Warum nachhaltiger Vertrieb nicht nett sein muss

Warum nachhaltiger Vertrieb nicht nett sein muss

Bei Diskussionen um die Themen „nachhaltiger Vertrieb“ und „nachhaltiges Verhandeln“ begegnet mir regelmäßig ein Missverständnis: Viele Vertriebsleiter und Vertriebler setzen „nachhaltig“ mit „nett“ gleich. Und haben ihre Zweifel, ob sie damit wirklich ihre Zahlen erreichen können. Da gebe ich ihnen auch recht: Mit „nett“ allein gewinnen Sie im Vertrieb keinen Blumentopf. Aber mit nachhaltigem Vertrieb schon!

Was nachhaltiger Vertrieb ist

Ich habe früher auf der Bühne oft gewitzelt: „Es gab mal einen Vortrag mit dem Titel ‚Fairhandeln’. Wenn Sie den Begriff heute googeln, finden Sie fast nichts dazu: Scheint sich nicht durchgesetzt zu haben.“ Da stehe ich auch heute noch dazu, weil „fair“ zu sehr nach „soft“ klingt. 

Aus dem gleichen Grund wettere ich ja auch gerne gegen das vielgerühmte „Win-Win“, weil ich viel zu oft gesehen habe, dass sich Vertriebler mit diesem Motto haben über den Tisch ziehen lassen.

Um es mal an dieser Stelle klar zu sagen: Nachhaltiges Verhandeln und nachhaltiger Vertrieb haben nichts mit Nett-Sein zu tun. Sie können in aller Nachhaltigkeit hart agieren! Das ist kein Widerspruch.

Ich spiele mit Ihnen gerne an einem Beispiel den Unterschied durch.

Nachhaltiger Vertrieb konkret

Stellen Sie sich folgende typische Situation vor: Sie haben zum wiederholten Mal einen Termin beim Einkäufer einer Ihrer Key Accounts. Dieser hat Sie bereits mehrfach länger warten lassen. So auch diesmal. Als er dann endlich auftaucht, sagt er – süffisant lächelnd und ohne Entschuldigung –: „Oh, da habe ich Sie wohl warten lassen.“ Was antworten Sie?

Ich gebe Ihnen drei Optionen zur Auswahl – eine nette, eine schmutzige und eine nachhaltig-saubere:

  • In der netten – und übrigens am häufigsten verwendete – Variante antworten Sie: „Ach, kein Problem. Ich habe in der Zwischenzeit noch meine Mails gecheckt.“ Und prompt haben Sie die Augenhöhe verloren. Der Einkäufer weiß, dass er mit Ihnen machen kann, was er will.
  • In der schmutzigen Variante sagen Sie: „Sie haben mich schon wieder warten lassen! Stellen Sie das zukünftig ab, sonst komme ich nicht mehr.“ Sie greifen also im Gegenzug zum Psychotrick des Einkäufers, zur Erpressung.
  • Die saubere, nachhaltige Antwort sieht so aus: „Sie lassen mich hier wieder warten – das ärgert mich, weil ich mich von Ihnen nicht für voll genommen fühle. Deshalb bitte ich Sie: Seien Sie zukünftig pünktlich.“ Sie sprechen also die Situation und Ihr Gefühl dabei klar an und äußern auch unmissverständlich Ihren Wunsch. Die Erpressung aber lassen Sie weg. So wahren Sie Augenhöhe und fordern sie auch ein, beteiligen sich aber dennoch nicht an dem schmutzigen Spielchen.

Sie können also sauber UND so hart wie klar handeln. 

Nachhaltigkeit bietet dem Vertrieb der Zukunft so viele Vorteile, dass Sie kaum noch darauf verzichten können. Richtig verstanden sichert Ihnen nachhaltigen Vertrieb die besseren Zahlen, weil Sie Shitstorms vorbeugen und selbst das gute Gefühl haben, sauber zu handeln, ohne sich über den Tisch ziehen zu lassen. Und Sie schaffen auf Dauer Vertrauen auf Kundenseite, wenn sich herumspricht, dass Sie sich nicht auf schmutzige Spielchen einlassen.


Johannes von Stein

VP Sales Food @ Sesotec | MBA, Business Development, Key Accounts

3 Jahre

Ich würde gehen. Wenn ich ein wichtiger Zulieferer bin dann kann der Kunde auch eine gewisse Pünktlichkeit herstellen. Gegenseitige Wertschätzung sollte der Maßstab sein.

Axel Kunz

Customer Success Manager | Partnering with Clients to Achieve Business Growth | Agile Expert, Certified PAL 1 & PSM 1

3 Jahre

🤔... wo ist der Erkenntnissgewinn?

Klaus Mintel

Cables and more ✅ - responding only cable matters ⛔

3 Jahre

Tja, man kann es wissenschaftlich betrachten, für mich war und ist es nur ein Zeichen, dass der Einkauf seine üblichen alten Spielchen treiben wird. Und die kennt man ja. Ich wäre mehr irritiert, wenn die mich 10 Minuten früher abholen, und es mich vermuten lässt, eine neue Taktik kommt auf mich zu.

Thomas Wollny

Key-Account-Manager

3 Jahre

Heiko van Eckert, eine durchaus häufig vorkommende Situation. Meine Empfehlungen für Vertriebsleute sind immer: a) "5 Minuten vor der Zeit ist des Verkäufers Höflichkeit"! D.h. Sich 5 Minuten vor der vereinbarte Zeit am Empfang anmelden. Weiss man, dass der Weg zu den Besprechungszimmern sehr lang ist, durchaus früher b) Ist die Wartezeit seeehr lang, dem Gesprächspartner ausrichten/ausrichten lassen, dass ihm offensichtlich eine wichtige Sache dazwischen gekommen ist und man gerne zu einem neuen Termin kommt! Setzt den Verhandlungspartner unter Druck ohne dass man selber unhöflich ist/wirkt. c) Mit Humor schon bei der Terminvereinbarung reagieren. "ct oder st" (ct = + 15 Minuten; st = sharp)? d) Mit Humor beim Erscheinen reagieren: " Schon bei den letzten Terminen habe ich gemerkt , dass Sie ein vielbeschäftigter Mensch sind. Aus diesem Grund hatte ich mir einfach schon Arbeit mitgenommen. Ich brauche noch ca. 3 Minuten, dann komme ich!" Höflich, aber bestimmt.

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