Warum kündigen gute Mitarbeiter?
„Mitarbeiter verlassen keine Unternehmen, sondern Chefs“ – hast du diese Aussage schon einmal gehört? Stimmst du ihr zu? Warum kündigen gute Mitarbeiter?
Ich unterstütze seit mehr als 20 Jahren Führungskräfte und deren Mitarbeiter. Ein Teil unserer Zusammenarbeit ist grundsätzlich immer erst einmal ein offener Austausch und eine Analyse des Ist-Zustandes im Betrieb. Schließlich will ich ein Gefühl dafür entwickeln, mit welcher Situation und Atmosphäre ich es jeweils zu tun habe.
Ein Gespür dafür zu bekommen, dauert meist nicht lange – manchmal sogar nur ein Beobachten der Körpersprache der Anwesenden, ein kurzer Plausch beim Kaffee holen oder selbst nur ein in den Raum geworfenes „Hallo“. Was sind die Reaktionen? Lächeln sich die Kollegen zu? Oder gibt es nur verschränkte Arme und Murren?
Manchmal ist alles Friede, Freude, Eierkuchen, manchmal sind die dicken, grauen Wolken über den Köpfen der Mitarbeiter geradezu sichtbar. Bei manchen Angestellten wird im Gespräch sogar klar, dass sie innerlich bereits gekündigt haben. Dieses Gefühl entwickelt sich oft langsam, über einen langen Zeitraum hinweg und eine ganze Weile vor der eigentlichen offiziellen Kündigung. Was aber sind die häufigsten Gründe für die Unzufriedenheit im Team oder sogar dafür, dass gute Mitarbeiter das Unternehmen verlassen?
Wer nicht fragt, wird es nie erfahren.
Die Gallup Organisation, ein US-amerikanisches Meinungsforschungsinstitut, veröffentlicht jährlich eine breit-angelegte Gallup Umfrage zu den Themen Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation. Die Fragen drehen sich um Beziehungen zwischen Führungskräften und Angestellten, darum, welche Rolle der Einzelne in der Organisation einnimmt und welche Weiterbildungschancen angeboten werden.
Dem Gallup-Report zufolge hängen tatsächlich 70 Prozent der Faktoren für Unzufriedenheit bei der Arbeit direkt mit den Vorgesetzten zusammen. Jeder Zweite gab an, zuvor gekündigt zu haben, weil die Beziehung zum eigenen Manager nicht stimmte.
Bevor Führungskräfte sich nun also darüber beklagen, dass all ihre besten Angestellten das Unternehmen verlassen, sollten sie einen guten, langen Blick in den Spiegel nehmen. Im Grunde ist auch eine Arbeitsbeziehung eine Beziehung und die will, wie jede andere Form der Partnerschaft auch, gepflegt werden. Könnte deine Führungsarbeit etwas damit zu tun haben, dass ihre Talente kündigen? Was braucht deine Angestellten? Wer nicht fragt, wird es nie erfahren. Und nur wenn du weißt, wie es in deinem Team aussiehst, wirst du auch in der Lage sein, es gut zu führen.
Viele Führungskräfte befinden sich in einem ständigen Drahtseilakt, bei dem es gilt, die Bedürfnisse des Unternehmens und der Mitarbeiter in Balance zu halten. Leadership ist kein Kinderspiel. Du solltest dir allerdings bewusst sein, dass dein Team deine größte Ressource ist, auch wenn das zu Beginn abgedroschen klingen mag. Glückliche Mitarbeiter sind weniger häufig krank, sind kreativer, innovativer und effektiver. Nur mit glücklichen Mitarbeitern erreichst du deine Quartalsziele. Das glaubst du mir nicht? Dann kannst du es direkt in einem der Gallup-Bestseller „Führungsstärke – Was erfolgreiche Führungskräfte ausmacht“ nachlesen.
Warum verlassen gute Mitarbeiter das Unternehmen?
Machen wir es doch einmal konkreter. Aus meiner Erfahrung heraus, gibt es fünf Hauptgründe, warum gute Mitarbeiter kündigen. Diese sind im Folgenden willkürlich und nicht in einer bestimmten Reihenfolge aufgezählt.
Es mangelt an Wertschätzung
Gute Mitarbeiter zeichnen sich in der Regel durch hohes Fachwissen, spezifische Kompetenzen oder schier ihren überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz aus.
Mit vielen Mühen kommen in der Regel auch hohe Erwartungen. Wir wollen gesehen werden, wollen, dass unserer Leistung Anerkennung geschenkt wird. Denn zwischenmenschliche Wertschätzung und Zuwendung sind aus neurobiologischer Sicht Kern aller Motivation.
Mit einem „Danke“, einem Schulterklopfen und einem feuchten Händedruck ist es allerdings nicht getan. Es gibt einen feinen aber wichtigen Unterschied zwischen den Begriffen Lob, Anerkennung und Wertschätzung. Während sich Lob auf die Leistung einer Person bezieht, geht es bei Wertschätzung um den Menschen selbst. Und genau darauf kommt es wirklich an.
Wo es an Wertschätzung mangelt, wo Anerkennung, die wirklich von Herzen kommt, nicht an der Tagesordnung ist, werden sich auch gute Mitarbeiter schnell verabschieden. Mehr zu diesem Thema und genaue Definitionen der Begriffe Lob, Anerkennung und Wertschätzung kannst du in meinem Blogbeitrag „Wertschätzung – so viel mehr als Lob“ nachlesen.
Natürlich spielt auch der Lohn als Form der Anerkennung eine Rolle, ganz klar. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstitutes INNOFACT AG, geben 68 Prozent der Mitarbeiter an, dass ein fehlender Ausgleich für geleistete Überstunden ein Kündigungsgrund sei.
Gute Mitarbeiter werden überlastet
Klar, für Führungskräfte ist es verlockend den besten Mitarbeitern die meisten und wichtigsten Aufgaben anzuvertrauen. Solange eine angemessene Arbeitszeit hiermit nicht überschritten und der Kollege entsprechend entlohnt wird, ist das sicherlich auch vollkommen in Ordnung, wenn nicht gar eine Art der Anerkennung.
Fühlen sich gute Angestellte aber dauerhaft überlastet, unter zu starkem Leistungsdruck oder möglicherweise gar für ihre hervorragende Arbeit bestraft, weil ihnen mehr und mehr Aufgaben aufgebrummt werden, ist das ganze kontraproduktiv.
Zum einen beeinflusst Stress die Gesundheit und Zufriedenheit des Mitarbeiters, zum anderen hemmt Überlastung die Produktivität und die Fähigkeit innovative Wege und Produkte für das Unternehmen zu entwickeln. Wenn nur reagiert werden muss, bleibt kein Raum um proaktiv zu agieren.
Talente langweilen sich
Schon mal von einem Boreout gehört? Dieser Begriff bezeichnet das Leiden unter Langeweile und Unterforderung. Besonders talentierte Mitarbeiter wünschen sich Freiräume, um sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Sind diese nicht gegeben oder sind die Aufgaben schlichtweg zu eintönig, wird es guten Angestellten schnell zu eng. Sie brauchen Herausforderungen, eine klare Zukunft im Unternehmen und vor allem den Rückenwind ihrer Vorgesetzten.
Außerdem neigen die besten Mitarbeiter dazu, alles verbessern zu wollen – Produkte, Prozesse, die Kommunikation Ein „Das geht besser“ wird von Führungskräften allerdings viel zu häufig mit einem „Das haben wir schon immer so gemacht“ abgeschmettert. In konservativ geführten Betrieben mit steilen Hierarchien ist das Arbeitsumfeld leider des Öfteren von Schwerfälligkeit geprägt. Das frustriert auf Dauer und schränkt nicht nur Angestellte, sondern das ganze Unternehmen ein.
Mangelndes Vertrauen
Aus Angst vor Kontrollverlust, mutieren viele Führungskräfte zum Mikromanager. Doch talentierte Angestellte wollen mitbestimmen, wollen vom Mitarbeiter zum Mit-Unternehmer werden. Haben sie keinen oder nur wenig Handlungsspielraum um selbstständig Entscheidungen zu treffen, entzieht der Vorgesetzte eine der wichtigsten Grundlagen für erfolgreiche Zusammenarbeit: Vertrauen.
Das Gefühl etwas mitgestalten zu können, motiviert und inspiriert, es treibt uns zu Spitzenleistungen an. Ist es nicht gegeben, fällt die Stimmung und die Wahrscheinlichkeit der Kündigung steigt.
Unternehmenswerte und -atmosphäre passen nicht
Auf die Chemie kommt es an. Eine gute Atmosphäre im Team und eine positive Unternehmenskultur sind essenziell für Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter. Jedes Unternehmen ist, was die eigenen Werte und die Atmosphäre betrifft, ganz individuell und manchmal passt man – Mitarbeiter und Unternehmen – eben einfach nicht zusammen. Das ist auch in Ordnung.
Doch Organisationen können die Unternehmenskultur so beeinflussen, dass sie für Talente attraktiv ist. Hierzu gehören flexible Arbeitszeiten und -orte, psychologische Sicherheit im Team und ein Gefühl der Sinnhaftigkeit. Denn nur, wenn wir uns in einem Team so richtig wohl und wertvoll fühlen, können wir unsere volle Kreativität und Produktivität entfalten.
Oft ist es nicht ein einzelner, sondern eine Kombination verschiedener Gründe, die dafür sorgen, dass gute Mitarbeiter kündigen. Viele Angestellte, die zwar zufrieden, aber nicht glücklich sind, warten auch einfach nur auf „das Nächstbeste“.
Warum kündigen meine besten Mitarbeiter und wie kann ich sie halten? Diese Fragen sollte sich jede Führungskraft und jedes Unternehmen stellen. In einem Markt, in dem es an Fachkräften mangelt und im Hinblick auf Kosten für Rekrutierung und Onboarding, sollte Betrieben viel daran gelegen sein, gute Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden – mehr noch, die Basis für deren Zufriedenheit zu legen.
Diesen Artikel „Warum kündigen gute Mitarbeiter“ und viele weitere Informationen zu Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitsglück und Führungsthemen findest Du in meinem Blog auf www.hirnpuls.de. Schau vorbei!
Bis dahin
Dein Saleh Amiralai