Warum der?

Warum der?

Im Laufe der Lebensjahre hat man sich so seine Fertigkeiten angeeignet, das eine oder andere erreicht, manches aber natürlich auch nicht. Kurz, man entwickelt zunehmend ein klares und halbwegs realistisches Bild über die eigene Leistungsfähigkeit. Was aber manchmal dann doch wieder in Frage gestellt wird, wenn man andere Menschen sieht, die bei einem Thema vorgezogen werden.

Der Klassiker ist die Frage der hintergangenen Partner („Was hat er / sie, was ich nicht habe?“), aber auch im Beruf erlebt man die Beförderung von vermeintlich inkompetenteren Mitbewerbern. Da werden Ergebnisse gefeiert, die man doch selbst viel besser hinbekommen hat oder potentiell besser hinbekommen würde. Warum sehen das die Anderen denn nicht?

Nun, die einfache Erklärung besteht darin, dass die Welt ungerecht ist. Das ist ein schöner Trost für alle, die der Sache nicht weiter auf den Grund gehen wollen oder können. Und sicher ist da auch ein Quantum Wahrheit drin, denn wer könnte behaupten, dass alles mit rechten Dingen zugeht. 

Vielmehr stecken hinter vielen Entscheidungen Aspekte, die wir nicht kennen, die wir nicht beeinflussen können oder die von Scheinargumenten verdeckt sind. Entscheidungsträger denken mehr oder weniger bewusst zuerst mal an sich selbst. Das ist das Pendant zum Überlebenstrieb und ganz tief in uns verwurzelt. Danach kommen dann Punkte wie Vorteile für das persönliche Umfeld, das Unternehmen, die Menschheit.

Und der einzelne Mensch mit seinem Antritt? Naja, er kommt dabei viel weniger zum Tragen als rein sachlich gesehen sinnvoll oder zu erwarten wäre. Der Verleger wird den eher mittelmäßigen Roman seines Bestseller-Autors dem brillanten Werk eines Neulings vorziehen. Nicht aus Qualitätsgründen und auch nicht aus persönlicher Abneigung, sondern aus Angst vor dem Einbruch seiner Provision, den Nachteilen für den Verlag und dem Shitstorm der Leser.

Es kann aber auch ein ungeeignet gewählter Markplatz sein. Wer in der Schalterhalle sitzt und Kunden abfertigt, wird in der Innovationsabteilung nicht ernst genommen. Da muss schon eine etwas unkonventionelle Erscheinung und der Nachweis eines kreativen Umfeldes vorgewiesen werden. Ansonsten landet jeder noch so gute Vorschlag in der Schublade der zweitplatzierten Themen.

Viele erfolgreiche Menschen berichten von ihrem Erfolgsrezept. Ganz oft wird dann erst mal das Thema Glück erwähnt. Wie bei der Ungerechtigkeit der Welt ist auch da was dran. Der gefeierte Sänger ist im Urlaub auf Mallorca von einem zufällig anwesenden Agenten beim Karaoke-Wettbewerb entdeckt worden, zusammen mit einem Dutzend sangeslustiger Urlauber auf der Bühne hat er einfach Glück gehabt.

Moment mal, schauen wir uns das doch mal genauer an. Zuallererst muss er ja ganz passabel gesungen haben, sonst wäre er unbemerkt von der Bühne abgegangen. Dann muss er sich überhaupt auf die Bühne gestellt, also präsentiert haben. Wer nur heimlich unter der Dusche singt wird sicher nie entdeckt. Dann war es vermutlich nicht der erste Auftritt, möglicherweise nimmt er jeden Karaoke-Abend mit und durch diese Übung signalisiert er eine gewisse Routine, erhöht aber zugleich auch die Wahrscheinlichkeit, Aufmerksamkeit zu erreichen und sich eine kleine Fangemeinde aufzubauen. Und die Auswahl eines publikumsgängigen Ohrwurms ist natürlich auch hilfreich.

Machen wir uns nichts vor: Den Agenten interessiert weniger die Stimme, als vielmehr das Potential, das in ihrer Vermarktung stecken könnte. Ein sympathischer junger Mann mit kreischendem weiblichem Fanclub ist für ihn ein Köder, den er einfach einkaufen muss. Zwar ist er eigentlich selbst in Urlaub, aber so eine Gelegenheit lässt er sich nicht entgehen, zumal nach aktueller Strategie der Agentur gerade in dieser Richtung noch Entwicklungsbedarf ist.

Und da sind sie: Die Zutaten, die den Weg nach oben ebnen (können) – nicht hinreichend, aber notwendig. Zufall, Qualität, Timing, Steigbügelhalter, Sichtbarkeit und Hartnäckigkeit. Für die praktische Umsetzung muss man sich also „nur“ Gedanken machen, was man davon selbst beeinflussen kann und dann energisch daran arbeiten. Das ist ganz bestimmt kein Erfolgsgarant, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, von den Entscheidungsträgern ausgewählt zu werden.

[Weitere Blogs: Interdisziplinäre GedankenFeingeistiges]

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