Werden politische Redner immer schlechter?

Werden politische Redner immer schlechter?

Vom schwachen Redner zum schwachen Vorbild.

Ja, politische Redner sind heute vielfach die Instant-Produkte unserer Zeit. Sie sind meist von ausschließlich oberflächlichem Interesse geprägt und steuern auf selbst kreierte Marken-Symbole zu, die sich zu jeder beliebigen Suppe aufkochen lassen.

Es hat den Anschein nach Gier, für etwas zu stehen. Eine oberflächliche Botschaft zu platzieren, konzentriert auf wenige Worthülsen und damit versteckt ein Wahl-Programm zu präsentieren, an das die Mehrheit sowieso nicht mehr glaubt.

Bei vielen Führungskräften und politischen Rednern der heutigen Zeit grenzt es an eine Anmaßung, wenn sie „Ich“ sagen und damit große Botschaften verkünden.

"Aber in Zeiten der akzeptierten Meinungsvielfalt wird es immer schwieriger, eine bahnbrechende Neuentwicklung oder Reform von einer grenzenlosen Dummheit zu unterscheiden."

Ich habe im Zuge vieler Kommunikations- und Rhetorikanalysen, aber auch in der Zeit als Journalist und Moderator hunderte Interviews erlebt, in denen viel gesagt, aber wenig transportiert wurde. So auch zuletzt die inhaltsleere, aber botschafts-geschwängerte "Zukunftsrede 2030" des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehammer. Aber dazu ein ander mal mehr.


Februar 2022. Schauplatz Deutschland im Zuge des Ukraine-Konflikts. Als der ukrainische Botschafter nach seinem Ansuchen nach Hilfe bei der deutschen Regierung vor die Kameras trat, war er merklich angeschlagen. Die menschliche Unnahbarkeit des Beamtenapparates der deutschen Regierung in dieser Phase hatte ihn offenbar überrascht. Was sich durchaus erahnen ließ, war in dieser Notsituation offenbar geworden. Die führende Politik eines Landes, in diesem Beispiel Deutschland, hat wenig Feingefühl für den Menschen. Die intuitive menschliche Reaktion, also ein kleines Zeichen an Mitgefühl zu zeigen, war auch an diesem Beispiel nicht erkennbar.

"Jede politisch motivierte Handlung, und damit in erster Linie die öffentlich wirksamen Reden, scheinen mittlerweile von Instinktlosigkeit geprägt, sodass Kollateralschäden nicht mehr auszuschließen sind."

Wie konnte es soweit kommen?


Runde Ecken von Rednern

Wenn wir Funktionäre der Parteien beobachten, wie sie in ihren Ämtern Karriere machen, dann entwickeln sich politische Reden und RednerInnen von einem Edelstein mit Ecken und Kanten, den man als durchwegs charismatisch beschreiben würde, hin zu einem rundgewaschenen Flusssteinchen.

Feinfühligkeit wird ersetzt durch taktisches Geplänkel auf der Mittellinie. Ist plötzlich etwas außerhalb ihrer Denkmuster – und ein Krieg auf europäischem Boden ist wohl definitiv als Solches einzuordnen – dann sind sie heillos überfordert in ihrer Reaktion, die so untypisch zu dem ist, was sie täglich im Parteiumfeld ausleben dürfen.

Das Ergebnis sind Plattitüden, Phrasen und Worthülsen, die an Kälte nicht mehr zu überbieten sind. Lieber das rhetorisch Korrekte, statt das menschlich Verletzliche.

Mittlerweile hat das Politbarometer als eine Art neues Navi die Steuerung sämtlicher Aktivitäten übernommen. So hat es zumindest für den Laien von außen den Anschein, dass eine Rede eher nach Umfrageergebnissen erstellt wird.

Und so verloren dieser politische Kompass scheint, so sehr haben ihn die handelnden Individuen offenbar ebenfalls verloren. Was für die Gesellscahft damit verloren geht, ist der Einblick in das tägliche Leben der Menschen, die sie führen sollte und damit das Vertrauen, dass sie diese Alltagsprobleme auch wirklich lösen kann. Medien titeln in der Vergangenheit viel von einer verlorenen Politikergeneration.

Im Zuge der ersten Tage der russischen Invasion haben private Unternehmen, Organisationen und Personen Hilfspakete geschnürt, während auf politischer Ebene mit oberflächlicher Rhetorik noch ein sachlicher Grund analysiert wird, warum das zustande kam, was Tatsache war.

Fehlende Empathie in Reden führt aber immer zu sehr strukturellen Kommunikationsstörungen.

Das haben auch andere Krisen schon gezeigt.

Rationale Versachlichung ist eben nicht immer die richtige Antwort auf die schwierigen Fragen des Lebens. Und am Beispiel der russischen Invasion ist es mit Logik sowieso nicht mehr getan. Um etwas aus tiefstem Herzen zu verstehen, braucht es das Zusammenspiel beider Gehirnhälften. Doch von der rationalen und der emotionalen Seite neigen Führungskräfte speziell in der Politik dazu die rationale Seite ein wenig zu sehr ins Zentrum der Überlegungen zu stellen. Meist gefiltert durch ausgeklügelte PR-Strategen wird aus einer Rede meist eine lauwarme Buchstabensuppe, die jegliche Empathie vermissen lässt.

Wir erkennen an vielen vergangenen, aber seltenen, Beispielen, was möglich ist, wenn charismatische RednerInnen neben der kühlen Überlegung, die es selbstredend immer wieder brauchen wird, auch Empathie ins Spiel kommen lässt und Menschen damit hinter sich vereinen kann. Die Führungsredner der Zukunft müssen empathisch werden, das gilt für private Beziehungen, wie auch für berufliche Zusammenarbeit. Wenn es einen Kompass für Redner braucht, dann muss er klar auf die menschliche Seite zeigen.

Öffentliche Streit-Rhetorik als Negativ-Vorbild

2008 hat der damalige österreichische Bundeskanzler Werner Faymann von der SPÖ mit dem Wahlkampfslogan „genug gestritten“ noch die Wahl für sich entscheiden können. Eine „sachlichere Auseinandersetzung“ und ein „Positiv-Wahlkampf“ sollte dabei im Vordergrund stehen.

Auch hier wieder die Rationalität im Vordergrund. Die emotionslose Lethargie und oberflächliche Versachlichung in den Diskussionen der letzten Jahre entwickelte sich immer rascher von einer Demokratie, die den Konsens sucht, hin zu einer ziemlich lauten Konfliktdemokratie.

Diese politischen Entwicklungen sind für die aktuelle Lage der Gesellschaft maßgeblich mitverantwortlich. Nach Jahrzehnten von ruhiger und fast übertrieben offenherziger Harmoniesucht, ist diese neue Art der Kampfrhetorik für Teile der Gesellschaft nun zu laut und nicht nachvollziehbar.

Warum streiten die da oben nur ständig? Warum hat sich das so entwickelt? Wir als Volk haben uns angepasst an diese teils vorwurfsvolle Machtrhetorik. Aber wollen wir das? Jein. Keine Demokratie funktioniert ohne Diskussionen und unterschiedliche Ansichten.

Die Art und Weise der politischen Grabenkämpfe hinterlässt aber mehr Leichen als Land gewonnen wird.

Beherrschen wir das? Nein, weil wir verlernt haben zu streiten. Ich bin vor Jahren auf ein Zitat des französischen Philosophen Montesquieu gestoßen: „Keine Freiheit ohne Streit!“ Denn ohne guten Streit funktioniert keine Gesellschaft.

Daher ist es mehr denn je wichtig, zu lernen wie wir richtig und „gut“ miteinander streiten und besser zu reden.

Beherrschst du die Fähigkeit der guten Rede?

Roland Aichhorn

Ein Werbefuzzi für Feingeister \ Multidisziplinärer Marken Designer \ Design Awarded Websites \°/

1 Jahr

Messerscharf analysiert, danke für den Beitrag!

Arno Hochsteiner

OÖ Familienunternehmen als starke Marken ✏️ Strategie 🔥 Branding 💬 Kommunikation

1 Jahr

Danke für den kritischen Artikel. Mich hat die Rede von unserem Kanzler auch etwas ratlos zurückgelassen.

Andi Schwantner

Storyfinding & Storytelling \ Corporate Influencer Schulungen \ All Media Digital Stratege \ Relevanz vor Reichweite \ Transformation Kommunikation \ 25.000+ Artikel in Österreichs größter Zeitung

1 Jahr

Ich sag mal so: Geschichten erzählen, die zählen. Das ist eine Kunst, die eben nicht jeder kann...

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