Wenn Stress krank macht ...

Wenn Stress krank macht ...

Depressionen gehören weltweit zu den häufigsten Krankheiten. Rund 20–25 % aller Menschen erleiden mindestens einmal in ihrem Leben eine Depression, wobei Frauen 2- bis 3-mal häufiger betroffen sind als Männer. Die Depression ist eine Krankheit, die das Fühlen und Denken beeinträchtig, aber auch körperliche Symptome verursacht. Schwere Depressionen können sogar lebensbedrohlich sein, weshalb man eine Depression nie auf die leichte Schulter nehmen und unbedingt ärztliche Hilfe suchen sollte. Leider wird die Krankheit immer noch viel zu häufig nicht erkannt und deshalb auch nicht behandelt. Das mag unter anderem daran liegen, dass die Depression oft unterschätzt und nicht als ernst zu nehmende Krankheit wahrgenommen wird, weil wir in der Umgangssprache sehr schnell von einer «Depression» sprechen, wenn die Stimmung etwas gedrückt ist. Und nicht so selten gelten Depressive leider auch heute noch fälschlicherweise als willensschwache, nicht belastbare Menschen, als Versager. Das ist falsch! Die Depression ist eine echte Krankheit, die jeden treffen kann. Die gute Nachricht ist aber: Depressionen sind behandelbar und heilbar.

Wie äussert sich eine Depression? Depressionen können sehr unterschiedlich aussehen, es gibt aber einige typische Symptome, die bei den meisten Betroffenen vorhanden sind. Dazu gehören eine gedrückte Stimmung, eine ausgeprägte Antriebslosigkeit, der Verlust von Interessen und eine stetige innere Unruhe. Depressive können sich an Schönem nicht mehr freuen und sie haben grösste Mühe, Entscheidungen zu treffen, seien diese auch noch so einfach. Sehr häufig werden Betroffene auch von Angstzuständen, einem quälenden Kreisen der Gedanken um das immer gleiche Thema und hartnäckigen Schlafstörungen geplagt. Typisch sind auch Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie ein Gefühl der Überforderung. Viele Menschen mit einer Depression machen sich selber grosse Vorwürfe, haben starke Schuldgefühle und ziehen sich immer mehr zurück.

Auch die körperlichen Symptome können sehr vielfältig und unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Neben den Schlafstörungen sind Schmerzen (z. B. Kopf-, Rücken-, Bauchschmerzen), Schwindel, Appetitlosigkeit und Verdauungsprobleme sowie das Nachlassen der sexuellen Lust
typische körperliche Symptome bei einer Depression. Die Depression kann lebensbedrohlich sein Dass die Depression eine ernst zu nehmende Krankheit ist, die unbedingt behandelt werden muss, zeigt sich auch darin, dass eine unbehandelte schwere Depression tödlich enden kann. 15 % aller Menschen mit einer schweren Depression begehen Suizid (Selbstmord).

Damit ist die Depression bei Menschen unter 40 Jahren nach den Unfällen die zweithäufigste Todesursache. Fast alle schwer Depressiven haben Suizidgedanken und etwa die Hälfte unternimmt einen Selbstmordversuch. Es ist deshalb sehr wichtig, Menschen mit einer Depression auf Suizidgedanken und -absichten anzusprechen und alle diesbezüglichen Äusserungen sehr ernst zu nehmen. Durch eine sofortige fachgerechte Behandlung kann die Suizidgefahr in den meisten Fällen abgewendet werden. Chemisches Ungleichgewicht im Gehirn Man weiss heute, dass bei einer Depression der Stoffwechsel im Gehirn gestört ist und der Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen nicht mehr richtig funktioniert. Da die einzelnen Nervenzellen keinen direkten Kontakt zueinander haben, sondern durch den sogenannten synaptischen Spalt (auch Synapse genannt) voneinander getrennt sind, benötigen sie für das Weiterleiten von Informationen chemische Botenstoffe (sog. Neurotransmitter). Trifft in einer Nervenzelle ein Impuls ein, schüttet sie Botenstoffe in den synaptischen Spalt aus, von wo diese zur nächsten Nervenzelle gelangen. Dort docken sie an spezielle Bindungsstellen (sog. Rezeptoren) an und geben so den Impuls an diese Zelle weiter.
Bei einer Depression gerät der Hirnstoffwechsel aus dem Gleichgewicht und es kommt zu einem Mangel an Botenstoffen (v. a. Serotonin und Noradrenalin). Die gegen Depressionen verwendeten Medikamente regulieren den Hirnstoffwechsel und stellen das Gleichgewicht der Botenstoffe wieder her. Wenn Stress krank macht Die Ursache für diese Störung des Hirnstoffwechsels liegt in einer Störung des Stresskontrollsystems. Als Stressreaktion im biologischen Sinn versteht man die sinnvolle Reaktion des Gehirns und des Körpers auf Herausforderungen jeder Art. Sie kennen das: Wenn Sie z. B. im Strassenverkehr rasch reagieren müssen, eine besonders knifflige Aufgabe lösen oder eine körperliche Anstrengung leisten müssen, wird durch einen Adrenalinstoss Ihre Aufmerksamkeit, Reaktions- und Leistungsfähigkeit schlagartig gesteigert. Durch die Aktivierung des Stresshormonsystems und die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin mobilisiert der Körper die Energie, die er benötigt, um die Herausforderung zu meistern. Sobald die Situation vorüber ist, wird das Stresshormonsystem gebremst und der Adrenalinspiegel sinkt wieder ab.
Bei Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung kommt das Stresshormonsystem bei lang anhaltenden, starken Belastungen und chronischem Stress bei der Arbeit oder im persönlichen Umfeld nicht mehr zur Ruhe. Dadurch ist die Konzentration der Stresshormone dauernd erhöht, was zu einer Störung des Hirnstoffwechsels und zur Entwicklung einer Depression führen kann. Diese Entwicklung kann schleichend über mehrere Monate oder Jahre gehen, und es genügt dann oft eine vergleichsweise geringe Belastung (z. B. ein Umzug oder ein Stellenwechsel), um eine Depression auszulösen. 

Die Veranlagung zur Depression kann vererbt sein oder auf belastenden Erfahrungen im Kindesalter, wie Missbrauch oder Vernachlässigung, beruhen.
Und um es noch etwas komplizierter zu machen, spielt auch noch der individuelle Umgang mit Stress eine wesentliche Rolle. Meistens ist es nämlich so, dass nicht nur der Stress an sich zu einer Depression führt, sondern die negative Bewertung des Stresses: Das ständige Gefühl von Überforderung und zunehmendem Kontrollverlust führt zu einer zusätzlichen krank machenden Daueraktivierung des Stresshormonsystems und schliesslich zur Entwicklung einer Depression. Mithilfe von psychotherapeutischen Verfahren und Strategien zur Stressbewältigung kann diese negative Spirale gestoppt werden.
Dieses Entstehungsmodell der Depression wird in Fachkreisen als Vulnerabilitäts-Stress-Modell (Vulnerabilität = Anfälligkeit) bezeichnet. Depressionen sind gut behandelbar Die Behandlung einer Depression leitet sich aus deren Entstehung ab und umfasst nichtmedikamentöse und medikamentöse Behandlungen.
Zu den nichtmedikamentösen Therapien gehören verschiedene Formen der Psychotherapie und diverse Stressbewältigungsverfahren wie z. B. autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Biofeedback, Tai-Chi, Qigong, Massagen, Aromatherapie, regelmässige Bewegung (wenn möglich an der frischen Luft) usw. Die Psychotherapieverfahren sind vorwiegend lösungsorientiert. Es geht in erster Linie darum, konkrete Lösungen zu finden, Ressourcen zu mobilisieren und einen besseren Umgang mit Stress zu erlernen. Bei leichten Depressionen reichen Psychotherapie und Entspannungsverfahren oft als Behandlung aus.
Bei mittelschweren und schweren Depressionen muss aber zusätzlich medikamentös behandelt werden. Die verwendeten Medikamente, die sogenannten Antidepressiva, greifen in den gestörten Hirnstoffwechsel ein und stellen das Gleichgewicht der Botenstoffe wieder her. Die modernen Antidepressiva sind gut wirksame Medikamente, die kaum Nebenwirkungen verursachen. Sie machen nicht abhängig und verändern die Persönlichkeit nicht. Man muss aber wissen, dass die Wirkung von Antidepressiva erst nach 2 bis 4 Wochen eintritt, weshalb man zu Beginn der Behandlung etwas Geduld haben muss.
Neben den rezeptpflichtigen synthetischen Antidepressiva gibt es auch pflanzliche Heilmittel, die ohne Rezept erhältlich sind. Am bekanntesten ist das Johanniskraut, das sich bei leichten und mittelschweren Depressionen gut bewährt hat. Lange genug unbehandelte Depressionen verlaufen in Phasen und haben ein hohes Rückfallrisiko. Es ist deshalb sehr wichtig, die Behandlung nach der akuten Phase (ca. 1–2 Monate) während mindestens 6 Monaten weiterzuführen. Durch diese Erhaltungstherapie kann die Gefahr eines Rückfalls deutlich vermindert werden. Bei Patienten, die bereits mehrere depressive Episoden hatten, empfiehlt es sich, die Behandlung noch deutlich länger, oft über mehrere Jahre, weiterzuführen. Das bedeutet aber keinesfalls, dass diese Menschen so lange krank sind. Erhaltungs- und Langzeittherapie dienen einzig der Stabilisierung und der Vorbeugung eines Rückfalls. Dank der heutigen Behandlungsmöglichkeiten kehren bei den meisten Betroffenen die Freude und Lust am Leben sowie eine normale Leistungsfähigkeit sehr rasch zurück. Die meisten können nach der akuten Phase wieder ein völlig normales und erfülltes Leben führen und ihre Arbeit wieder aufnehmen.

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