Wenn denken krank macht
Die Welt spielt gefühlt verrückt. Wie wird man es selbst nicht? Krieg, Krisen, Unfälle, Streits, Streiks: Wer die Zeitung aufschlägt, liest zwangsläufig negative Nachrichten. Auf Facebook und TikTok schlagen sich Menschen verbal die Köpfe ein und auch beim Stammtisch prägen oft genug Zukunftsängste die Gespräche. All das kann uns krank machen! Aber wie umgehen?
Negative Nachrichten haben eine starke emotionale Wirkung auf uns, weil unser Gehirn evolutionär darauf programmiert ist, auf potenzielle Gefahren zu reagieren. Diese Reaktion geht auf unsere Vorfahren zurück, die in einer Umgebung lebten, in der es wichtig war, Bedrohungen schnell zu erkennen und darauf zu reagieren, um zu überleben. Heutzutage ist diese Reaktion immer noch vorhanden, obwohl die meisten der Bedrohungen, über die wir lesen oder hören, nicht unmittelbar unser eigenes Überleben betreffen.
Ein Interview des GROW Magazin mit Rene Schmitt
Bernhard, in Anbetracht dessen, dass negative Nachrichten so präsent sind, wie können wir dann am besten damit umgehen, um nicht selbst davon beeinträchtigt zu werden?
Nun, es gibt verschiedene Ansätze, mit denen man sich vor den negativen Auswirkungen von Nachrichten schützen kann. Einer davon ist es, sich bewusst zu machen, dass die Berichterstattung in den Medien oft einseitig ist und nicht das gesamte Bild der Realität abbildet. Es ist wichtig, kritisch zu hinterfragen, wie Nachrichten präsentiert werden, und sich auch alternative Quellen anzusehen, um ein ausgewogeneres Bild zu erhalten.
Darüber hinaus ist es hilfreich, sich bewusst Pausen von den Nachrichten zu gönnen und sich stattdessen auf positive Aktivitäten zu konzentrieren, die einem Freude bereiten und Energie geben. Der Mensch entwickelt sein Gefühl von Erfolg, Glück und Zufriedenheit durch Handeln. Denken allein macht nicht glücklich. Schauen Sie sich doch mal viele Philosophen an. Nietzsche oder Schopenhauer zum Beispiel. Klassische Zeugen der Anklage, stockdepressive Menschen. Ein Schreiner dagegen ist im Alltag meist glücklich. Weil er eben etwas macht. Durch Handeln erleben wir jeden Tag kleine Erfolge. Und wenn wir uns diese am Ende des Tages klar machen, merken wir oft, dass wir viel mehr erreicht haben und können, als wir uns selbst eingestehen. Wir reden viel zu wenig über das, was uns tagtäglich gelingt. Dabei wissen wir aus Studien eindeutig: Das Drama motiviert nicht. Im Gegenteil, die Menschen wenden sich ab, haben keinen Bock mehr und sagen: Ohne mich. Das kann fatal sein.
Gibt es noch andere Strategien Bernhard?
Ja, definitiv. (M)eine weitere Strategie ist es, bewusst zu wählen, welche Nachrichten man konsumiert und wie viel Zeit man damit verbringt. Ich möchte nicht, dass mein Gehirn zum Schrottplatz von schlechten Gedanken und Nachrichten wird. Man kann zum Beispiel entscheiden, nur bestimmte Nachrichtenquellen zu nutzen oder sich nur zu bestimmten Zeiten des Tages über das aktuelle Geschehen zu informieren. Zudem kann es hilfreich sein, sich mit vertrauten lieben Menschen auszutauschen und über positive Themen zu sprechen, um die eigene Perspektive zu erweitern und sich gegenseitig zu unterstützen. Gerade auch im Business ist dies besonders wichtig, denn zu viele hinterrotzige Menschen versuchen einem immer das Beste abzuverlangen.
Ein Perspektivenwechsel oder Personenwechsel? Auch das sind Gedanken in deinem neuen Buch Bernhard: "Hinterfotzigkeit versus Ehrlichkeit". Ist die Reflektion nicht etwas besonders wichtiges im täglichen Doing?
Ja, schließlich ist es wichtig, sich selbst zu reflektieren und zu erkennen, wie man persönlich auf negative Nachrichten reagiert, nicht durch andere dritte beeinflusst. Kennst da ja auch, jeder von rechts und links weiß immer alles besser, doch machen tun sie es selbst nicht. Und genau hier kommt es auf das Bauchgefühl an. Nicht leiten lassen, tun. Und ja, manche Menschen sind empfindlicher dafür als andere und es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich selbst zu schützen, wenn nötig.
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Was genau können negative Gedanken auf Dauer mit uns machen?
Negative Gedanken können langfristig erhebliche Auswirkungen auf unser psychisches und physisches Wohlbefinden haben. Sie können zu chronischem Stress führen, der wiederum das Immunsystem schwächt und das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen erhöht. Negative Gedankenspiralen können auch das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und die Lebensqualität insgesamt mindern.
Und warum sind wir so empfänglich für schlechte Nachrichten?
Unsere Empfänglichkeit für schlechte Nachrichten ist teilweise auf evolutionäre Mechanismen zurückzuführen. In der Vergangenheit war es für das Überleben entscheidend, potenzielle Gefahren schnell zu erkennen und darauf zu reagieren. Unser Gehirn ist daher darauf programmiert, auf negative Reize stärker zu reagieren als auf positive. Dies wird oft als "Negativitätsbias" bezeichnet und führt dazu, dass wir uns stärker von negativen Nachrichten angezogen fühlen.
Nicht-Denken – ist das also manchmal die Antwort?
Nicht-Denken oder bewusste Auszeiten vom Grübeln über negative Nachrichten können durchaus eine hilfreiche Strategie sein, um das eigene Wohlbefinden zu schützen. Diese Auszeiten ermöglichen es unserem Gehirn, sich zu erholen und neue Energie zu tanken. Es geht nicht darum, die Realität zu verleugnen, sondern vielmehr darum, eine gesunde Balance zwischen Informationsaufnahme und Selbstfürsorge zu finden.
Beim aufstehen, auf der Toilette, nach der Dusche, im Auto, Bahn, Büro, Mittags, bis hinein ins Bett: der Nachrichtenfluss. Ist das nicht zu viel und was tun wenn es schon Sucht ist?
Es gibt aus der Medizin überliefert den schönen Satz „Die Dosis macht das Gift“. Und so ist es nicht nur bei Medikamenten, sondern auch bei Nachrichten. Natürlich, die Lösung kann nicht sein, Negatives einfach zu verschweigen oder sich von allen abzukapseln. Ich brauche Nachrichten, allein schon, um informiert zu sein. Aber ich muss die Dosis so begrenzen, dass sie mir nicht schadet. Es gibt Studien, wonach bei mehr als zwei Stunden Medienkonsum pro Tag eine kritische Schwelle überschritten wird. Zwei Stunden klingt erstmal nach viel, aber die werden heute im Schnitt locker erreicht, bei jugendlichen liegt dies beim doppelten!
Was können Menschen tun, die merken, dass ihnen das zu schaffen macht? Dazu gehören der bewusste Konsum von Nachrichtenquellen, das Einplanen von regelmäßigen Auszeiten, die Fokussierung auf positive Aktivitäten und der persönliche Austausch mit anderen Menschen. Ein berühmter Schriftsteller hat mal gesagt: „Humor ist Tragik plus Zeit“. Dieses Zitat finde ich sehr schön, weil es unserer Alltagserfahrung entspricht. Nicht alles, aber viele Dinge sind mit etwas Abstand lustig. Auch so manches riesige Angstmonster entpuppt sich im Nachhinein als lustige Geschichte, die wir unseren Kumpels in der Kneipe erzählen können. Und wenn man das weiß, kann man eigentlich auch schon im Vorfeld lachen. Das ist die Kunst des Humors. Lachen ist ein gutes Ventil, man kann aufgestaute Emotionen so ein Stück weit loslassen.
Founder Little Shop of Science & Founder Women In Charge | Astrophysicist | Author | e-Mobility | Science | Education | Environment | Finding Solutions | Bringing People Together |
10 MonateSehr richtig! Sehr wichtiges Thema. Und besonders Menschen, die alleine leben, können (zu viele) negative Nachrichten sehr schlechte Nebenwirkungen haben. Trifft übrigens auch viele Senioren.
Business Consulting
10 MonateLeider hast du so recht, Bernhard! Jedoch kann jeder Einzelne zur Veränderung beitragen. Wir brauchen endlich positive Schlagzeilen auf den Titelseiten, nur, dass müssen die Menschen auch wollen.
Ein starkes Interview Bernhard. Danke für deine Gedanken und ja, mit Spaß und Machen funktioniert es am Besten!