Wie das Physical Internet den Gütertransport revolutionieren könnte
Am AIT Austrian Institute of Technology arbeiten Forscher:innen an einem neuen Logistikkonzept, mit dem Potential die Transportbranche zu revolutionieren.
Die Zahl der globale Gütertransporte steigt immer weiter an und deren ressourcenintensive Abwicklung stellt Umwelt und Gesellschaft vor zunehmende Herausforderungen. Eine Möglichkeit diesen zu begegnen bietet das Physical Internet. Bei diesem Logistikkonzept suchen sich Güter selbstständig die jeweils beste Route in einem bestehenden Transportnetz. Als Vorbild für ein derartiges System, bei dem Waren und Güter in standardisierten Paketen auf unterschiedlichen Wegen befördert werden, dient eine der größten Errungenschaften der vergangenen 50 Jahre: der weltweite Datenhighway, das Internet.
Effiziente Lieferkette durch Standardisierung
Ähnlich wie beim digitalen Internet soll das Physical Internet durch Standardisierung von Containern, Schnittstellen und Protokollen sowie die Synchronisation von Transportmitteln und Kanälen zu einer effizienteren Lieferkette beitragen. So wie Datenpakete über unterschiedliche Server, Knotenpunkte und Provider schnell und präzise durchs Netz geschleust werden, so könnten auch physische Pakete in Containern ihren Weg von A nach B über Straßen, Schienen und Umschlaglager finden. Die Knotenpunkte eines Physical Internets entsprechen der bestehenden Infrastruktur der Logistikdienstleister, Industrie- und Handelsbetrieben, die mit den Technologien eines "Internet of things" aufgerüstet werden. Sie behalten ihre Ressourcen und Lagerstände aber nicht für sich, sondern stellen sie im Rahmen eines offenen Systems bereit, um das Gesamtsystem effizienter zu machen.
Gemeinsam Leertransporte reduzieren
Die durchschnittliche Auslastung bei Transporten in Europa beträgt nur 60 Prozent, was bedeutet, dass eine große Menge Leerraum auf Strassen, Schienen, Schiffen bewegt wird. Das Physical Internet soll dieses Problem lösen und den ungenutzten Raum reduzieren. Das System wählt den hierzu den besten Weg und nutzt die vorhandenen Kapazitäten im Netzwerk auf wirtschaftliche, ökologische und soziale Weise optimal aus. Ein Beispiel dafür wäre ein Dienstleister der freien Laderaum in seinem Lkw hat. Das System leitet ihn automatisch zu einem Unternehmen, das genau diesen freien Laderaum benötigt und somit optimal ausnutzt. Einige der Technologien, die für eine solche Koordinierung erforderlich sind, sind bereits verfügbar. GPS und Sensoren, Telematik- und IT-Netzwerke sind bereits weit fortgeschritten. Um das Physical-Internet-System zu realisieren, müssen die Beteiligten jedoch bereit sein, Daten in Echtzeit auszutauschen und auch die Ressourcen von anderen Unternehmen zu nutzen. Wenn beispielsweise der Lagerstandort eines Konkurrenten näher am Kunden ist, sollte dieser genutzt werden, um Waren für die letzte Meile zu transportieren. Auch könnten ungenutzte Stellplätze in einem nahegelegenen Supermarktlager als Zwischenlager genutzt werden.
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Aufteilung und smarte Transportmittelwahl
Jedes Unternehmen im Physical Internet kümmert sich nur um einen Teil der Lieferung und wählt dazu das ökonomischste und ökologische Transportmittel, was zu einer effizienteren und umweltfreundlicheren Logistik beiträgt. Durch Vermeidung von Leerfahrten und bessere Auslastung der vorhandenen Kapazitäten können so Kosten eingespart und Lieferzeiten verkürzt werden. Die gesteigerte Effizienz aller zur Verfügung stehenden Transportmittel führt zu einer Reduktion schädlicher Emissionen. Des Weiteren werden durch das Physical Internet (PI) die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Transportgewerbe deutlich verbessert, indem einzelne FahrerInnen anstelle von langen Überlandfahrten durch die optimierte Abstimmung von Fahrtwegen eher kurze Abschnitte fahren müssen. Zusätzlich soll der Verkehr im städtischen Bereich reduziert werden, wodurch die Lebensqualität in diesen Regionen beträchtlich gesteigert wird.
„Die größte Herausforderung bei der Realisierung des Physical Internet ist die Verknüpfung von Informationsfluss und Warenfluss. Im Forschungsprojekt „PhysICAL – Physical Internet through Cooperative Austrian Logistics“ erarbeiten wir Lösungen dafür und schaffen gemeinsam mit 16 Partner die nötigen Grundlagen für eine flächendeckende Umsetzung des Physical Internets in Österreich.“, so Dr. Matthias Prandtstetter, Logistikexperte am AIT Austrian Institute of Technology
Auch im Ausland ist Österreichisches Know-How in dieser hochrelevanten Zukunftstechnologie gefragt. So wurde Matthias Prandtstetter vom SRF - Schweizer Radio und Fernsehen zum Güterverkehr der Zukunft interviewt. Neue Technologien - Strasse, Schiene, Schifffahrt: der Güterverkehr der Zukunft - News - SRF
Mehr zu unseren Forschungsaktivitäten zum Physical Internet erfahren sie hier: Connected Logistics und Anwendungen im Physical Internet (PI) - AIT Austrian Institute Of Technology