Wenn Verträge und Vereinbarungen ungeahnte steuerliche Folgen haben – Hilfe! Wie bekommen wir das weg?
Steuerliche lässt sich vieles Gestalten. Mandaten und Berater werden dabei richtig kreativ. Manchmal hat die Gestaltung ungeahnte oder unbeachtete Folgen. Dann kommt die Frage auf ob man das, was man sich da gemeinsam ausgedacht hat wieder beseitigt bekommt. Im Idealfall…ohne steuerliche Folgen.
1️⃣ Keine steuerliche Rückwirkung
Grundsätzlich können Sachverhalte nicht mit steuerlicher Wirkung rückwirkend gestaltet werden. Die rückwirkende Einflussnahme auf den Steueranspruch ist ein unzulässiger Eingriff in ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis.
Auch der „Vertrag in der Schublade“ taugt als Gestaltungsmittel nicht und ist vermeiden. Fällt er auf oder entfaltet er in Bereichen Auswirkungen, die nicht bedacht wurden oder sich zwischenzeitlich geändert haben sind die Folgen fatal, nicht übersehbar und strafrechtlich relevant.
2️⃣ Rückwirkendes Ereignis
Eine Ausnahme besteht, wenn ein rückwirkendes Ereignis vorliegt. In diesem Fall kann nach § 175 AO eine rückwirkende Änderung so vollzogen werden, dass die steuerlichen Folgen beseitigt werden.
Bei geschlossenen Vereinbarungen geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein rückwirkendes Ereignis nur vorliegt, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war.
3️⃣ Wegfall der Geschäftsgrundlage
Eine Möglichkeit das Rechtsgeschäft zu beseitigen kann der Wegfall der Geschäftsgrundlage sein.
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Ob der zivilrechtliche Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ein rückwirkendes Ereignis darstellt hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Insbesondere kommt es darauf an, ob § 313 BGB die Anforderungen des „Angelegt seins“ im ursprünglichen Rechtsgeschäft erfüllt. Dies dürfte nicht in jedem Fall anzunehmen sein.
Besondere Bedeutung kommt dann der zivilrechtlichen Wertung zu, nach der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB nur diejenigen Umstände und Vorstellungen sind, die für den Geschäftswillen der Parteien relevant sind. § 313 BGB setzt darüber hinaus ausdrücklich voraus, dass die beteiligten Parteien den Vertrag bei Kenntnis der Störung nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Die Geschäftsgrundlage ist damit nicht identisch mit dem Vertragsinhalt.
4️⃣ „angelegt im Vertrag“
Die Rechtsprechung (zuletzt FG Niedersachen 9 K 162/21 vom 5.1.2023) versteht die Formulierung für die Anwendung des § 175 so, dass es nicht erforderlich ist, dass der Grund für die Rückübertragung im Wortlaut des Vertrages geregelt sein muss. Ausreichen soll es, wenn die für den Vertragsschluss relevanten Aspekte aus den Begleitumständen im zeitlichen Zusammenhang mit dem ursprünglichen Rechtsgeschäft ersichtlich sind. Nicht ausreichend ist die Behauptung einer gemeinsamen Fehlvorstellung, die zum Wegfall der Geschäftsgrundlage geführt hat.
Für die Praxis ist diese weite Sichtweise des FG Niedersachen vorteilhaft, da sie es ermöglicht ggf. durch Nachweis Fehlvorstellungen vorzutragen und die Korrektur durchzusetzen. Da gegen das Urteil ein Revisionsverfahren anhängig ist, kommt es darauf an, wie der BFH die "Anlage im ursprünglichen Rechtsgeschäft" auslegt ob die weite Sichtweise des FG Niedersachen Zustimmung findet..
5️⃣ Für die Praxis
Die Argumentation und Sichtweise des FG Niedersachen ermöglicht es unliebsame Folgen einer steuerlichen Gestaltung durch die Verknüpfung von Steuerrecht und Zivilrecht zu beseitigen. Erforderlich ist allerdings die Begleitumstände, die zur Fehlvorstellung geführt haben darlegen zu können.
Um einer Auseinandersetzung mit dem Finanzamt über die Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus dem Weg zu gehen, sollte bereits bei Vertragsschluss Vorsorge getroffen werden.