähig”, sagt der IW-Chef in einem Beitrag auf LinkedIn.
Eine Sperrminorität entsteht, wenn Parteien mehr als ein Drittel der Sitze auf sich vereinen können. Bei den Umfragen am 9. November lagen AfD und BSW gemeinsam bei 184 von 630 Sitzen. Damit fehlen ihnen nur 30 Sitze, bis zur Sperrminorität. Damit können sie Gesetze, die eine qualifizierte Mehrheit brauchen, blockieren.
Was denken Sie? Braucht Deutschland die Schuldenbremse? Teilen Sie Ihre Einschätzung und diskutieren Sie mit.
Lesen Sie hier weitere Einschätzungen von Claudia Kemfert , Stephan Lorz , Dr. Stefanie Groll Ralf Schottke und Julia Neeb, LL.M. .
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Aus digitalen Fragezeichen erfolgreiche Ausrufezeichen transformieren. #StrategieMitHumor - Strategieberater, Coach, Trainer
3 WochenInteressant, dass der Keynesianismus immer noch vorherrschend ist. Dabei i wurde er schon lange wiederlegt und ist mittlerweile völlig überholt. Ist noch viel Aufklärung nötig. Ich frage mich immer: Erst brockt uns der Staatsapparat seit Jahrzehnten die Misere ein und nun sollen sie die Wirtschaft wieder ankurbeln? Ergab für mich noch nie Sinn und konnte mir bisher keiner logisch, nachvollziehbar und realitätsnah erläutern, vor allem wie das nachhaltig sein soll. Kann nur schief gehen, wie oft denn noch?
Selbstbewusst, erfolgreich UND glücklich im Job und in der Führung | Coaching | Mentoring | Training | Dipl. Wirtschaftsing. & zertifizierter Business- & Karriere-Coach
3 WochenSpannendes Thema! Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten stellt sich die Frage, ob die Schuldenbremse flexibel gehandhabt werden sollte. Es ist vollkommen richtig frühere Entscheidungen auch mal zu Hinterfragen. Ich bin auch der Meinung, dass wir in unsere Zukunft investieren müssen – sonst riskieren wir, vom Rest der Welt abgehängt zu werden.
Argumente, Stichwort Schuldenbremse, mögen sie noch so gut sein, sind das Eine! Tatsachen, wie Gesetze (gesetzlich verankerte Schuldenbremse) wurden ja mit einem zeitgemäßen Wissenstand erlassen. Und was die Zukunft, und die kommenden Generationen angeht: Stichwort Trump Wahl und Atommüllendlager. Trump ist schon altersbedingt, mit knapp 80 Jahren, ein maximal 4-jähriges "Zwischenspiel". Das echte, und zwar weltweite Generationenthema sind Atommüllendläger.
Allround-Mitarbeiter bei OBJECT CARPET GmbH Logistik-Leiter, Fachlagerist in vollumfänglichen ausführen beider Berufsbezeichnung
3 WochenWenn der Krieg in der Ukraine zuende ist, bestehen die meisten Möglichkeiten nicht mehr Schulden zu machen. Und um das Land auf voran zu bringen braucht es politische Änderungen es darf nur 1 Partei regieren und alle 2 Jahre Neuwahlen die anderen Parteien erhalten einen passiven Regel Satz, Schluß mit dem nur die gering verdienen leiden! Ehrlichkeit, Recht und Freiheit war mal im Grundgesetz verankert und da müssen wir wieder hin, es darf nicht sein dass Personen sich drüber hinweg setzen können, schon recht nicht ein Kanzler!
Biomedizinischer Analytiker und Qualitätsmanager | Experte in Histologie & Molekulare Medizin | MSc in Biomedical Sciences
3 WochenEine Schuldenbremse ist an sich korrekt und nachhaltig gedacht. Allerdings sollte Sie auch in Zeiten des Wiederaufschwungs und notwendiger Investitionen für die Zukunft der Gesellschaft wohlwollend als Werkzeug eingesetzt werden.