Warum Zwischenräume so wertvoll sind
Foto: Zwei Kinder im Zwischenraum, aufgenommen in Buenos Aires

Warum Zwischenräume so wertvoll sind

Neulich sprachen wir in unserer lockeren Montagsrunde im Team über unseren schönsten Urlaub. Mein Kollege Lukas erinnerte sich an seine Kindheit und Reisen nach Dänemark. Er erzählte uns allerdings nicht von langen Stränden, Hot Dogs oder Ausflügen ins Legoland, sondern schilderte uns die Anreise: riesige Haribo-Packungen, verbotene Softdrinks, neue Bücher, Super Mario auf dem Gameboy. Zudem versteckten die Eltern immer ein kleines Geschenk in seinem Rucksack. Draußen veränderte sich die Landschaft, während im Auto die Vorfreude wuchs.

Lukas beschrieb uns den perfekten Zwischenraum: eine Leerstelle zwischen zwei Ereignissen, die Platz bot, um loszulassen und anzukommen, zu verarbeiten und aufzunehmen. Als Kind erleben wir viele solcher Momente. Zeit schrumpft und dehnt sich mit unseren Erlebnissen. Mein Sohn braucht oft eine halbe Stunde, um sich die Zähne zu putzen, weil es im Bad für ihn viele Dinge zu entdecken und zu erleben gibt, zum Beispiel spontan an der Heizung hochzuklettern. Noch während meines Studiums verbrachte ich zwischen den Vorlesungen beinahe ganze Tage in der Cafeteria.

Denkräume weggespart

Beim Nachdenken über Zwischenräume stellte ich fest, dass ich fast all diese Momente in den vergangenen Jahren aus meinem Alltag weggespart habe. Als Führungskraft und Mutter bin ich während eines Meetings gedanklich oft schon beim nächsten Termin oder dem nächsten To-do. Auf dem Weg ins Büro schnell ein paar Mails erledigen, auf dem Rückweg den Zahnarzt anrufen und eine Verabredung für meinen Sohn zusagen. Noch schnell einen Call annehmen.

Seit wir remote arbeiten, habe ich weitere Zwischenphasen verloren. Check-in und Check-out via Teams können für mich das persönliche Gespräch auf dem Flur nicht ersetzen. Den gemeinsamen Spaziergang zur Kaffeemaschine. Den freundlichen Gruß an unserem Empfang, der mir zeigt: Jetzt bist du angekommen. Zudem haben wir Termine durch die Remote-Arbeit so verdichtet, dass mir oft sogar der Zwischenraum fehlt, um auf die Toilette zu gehen.

Ich habe in den vergangenen Wochen bewusst nach Zwischenräumen gesucht. Ich stellte fest, welche Farben die Blüten am Baum vor meinem Fenster haben. Ich saß ohne Mobiltelefon in der Hand im Bus – und kam mit anderen Menschen in Kontakt, sei es durch ein freundliches Lächeln oder ein Gespräch, das sich aus dieser freundlichen Geste ergeben hatte. Ich stellte fest, dass ich beim Spazierengehen besser denken und entspannen kann.

Die meisten von uns haben eine Aversion gegen Untätigkeit. Wir lernen, dass es gut ist, beschäftigt zu sein. Über Zielen und Plänen vergessen wir aber manchmal, wie viel Neues und Aufregendes im Zwischenraum entstehen kann. Je weniger wir uns in diesen Momenten Fragen der Verwertbarkeit stellen (Wozu soll dieser Spaziergang dienen? Was bringt es mir, auf dem Balkon herumzustehen?), desto mehr können wir entdecken.

Haben Sie unsere Titelgeschichte: "Busy is the new stupid (HBm+) !" schon gelesen?" Ich kann Ihnen den Artikel von Adam Waytz nur empfehlen. Terminstress und Hektik nehmen überall zu. Umso wichtiger ist es, sich abzugrenzen und Denkräume zu schaffen.

Herzliche Grüße,

Antonia Götsch 

Chefredakteurin Harvard Business manager


Sebastian Arps

Erleben - Verstehen - Verändern • Politikwissenschaftler • Inhaber von Elementartraining • Initiator von Gemeinsam für Demokratie

1 Jahr

So so wichtig, Antonia Götsch! Vielen Dank für diesen Reimender und Weckruf! Einen Großteil unserer Zeit im Leben sind wir damit beschäftigt, etwas zu tun. Arbeiten, den Haushalt wuppen, uns weiterbilden, Termine organisieren, Erfüllung finden, Etwas erreichen. Vieles tun wir, während wir etwas anderes tun oder auch aus einem Pflichtgefühl heraus. Wir gewöhnen uns dann an das Beschäftigtsein und entwickeln Beschäftigungsdrang. Wir fühlen uns unter Druck, dieses Niveau beizubehalten. Dabei ist es elementar, uns auch Momente der Ruhe und Pause zu erlauben. Ohne Leistung, ohne Druck, ohne Ziel.

Esther Meuren-Keppler

polyglotte - empathische - vielseitige - leidenschaftliche Personalerin

1 Jahr

@ Antonia Götsch: Danke für Ihren Beitrag, bei dem ich mehrfach schmunzeln musste. Schön, dass Sie anfangen, Möglichkeiten der Entschleunigung im Alltag für sich zu entdecken. Vor meinem Fenster steht übrigens ein Kirschbaum, der bis gestern viele rote Kirschen trug. Diese sind jetzt eingefroren und landen bei der nächsten Gelegenheit auf einem leckeren Kuchen. #resilienz #Wahrnehmung #aufmerksamkeit #mbsr #cooldown #entspannung #relax #mentalhealth #mentaltraining

Grit Hallal

New Work ist HR & Nachhaltigkeit in einem für Unternehmen der neuen Zeit

1 Jahr

Zwischenräume im Leben? Wer in seiner Begabung arbeitet erhält Energie durch das was ertut und geht gestärkt nach Haus. Wie man erfolgreich seine Arbeit so einteilt, dass sid als Gesantheit Mensch, Organisatorin und Unternehmen stärkt liegt in der Ausrichtung der Prozesse auf New Work und das ist mehr als agiles Arbeiten und was anderes als,empathische Führung.

Dörte Kaschdailis

Handel | Digitalisierung | Unternehmertum | Beirat | Outdoor | Speaker | Podcast

1 Jahr

Neulich las ich hier sinngemäß: Der Moment der wahren Freiheit - nach einem Zoom Call, wenn es zu spät ist noch etwas Neues anzufangen vor dem nächsten Call.

Laura Karbownik

B.Sc. Psychology & working student for SPIEGEL GROUP: Harvard Business Manager

1 Jahr

So ein wertvoller Beitrag, dankeschön! Dazu fällt mir ein Spruch ein, den mein Opa mir immer gesagt hat: „Nur ein ruhendes Gewässer wird wieder klar.“

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