Wenn nichts mehr geht, gehen Unternehmen in sich – doch das geht meistens nicht gut
In meinem Blogbeitrag über den Irrsinn von zu vielen internen Meetings und Conference Calls habe ich darüber berichtet, wie solche mehr oder weniger sinnlosen Veranstaltungen nicht nur ganze Abteilungen, sondern sogar ganze Unternehmen lähmen können. Resonanz auf und Zustimmung für diesen Artikel waren riesengroß. Dennoch tun sich in diesem Zusammenhang zwei Fragen auf: Erstens, wie kann man diesen innerbetrieblichen Missstand verändern? Zweitens, wer kann eine Veränderung herbeiführen d.h. wer ist für eine vernünftige, zielführende und kundenrelevante Kommunikation in der Organisation verantwortlich?
Die Dosis macht das Gift
Zunächst muss festgestellt werden, dass interne Meetings durchaus ihre Berechtigung haben können. Dies gilt insbesondere immer dann, wenn Mitarbeiter informiert und motiviert werden sollen. In solchen Fällen sind Meetings gut angelegte zeitliche Investitionen. Die Kritik richtet sich also gar nicht gegen Meetings an sich, sondern gegen die Vielzahl der internen Veranstaltungen. Wie bei anderen Fällen gilt auch hier der Grundsatz: „Die Dosis macht das Gift“. Daher sollten die Verantwortlichen doch einmal darüber nachdenken, ob bilaterale Telefonate nicht doch wesentlich zielführender sind.
Weniger ist mehr
Auch Conference Calls können sehr wohl sinnvoll sein, besonders dann, wenn es um die zeitliche Überwindung der Distanz und damit um Einsparung von Reisezeiten und -kosten geht. Doch hier ist es nicht allein die Dosis, die zur Kritik Anlass gibt. Kritisch zu sehen ist jeweils die Anzahl der Teilnehmer, die in einem Call eingebunden sind. Ein Blick auf die Liste aller sich einwählenden Personen zeigt sehr schnell, wieviel kostbare Zeit bei Mitarbeitern, die nur unmittelbar betroffen sind, hier vergeudet wird. In den allermeisten Fällen hätte ein bilaterales Telefonat allemal gereicht.
Interne Absicherung
Fragt man nach den eigentlichen Ursachen solcher Zeitverschwendungen, so ist es sehr häufig der Zwang zur internen Absicherung, der bei hierarchischen Strukturen stark verbreitet ist. Treten nämlich bestimmte Ereignisse nicht so ein, wie es der Verantwortliche vorhergesagt hatte, so liegt es in der Natur des Menschen, dass dann eine Fülle schier unerschöpflicher Erklärungen herhalten müssen. Dies natürlich teilweise auch, um von der eigenen Leistung abzulenken.
Die Anderen sind schuld
Häufige Beispiele sind ein negativer Projektverlauf oder der unerwartete Verlust eines Auftrags. So entsteht eine regelrechte Absicherungskultur unter dem Motto „Die Anderen sind schuld!“ Das hat eine enorme Blindleistung zur Folge, denn entgegen der notwendigen Ressourcenschonung werden sehr viele unnütze Besprechungen und Meetings mit Rechtfertigungscharakter abgehalten. Ohnehin werden sehr häufig Termine, die der eigenen Reputation dienen, viel wichtiger genommen, als Termine mit Kunden. Das gilt übrigens ganz besonders für Unternehmen, die derzeit dem Erfolg ein wenig hinterherlaufen. Hier dreht sich die (Erfolgs-)Spirale nach innen und nicht nach außen. Interne Meetings und die Suche nach Fehlern und Schuldigen häufen sich, der Kunde wird vernachlässigt. Frei nach dem Motto: „Wenn nichts mehr geht, gehen Unternehmen in sich!“
Kultur wird nicht verordnet, sondern (vor-)gelebt
Kommen wir zur zweiten Frage: Wer leitet den entscheidenden Schritt zur Veränderung ein? Eigentlich ganz einfach: Meetingkultur und Absicherungskultur haben eines gemeinsam. In beiden Wörtern steckt der Begriff „Kultur“. Und Kultur muss gelebt werden und kann nicht so einfach verordnet werden. Soll Kultur verändert werden, dann muss sie vorgelebt werden. Und dazu ist in klassischen Organisationen nur das Top-Management in der Lage. In agilen Organisationen mit selbstorganisierten Teams dagegen können es die Teammitglieder selber übernehmen. Ohnehin sind agile Organisationen weniger anfällig für eine Absicherungskultur, denn hier herrscht in aller Regel eine ganz andere Kultur: Mitarbeitern wird vertraut und die Möglichkeit des Scheiterns wird jederzeit und jedem Mitarbeiter eingeräumt. Fehler werden nicht als Karriereknick, sondern als Chance angesehen, um sich weiterzuentwickeln.
Drei Empfehlungen für ein effektiveres Miteinander
Fassen wir die Überlegungen zusammen.
- Erste Empfehlung: Auf Conference Calls gänzlich verzichten und nur bilateral telefonieren – das geht bedeutend schneller und ist effizienter.
- Zweite Empfehlung: Interne Meetings nur durchführen, wenn diese entsprechend vorbereitet sind und nicht nur der Absicherung dienen.
- Dritte Empfehlung: Vorleben der ersten und zweiten Empfehlung durch das Top-Management begleitet von einem „Management by Walking around“ , also einem Führungsverhalten, bei dem der direkte persönliche Kontakt zwischen der Unternehmensführung und den Mitarbeitern auf allen Hierarchieebenen einen hohen Stellenwert genießt.
Mehr zu diesem Themenkreis erfahren Sie hier.
Leitung ZIA-Akademie / Mitgliedermanager bei ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
6 JahreGenerell sollten Meetings vorbereitet werden. Es sollten nur Mitarbeiter eingebunden werden, die notwendig sind. Die Mitarbeiter müssen Ihre Themen in einer Agenda eintragen. Pro Thema muss eine Zeitangabe in Minuten angegeben werden. Z.B. Thema Stand Mitarbeiterplanung (5Min). Das hilft bei der Fokussierung. Die Zeitvorgabe muss der Moderator der Sitzung einhalten und darauf achten, dass der rote Faden eingehalten wird. Also: nicht vom Hölzchen aufs Stöckchen! Die Sitzung muss Ergebnis orientiert aufgebaut sein. Jeder Punkt der Agenda muss gekennzeichnet sein, ob er nur der Info dient oder ein Beschluss dazu gefasst werden muss. Im Protokoll der Agenda wird dies festgehalten und ggf. ein Entschluss mit Verantwortlichen getroffen (Herr Müll kümmert sich bis zum 10. Dezember um...). Das Protokoll wird von einem Protokollführer geschrieben. Moderation und Protokoll wird in jeder Situation von einem anderen Mitarbeiter geführt bzw. geschrieben. Jeder Mitarbeiter soll hier mal den Hut aufhaben. Stichworte: Wertschätzung, Verantwortung, Teambildung ...). Eine klare Agenda mit Zeitangabe wirkt effektiv und jeder relevante Mitarbeiter hat seinen Part.
Besonders gut: der Hinweis auf die vorgelebte Mentalität. Leider mangelt es daran besonders häufig.
täglich grüßt...
6 JahreAh ja, immer die anderen ;-) Schöne Denkanstösse, danke für den Artikel Prof. Dr. Dirk Lippold
Unternehmerische Führungspersönlichkeiten stärken, um Komplexität zu meistern und nachhaltige Entwicklung zu fördern.
6 JahreVormachen erfordert Präsenz, nicht nur physisch, sondern auch geistig. Da hilft eine Reflexion über Identität und Intention. Das wiederum erfordert Zeit und entsprechende Räume, die sicher genug sind, damit auch Führungskräfte sich gegenseitig hinterfragen können. Das kann zu Klarheit und Führungsqualität führen, ist jedoch nicht immer der Karriere dienlich, in einem Management Meeting zu sagen „ich habe da gerade keine Ahnung“. Auch hier, stimme ich zu, sind bilaterale Gespräche besser für geeignet, aber gerade die setzen Vertrauen voraus. Somit bleibt die Meeting-Kultur eine gute Repräsentation der Unternehmenskultur.
Digital-Experte mit umfangreicher Erfahrung in E-Commerce, Online-Business, Führung und Transformation
6 JahreWenn sich alle maximal absichern, bleibt die Crew eben im Basislager stecken. ;-)