Werbung für Abtreibung? Nein.

Erneut gibt es in Deutschland eine heftige Debatte um die Abtreibung. Diesmal geht es um die Frage, ob man für Abtreibung werben darf, wenn auch nur insoweit, als auf den Webseiten der einschlägigen Arztpraxen alle Informationen dazu bereitgestellt werden dürfen. Die Argumente sind jene, die auch schon bei der heute gültigen Neuregelung der rechtlichen Folgen eines Schwangerschaftsabbruches ins Feld geführt wurden: Während die eine Seite argumentiert, über das Lebensrecht eines Embryos dürfe nur die schwangere Frau selbst entscheiden, billigen die Gegner einer Abtreibung dem Embryo ein eigenes Lebensrecht zu, das strafrechtlich vom Staat zu schützen sei.

So ist auch heute noch die Lage. Abtreibung ist strafbar, wird aber unter bestimmten festgelegten Voraussetzungen (Pflicht zur Schwangerschaftskonfliktberatung und dann dreitätige Bedenkzeit) nicht verfolgt. Diese Rechtslage zwingt auch dazu, Werbung für die Abtreibung nicht einfach zu erlauben. Deshalb hatte eine Gießener Ärztin vor Gericht auch eine Geldstrafe hinnehmen müssen, die auf ihrer Webseite auf ihre Abtreibungspraxis hingewiesen und Informationen dazu ins Netz gestellt hatte. Das war „illegale Werbung“.

Tatsächlich kann vom Staat nicht Werbung für eine Handlung hingenommen werden, die unter Strafe steht, in diesem Fall die Schwangerschaftsunterbrechung durch Abtreibung. Das macht auch einen Kompromiss eigentlich unmöglich, es sei denn, man verrenkt sich so, wie man das schon bei der gegenwärtigen Konfliktlösung 1995 getan hat: Strafbar ja, aber keine Verfolgung. Dieses Prinzip der Nichtverfolgung einer strafbaren Handlung darf aber keine Schule machen. Unser Rechtssystem ist auf Verlässlichkeit aufgebaut, alle getroffenen Regelungen müssen für alle gleichermaßen gelten, sie müssen einklagbar und überprüfbar sein. Das Parlament sollte sich hüten, die Eindeutigkeit des Strafrechts weiter zu unterhöhlen.

Die Gegner des Werbeverbots argumentieren, es ginge ja nicht um Werbung, sondern nur darum, abtreibungswilligen Frauen entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. Dazu reicht es freilich aus, die Arztpraxen zu benennen, in denen solche Eingriffe durchgeführt werden. Dort sind dann alle notwendigen Informationen zu bekommen, und dieser Gang zu einer Beratung ist angesichts der Schwere des Eingriffs und auch der Entscheidung dazu zumutbar. Mit Antifeminismus hat das gar nichts zu tun.

Es ist auch unfair, jene zu diffamieren, die dem Embryo schon ein Lebensrecht zusprechen und dabei den Satz zitieren: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Denn wer dem Menschen, der im Embryo vollends angelegt ist, ein eigenes Lebensrecht zuspricht, steht ethisch jedenfalls auf jenem sicheren Boden, auf den sich eine humane Gesellschaft unbedingt begeben muss.


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