Warum der Textilcluster Vorarlberg im Herzen Europas überleben kann
Trotz des Strukturwandels in den letzten Jahrzehnten gilt der Textilcluster Vorarlberg heute als „textiles Silicon Valley“. Von den 360 Industrieunternehmungen Vorarlbergs gehören über 200 zur Textilbranche, die praktisch alle Sparten der Verarbeitung aufweisen. Wir zeigen Ihnen, wie es die Textilwirtschaft Vorarlbergs geschafft hat, sich ungeachtet des massiven Schrumpfungsprozesses der vergangenen 40 Jahre eine führende Position in Europa zu erarbeiten.
Geschlossene Wertschöpfungskette
Ein zentraler Erfolgsfaktor des Textilcluster Vorarlberg ist darin zu finden, dass mit 55 Betrieben der Textil- und Bekleidungsindustrie und 140 Stickerei-Unternehmen innerhalb von nur 30 Kilometer Radius sämtliche textilen Produktionstechniken vorhanden sind. Von der Spinnerei bis zum fertigen Textilprodukt verfügt die Region auf engstem Raum über eine geschlossene Wertschöpfungskette und damit über sämtliche Kompetenzen für die Konzeption und die Herstellung innovativer textiler Produkte. Diese Rahmenbedingungen bringen einen entscheidenden Vorteil für die Durchführung von konsortialen Innovationsprojekten und die Überführung von Erfindungen in den ökonomischen Wertschöpfungsprozess.
Spezialisierung auf Nischenmärkte
Große Textilfabriken findet man heute in Vorarlberg nicht mehr. An ihre Stelle sind hochinnovative Unternehmen getreten, die sich vor allem in High-Tech-Nischen positioniert haben und damit auf internationalen Märkten äußerst erfolgreich sind. Sie beschränken sich auch längst nicht mehr auf Bekleidungsprodukte, sondern sind führend in der Entwicklung und Herstellung von Smart Textiles und speziellen Textilstoffen für verschiedenste Anwendungen bis hin zum Auto- oder Flugzeugbau.
Enge Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft
Eine weitere wesentliche Erfolgsbasis des Textilcluster Vorarlberg ist die enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Textilchemie und Textilphysik der Universität Innsbruck mit Sitz in Dornbirn. Seit 1982 unterstützt das Institut Textilunternehmen bei der Erforschung und Umsetzung von innovativen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen – beginnend von der Faser bis zum fertigen Produkt. Als Ergebnis dieser intensiven Zusammenarbeit konnten in den letzten zwei Jahren bereits über 3,6 Millionen Euro an substantiellen Förderungen für Forschung und Entwicklung erschlossen werden.
„Unser Institut mit 20 Forscherinnen und Forschern beschäftigt sich mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen in der Grundlagenforschung genauso wie mit angewandter Forschung und Technologieentwicklung. Der Fokus gilt der Unterstützung von Unternehmen bei Technologie- und Innovationsprojekten“, erklärt der Leiter des Dornbirner Instituts, Prof. Thomas Bechtold.
Die Projekte und Untersuchungen reichen von der Bearbeitung von Wolle für Funktionswäsche über die Integration von Elektronik für Sensortextilien bis hin zur Herstellung von Carbonfaser-Strukturen, die in der Bauindustrie zur Bewehrung von Beton (Textilbeton) eingearbeitet werden.
Zusätzliche Infrastruktur für Forschung auf Top-Niveau
Schon heute werden rund 50 Prozent der textilen Wertschöpfung mit technischen Textilien im Textilcluster Vorarlberg erwirtschaftet. Mit dem 2016 neu geschaffenen Lehrstuhl für „Advanced Manufacturing“ wurde eine zusätzliche Infrastruktur geschaffen, die den Ausbau der Forschungskapazitäten auf dem Zukunftsmarkt der technischen Textilien zum Ziel hat. Unter der Leitung von Professor Tung Pham wird mit den zur Verfügung stehenden Mitteln – drei Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren – eine eigene Forschungsgruppe aufgebaut, die sich intensiv mit der Herstellung intelligenter Textilien beschäftigt.
Mit dem Erhalt des COMET-Kompetenzzentrums TCCV (Textile Competence Center Vorarlberg) im Herbst 2016 verfügt der Textilcluster Vorarlberg seit dem Frühjahr 2017 über eine weitere textile Forschungseinrichtung im Bereich der Smart Textiles mit einem Gesamtbudget von etwa 6 Millionen Euro.
Betriebliche Forschung als Innovationstreiber
Die hohe Wirtschaftskraft des Textilcluster Vorarlberg ist auch darin begründet, dass neben den vielfältigen Forschungseinrichtungen seitens der Unternehmen substantiell in Forschung und Entwicklung investiert wird. Die F&E-Ausgaben werden in Vorarlberg zu fast 80 Prozent von den Vorarlberger Unternehmen getragen, nur ein Fünftel der Gelder kommt vom öffentlichen Sektor und der EU. Das ist österreichweit der höchste betriebliche Anteil und verdeutlicht die starke Fokussierung der Vorarlberger Wirtschaft auf Forschung und Innovation. Die positve Konsequenz dieser Strategie sind innovative Produkte, Verfahren und Dienstleistungen, die sich auf den internationalen Märkten gegenüber starker Konkurrenz durchsetzen können.
Smart Textiles Plattform stärkt Innovationskraft
Maßgebend für die hohe Innovationskraft des Textilcluster Vorarlberg ist auch die vom Vorarlberger Textilunternehmer Günter Grabher ins Leben gerufene „Smart Textiles Plattform“. Grabher initiierte die Plattform, um Innovationen insbesondere im Bereich technischer Textilien kollektiv voranzutreiben und die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Mit aktuell 53 Mitgliedern zählt sie zu den größten Netzwerken von Textilunternehmen und vereint die Kompetenzen der gesamten textilen Wertschöpfungskette unter einem Dach.
Im Rahmen von Verbundforschungsprojekten, die über die Smart Textiles Plattform initiiert werden, können beispielsweise neuartige technische Textilien wie Leichtbauteile für die Automobilindustrie oder auch neue hoch automatisierte Herstellverfahren für technische Textilien entwickelt werden. Ebenso dient die Plattform der Generierung von nationalen und internationalen Fördermitteln wie auch dem intensiven internationalen Technologieaustausch, beispielsweise in Form des jährlich stattfindenden Textilsymposiums SALTEX.
Forciert wird weiters die Vernetzung der Plattform-Mitglieder untereinander sowie die Vernetzung über Branchengrenzen hinweg. Damit wird die positive Positionierung der Vorarlberger Textilindustrie und die Marke „Textilcluster Vorarberg“ konstant sichtbar gemacht und gefestigt.
Fazit: Textilcluster Vorarlberg
Die europäische Textilindustrie hat sich mit technischen Textilien und „Smart Textiles“ zu einer High-tech-Industrie entwickelt. Um in diesen Märkten bestehen zu können, setzt der Textilcluster Vorarlberg auf die Bündelung von Kompetenzen. Intensive Vernetzung über die Smart Textiles Plattform und Innovation auf Basis neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse sind Schlüsselbereiche, um das Innovationspotenzial der Vorarlberger Textilindustrie optimal zu nutzen und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Dieser Artikel erschien zuerst auf www.lead-innovation.com/blog.