What a Week
Liebe Leserinnen und Leser!
Die Analysten sind sich mehr oder weniger einig, dass die Inflation den Ausschlag für den Wahlsieg von Donald Trump gegeben hat. Die Amerikaner, so der Tenor, seien zum Schluss gekommen, dass es ihnen vor vier Jahren besser gegangen sei. Also wieder her mit Trump.
Vertan, vertan
Sollten die Preise der Grund gewesen sein, war die Wahlentscheidung eine schlechte. Wirtschaftspolitik bei Trump ist mehr Inflations- denn Wirtschaftsturbo, analysiert der Ökonom Harald Oberhofer, nicht nur wegen der Tarife und Zölle, sondern auch wegen Trumps Liebe zu Öl und Gas. Investitonsprogramme wie der Inflation Reduction Act werden wohl wie auch der Ausbau erneuerbarer Energien gekübelt werden (Ausnahme Tesla). Trump, so Oberhofer, stehe für die alten Industrien, für deren Produkte es keinen Markt mehr gibt. Die Inflationsrate der USA liegt derzeit auch bei 2,4 Prozent, der niedrigste Wert seit Februar 2021. Zur Analyse von Harald Oberhofer bitte hier entlang.
Eine Abrechnung
Nicht nur Christian Lindner hatte diese Woche irgendwie Pech. Die Bildzeitung hatte ja sein Vorhaben, die Ampelkoalition aufzukündigen, etwas frühzeitig publiziert, was es Olaf Scholz, dem Bundeskanzler, ermöglichte, ihn zu entlassen, bevor Lindner Schluss machen konnte. Der deutsche Bundespräsident Frank Walter Steinmeier wiederum muss gedacht haben, dass nach der formellen Entlassung von Christian Lindner am Donnerstagvormittag am Donnerstagabend etwas Ruhe einkehren würde. Sein Festredner bei den Feierlichkeiten zum 35jährigen Jubiläum der Friedlichen Revolution in der DDR, der Schriftsteller Marko Martin, allerdings erinnerte ihn an die unrühmliche Ostpolitik der BRD und insbesondere die „Friedenspolitik“ seiner Partei, der SPD. Während die Ehrengäste der Solidarność (im Bild der Streik in der Werft in Gdansk 1980, von dem die Revolution ausging) in der ersten Reihe nickten, weil sie sich auch gut erinnerten, wie etwa Egon Bahr Solidarność als Gefahr für den Weltfrieden bezeichnet hatte, versteinerte sich die Miene Steinmeiers zusehends. Am Ende des Abends kam es angeblich zu einem Schreiduell zwischen ihm und Martin. Denn Letzterer sprach natürlich von der Gegenwart verweigerter Solidarität gegenüber der Ukraine.
Und wie ist es mit Georgien? Wir haben mit der Politikwissenschaftlerin Alexandra Dienes über die Lage nach der Wahl gesprochen. Dienes meint, dass die EU das Land zu sehr unter Druck setze, sich zwischen Russland und der EU zu entscheiden. Als ein kleines Land mit langer Grenze zu Russland müsse es die Beziehungen ausbalancieren. Stimmt das? Zum Podcast mit Alexandra Dienes bitte hier entlang.
Hybrider Krieg
Die Rede von Martin war auch deshalb so eindrücklich, weil sie offenbarte, wie gleichgültig vielen Deutschen, nach Martin vor allem vielen Ostdeutschen, der Ukraine-Krieg ist. „Der Putin, der Putin, immer nur der Putin, aber was ist mit uns?“, sächselte er spöttisch. Dass Putin die kommenden Wahlen in Deutschland mitbestimmen wird, steht für die Bundeswahlleiterin Ruth Brand fest. In einem Brief an Olaf Scholz warnte sie unter anderem wegen dieser hybriden Kriegsführung vor verfrühten Neuwahlen. Was bedeutet hybride Kriegsführung? Wir haben ein ganzes Dossier zum Anteil des Digitalen daran. Bitte hier entlang.
Zu guter Letzt
Die Zeichnung auf der Tafel ist Teil eines Versuchs, dunkle Materie zu erklären. Dunkle Materie reflektiert kein Licht. Gibt es sie überhaupt? Der Physiker Gerard Higgins an der Tafel hat keine Zweifel, und er ist dabei, sie erstmals zu quantifizieren. Wie er das machen will, erklärt er hier.
Ein schönes Wochenende wünscht:
Der Pragmaticus
Kommentar der Woche
Ralph Schöllhammer über die Magie von Veränderungsversprechen
Von Trump-Anhängern war oft zu hören, sie wollten Amerika zurück haben („take America back“). Was rückwärtsgewandt klingt, ist es in Wahrheit nicht, meint der Politikwissenschaftler Ralph Schöllhammer. Er vergleicht im Kommentar der Woche Trump mit Barack Obama. Dessen „Yes, we can!“ versprach Veränderung. Und auf dieses Veränderungsversprechen kommt es an, so Schöllhammer. Auch bei Trump. Bei Take America Back ist nicht das back wichtig, sondern das take. Bei Make America Great Again geht es weniger um das great als um das again. Zum Kommentar der Woche bitte hier entlang.
Die gute Nachricht
Old Timer lebt
Wie der Buckelwal mit Namen Old Timer bisher überlebte, wissen die Forscher nicht. Aber nun gibt es Gewissheit, dass der Buckelwal, der 1972 zum ersten Mal fotografiert wurde, noch lebt. Er wurde vor Alaska wiedergefunden. Der Buckelwal ist Teil einer Langzeitstudie über die Wale im Pazifik. Buckelwale können achtzig oder auch neunzig Jahre alt werden. Old Timer gilt mit gerade mal 53 deshalb als alt, weil Buckelwale besonders von den ökologischen Veränderungen der Ozeane betroffen sind. Sie sind eine sogenannte Indikatorspezies, deren Präsenz oder Abwesenheit zeigt, wie gut oder schlecht es um einen Lebensrum bestellt ist. Nachdem Buckelwale durch Bejagung an den Rand des Aussterbens gebracht worden waren, haben sich ihre Bestände eine Zeitlang wieder erholt, bis eine marine Hitzewelle 2014 bis 2016 sie wieder schrumpfen ließ. Es gibt derzeit etwa 26.000 Individuen.
Interesse am Leben der Ozeane? Hier spricht etwa Drew Havea vom Forum Zivilgesellschaft Tonga darüber, warum die Pläne, Nickel, Kobalt und Co. im Pazifik abzubauen, in Tonga auf erbitterten Widerstand stoßen. Bitte hier entlang.
Erik van Doorn ist Jurist und spezialisiert auf Völkerrecht. Er erklärt, warum die Tatsache, dass die Ozeane niemandem gehören, ein Einfallstor für ihre (mehr oder weniger rücksichtslose) Ausbeutung sein kann und ihre Definition als Gemeinsames Erbe der Menschheit sie nicht ausreichend schützt. Auch interessant für alle, die sich für Rechtsgeschichte interessieren. Bitte hier entlang.
Weitere Beiträge finden Sie auf unserer Website Der Pragmaticus.
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