Weihnachtsdeko – die Tannenspitze eines größeren Problems Wir lassen Sie nicht allein!
Gefühlt war gerade eben noch Sommer, doch jetzt hörte ich im Radio den Ratschlag, man solle schon Weihnachtsdeko kaufen. Und zwar nicht, weil Weihnachten vor der Tür stünde, sondern weil – verrückt? – die Ware knapp wird. Was bei der Weihnachtsdeko absurd scheint, treibt tatsächlich derzeit viele unserer Firmenkunden um, und zwar massiv. Man mag es kaum glauben, aber viele Produktionsbänder kommen ins Stocken, weil kleinste Teile fehlen – und dann kann das Produkt nicht fertiggestellt werden, nur weil irgendein kleines Teil fehlt, ein Dichtungsring zum Beispiel.
Denn der liegt womöglich noch auf einem Schiff im Hafen irgendwo in Asien. Was wir hier gerade sehen ist, wie sehr die Corona-Krise unsere Lieferketten durcheinandergewirbelt hat. Und plötzlich gibt es in Deutschlands Wirtschaft ein bis dato eher ungewohntes Thema: Mangelware.
Was das bedeutet, weiß höchstens noch die ältere Generation aus Ostdeutschland. Zu DDR-Zeiten gehörte es zum Alltag, dass es Dinge des täglichen Gebrauchs öfter mal nicht gab – und wenn, dann stand man zur Not auch stundenlang Schlange. Mangelware waren zum Beispiel Südfrüchte, und zwar nicht nur die berühmte Banane, sondern auch Orangen, Ananas oder Pfirsiche. Auch technische Geräte wie Kaffeemaschinen, Radios, Fernseher oder auch Autos waren zwar im Angebot, aber technisch veraltet.
Als mit Beginn der Corona-Pandemie zeitweilig das Toilettenpapier knapp wurde, weil sich unzählige Menschen in Hamsterkäufen panisch mit Vorräten eindeckten, da wurde das belächelt. Es wird keinen Mangel geben, hieß es. Wir leben in marktwirtschaftlich blühenden Zeiten.
Doch neuerdings machen Menschen immer öfter die Erfahrung, dass etwas „derzeit nicht lieferbar“ ist. Ein Kollege zum Beispiel wollte seiner Tochter im Frühjahr ein neues Fahrrad kaufen; nichts besonderes eigentlich, dachte er. Aber dann erfuhr er im Fachgeschäft, dass er sich auch viele Monate Wartezeit einstellen müsse, wenn er nicht eines der ausgestellten Räder mitnehmen wolle. Der Kollege staunte nicht schlecht, als der Verkäufer hinzufügte, er könne nicht garantieren, dass das gewünschte Rad rechtzeitig kommt, auch nicht bis Weihnachten.
Der neue Mangel traf am sichtbarsten die Automobilbranche: Produktionsstraßen standen still, Angestellte wurden in Kurzarbeit geschickt, Neuwagen mit analogem statt mit digitalem Tachometer ausgeliefert, bestimmte Assistenzsysteme konnten nicht eingebaut werden. Die Autobranche hatte in der Hochzeit der Pandemie deutlich weniger Autos verkauft und deswegen die Halbleiter-Bestellungen reduziert. Die chinesischen Produktionsfirmen fanden neue Abnehmer in der Unterhaltungsindustrie. Computerspiele boomten in der Pandemiezeit. Jetzt, wo die Nachfrage wieder steigt, steht die Autobranche vor leeren Lagern und neuer starker Konkurrenz. Computer-Chips sind knapp geworden. Experten erwarten, dass dieses Jahr weltweit zehn bis elf Millionen Fahrzeuge nicht gebaut werden können. Auslöser für den aktuellen weltweiten Halbleitermangel ist jedoch weniger die Pandemie, sondern vor allem die geopolitische Rivalität Chinas und der USA – aber auch Hamsterkäufe chinesischer Firmen.
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Den Engpass bei den Fahrrädern hatte sich mein Kollege auch mit der enorm gestiegenen Nachfrage in den letzten anderthalb Jahren erklärt. Um sich vor Corona zu schützen und gleichzeitig dem Bewegungsmangel entgegenzuwirken, war schließlich so mancher von Bus und Bahn aufs Zweirad umgestiegen. E-Bikes wurden zum Trendartikel. Doch der aktuelle Mangel hängt keineswegs an der gestiegenen Nachfrage. Beim klassischen Fahrrad ohne Elektroantrieb gingen die Verkaufszahlen im ersten Halbjahr 2021 in Deutschland nämlich sogar um 26 Prozent zurück. Die Nachfrage war da, aber es fehlte das Angebot. Es gibt schlichtweg Lieferprobleme. Einzelne mechanische Komponenten sind knapp geworden: Rahmen, Gabel und Bremsen.
Solche Nachrichten kommen inzwischen aus allen Branchen. Computer, Fernseher, Waschmaschine, heute bestellt, morgen geliefert? Fehlanzeige. Drei Monate Wartezeit ist der Regelfall – und selbst dann ist nicht alles wie erhofft da. Die Textilindustrie beklagt, sie könne nicht wie gewohnt und erst recht nicht wie gewünscht produzieren. Es fehlen Reißverschlüsse und Ösen. Die kommen sonst aus Asien, oder kommen eben derzeit gerade nicht. Andere Rohstoffe haben kürzere Lieferwege, aus Italien etwa oder der Türkei. Aber auch hier gilt immer öfter: Schnelle Lieferzeiten: Fehlanzeige.
Zuletzt schlugen Buchhandel und Drucker Alarm. Es herrscht Papiermangel. Auf Twitter kursierten bereits erste Geschichten von Verlagen, die ihre Neuerscheinungen nicht publizieren könnten, weil die Papierpreise in astronomische Höhen gestiegen sind. Hier sind es nicht Störungen in komplexen Lieferketten, sondern das corona-bedingt veränderte Konsumverhalten der Menschen. Plötzlich war der Bedarf an Verpackungs- und Versandmaterial gestiegen. Die Papierfabriken stellten ihre Produktion um. Jetzt mangelt es an Qualitätspapier.
Die Lücken im engmaschigen globalen Lieferkettensystem sind eine ernstzunehmende Bedrohung. So manches Unternehmen bangt um seine Existenz. Eine Umfrage der staatlichen Förderbank KfW ergab, dass fast jedes zweite der rund 3,8 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen hierzulande mit Lieferengpässen zu kämpfen hat.
Es scheint absurd: Die Auftragsbücher sind voll wie selten zuvor, doch die Lieferengpässe bei wichtigen industriellen Vorprodukten verhindern die Produktion. Das Münchner ifo-Institut hattes deswegen schon in seiner Konjunkturprognose im September die Wachstumsrate für das Jahr 2021 um 0,8 Prozentpunkte gesenkt.
Doch ich bin mehr als zuversichtlich, dass die deutschen Unternehmen ihren Weg auch durch diese ungewohnte Situation finden, zumindest wenn sie sich nicht scheuen, sich rechtzeitig um eine Überbrückungsfinanzierung kümmern. Die bestehenden Aufträge warten schließlich darauf, irgendwann abgearbeitet zu werden. Auch die fünf führenden Wirtschaftsinstitute rechnen in ihrer aktuellen Gemeinschaftsdiagnose im kommenden Jahr mit einer kräftigen Erholung in der Industrie und haben ihre Wachstumsprognose für das Jahr 2022 auf 4,8 Prozent angehoben. In ihrer Frühjahrsprognose waren die Institute noch von einem geringeren Plus von 3,9 Prozent ausgegangen. Wir müssen uns also nur ein bisschen gedulden.
Es ist keine leichte Aufgabe, mit den globalen Knappheiten umzugehen. Gemeinsam mit unseren Kunden loten unsere Branchenexperten Alternativen aus: Etwa, wenn es um weitere Sourcing Strategien geht, oder um neue Märkte und gegebenenfalls sogar den Aufbau neuer Fertigungsstrecken. Viele Unternehmen nehmen bereits die Beratung unseres Expertenteams für Lieferkettenfinanzierung in Anspruch, damit aus dem physischen Engpass kein Liquiditätsengpass wird. Und genau dafür ist eine Bank doch da: um in schwierigen Zeiten zur Seite zu stehen. Bei uns jedenfalls können Sie sich drauf verlassen: Wir lassen Sie nicht allein, wir liefern.
Es gibt keine hoffnungslosen Fälle
3 JahreEs ist vielleicht gar nicht so verkehrt, wenn wir feststellen, dass nicht selbstverständlich alles immer überall unbegrenzt und obendrein billig zu haben ist. Wir müssen alle lernen, anders zu leben. Ein "weiter so" ist keine Option.
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.
3 JahreTolle Reflexionen und Anregungen, vielen Dank Michael.