Wie gelingt gute Selbstführung als Führungskraft?
Unsere Arbeitswelt ist komplex, wandelt sich, ist undurchsichtig und teilweise mehrdeutig. Ein gutes Zeitmanagement und eine effiziente Selbstorganisation sind zwar hilfreich, reichen aber nicht aus, um hier zu bestehen. Vonnöten ist eine stimmige und authentische Identität im Job, ein innerer Kompass, mit dem man die eigenen Ziele im Blick behält und Stärken und Ressourcen aktiviert. Zusammenfassen lassen sich diese Kompetenzen unter dem vielseits beschworenen Schlagwort der Selbstführung beziehungsweise Self-Leadership. Der Artikel gibt konkrete Handlungsanweisungen, wie man Selbstführung entwickelt beziehungsweise wie sie (noch) besser gelingt.
Carl Rogers' Ansatz zur Selbstführung
Der US-amerikanische Psychologie Carl Rogers beschäftigte sich mit den Voraussetzungen erfolgreichen Beziehungsmanagements und entwickelte daraus den personzentrierten Ansatz (PZA). Dieser geht davon aus, dass Menschen Experten für sich selbst und ihre Probleme und daher am besten in der Lage sind, entsprechende Lösungen zu entwickeln.
Überträgt man den PZA auf die Arbeitswelt, zeigt sich, wie wichtig eine vertrauensvolle, empathische Beziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeiter:innen ist. Als Vorgesetzter sollten Sie daher alles daran setzen, vorurteilsfreie Beziehungen und Gespräche zu führen und die Sorgen und Ängste Ihrer Mitarbeiter:innen ernst zu nehmen. Denn nur durch eine offene, empathische und wertschätzende Führung gelingt es den Menschen, mit denen Sie arbeiten, angstfrei mit ihren eigenen Baustellen umzugehen.
Zuhören, ernst nehmen und Wertschätzen sind wichtige Fähigkeiten, in denen Vorgesetzte sich üben sollten. Wichtig sind darüber hinaus ein hohes Maß an Selbstreflexion, die Bereitschaft zur persönlichen Weiterentwicklung sowie ein authentisches Verhalten und eine offene, ehrliche Kommunikation.
Selbstreflexion Führungskraft
Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Selbstführung ist, sich seiner selbst - seines Denkens, Fühlens und Handelns - bewusst zu sein. Dies gilt besonders für Führungskräfte, die ja für die Anleitung und Ermutigung ihrer Mitarbeiter:innen zuständig sind. Für die Selbstreflexion sollte die Führungskraft daher ausreichend Zeit einplanen.
Selbstreflexion will gelernt sein und erfordert Zeit und Arbeit. Finden Sie Methoden, die sich gut in Ihren Alltag einpassen, wie das Führen eines Tagebuchs. In einem Journal können Sie die Motive für Ihr Handeln in verschiedenen Situationen und den Umgang mit den eigenen Stärken und Schwächen für die anschließende Reflexion festhalten.
Auch das Einholen von Feedback und der Abgleich der Ergebnisse mit dem eigenen Selbstbild eignen sich zur Verbesserung der Selbstreflexion. Zusätzlich können Sie sich selbst immer wieder fragen, ob Sie das vorleben, was Sie bei anderen erreichen wollen, und was Sie selbst in Zukunft verbessern können. Anhand solcher Überlegungen lernen Sie nicht nur Ihre Stärken und Schwächen besser kennen, sondern erkennen auch, was Sie künftig verändern sollten.
Empathie
Empathie ist die Fähigkeit, Gefühle anderer nachzuempfinden und ihre Perspektive einzunehmen. Gerade für Führungskräfte ist Empathie eine wichtige Kompetenz, da sie dank ihr erkennen, was ihre Mitarbeiter:innen fühlen, was sie motiviert und davon abhält, ihr volles Potenzial zu erfüllen.
Führungskräfte, die die Gefühlslage(n) ihres Teams kennen, können entsprechend agieren und reagieren. Beispielsweise können sie Rücksicht auf die Umstände Einzelner nehmen und proaktiv Lösungen anbieten. Denn: Von außen ist nicht immer erkennbar, was sich hinter Ängsten oder Unsicherheiten verbirgt. Durchhalteparolen oder Beschwichtigungen helfen häufig nicht. Stattdessen lohnt es sich, genau hinzuhören, präsent zu sein und sich Bewertungen und Ratschläge zu sparen. Erst wenn die Dinge in einer wertschätzenden, vorurteilsfreien Atmosphäre besprochen wurden, kann man gemeinsam versuchen, eine Lösung zu finden.
Möglichkeiten, Empathie zu zeigen, sind aktives Zuhören und die Präsenz im Gespräch. Nehmen Sie Teil an der Erlebenswelt der Mitarbeiter:innen und haben Sie ein offenes Ohr, statt gleich zu bewerten und einzuordnen. So verbessern Sie nicht nur die zwischenmenschliche Beziehung, sondern gewinnen auch neue Erkenntnisse über Ihr Gegenüber. Diese können Sie dann einsetzen, um die potenziellen Fähigkeiten von Mitarbeiter:innen (oder Teams) zu fördern und die Energie auf ein gemeinsames Ziel zu richten.
Für Führungskräfte, deren Mitarbeiter:innen im Homeoffice sitzen, bieten sich auch Ad-hoc-Anrufe an. Statt nur E-Mails zu schreiben, sollte man ab und zu zum Telefon greifen, um Dinge abzuklären. Dabei können Sie nach positiven Entwicklungen fragen und Anerkennung für Erfolge äußern, um die Motivation aufrechtzuerhalten. So zeigen Sie Ihrem Team Interesse und dass Sie es trotz der räumlichen Distanz wahrnehmen.
Authentizität
Führungspersonen, die authentisch auftreten, wirken glaubwürdig und schaffen es, in ihren Mitarbeiter:innen Vertrauen zu wecken. Ein wichtiger Schritt hin zur Authentizität ist bereits mit der Selbstreflexion getan. Indem man sich selbst besser kennenlernt, entwickelt man ein Bewusstsein für die eigenen Potenziale und Schwächen, für persönliche Bedürfnisse und Motivationen. So kann man seine Absichten viel sicherer kommunizieren und individuelle Stärken bewusst in die Führung einbringen.
Weitere wichtige Faktoren authentischer Führung sind Empathie und eine positive Gestaltung der Arbeitsbeziehungen. Entsprechend geht es darum, offen und ehrlich zu kommunizieren und bei Entscheidungen auch Informationen zu berücksichtigen, die nicht der eigenen Haltung entsprechen.
Das Motto einer authentischen Führung ist "Practice what you preach". Das heißt, dass Ihre Handlungen als Führungskraft mit den von Ihnen vertretenen Werten übereinstimmen sollten. Seien Sie daher kongruent in Ihrem Handeln und halten Sie sich an Absprachen. Dann wissen Ihre Mitarbeiter:innen, woran sie sind, und werden es Ihnen gleich tun.
Fazit
Empathie und Selbstreflexion sind wichtige Schlüsselkompetenzen für Führungskräfte. Wer erfolgreich führen will, muss sich immer wieder selbst hinterfragen und lernen, andere Perspektiven einzunehmen. Erfolgreiche Selbstführung beinhaltet, in Übereinstimmung mit den eigenen Werten zu handeln und diese transparent zu kommunizieren. Außerdem gilt es, gegenüber Mitarbeiter:innen empathisch und wertschätzend aufzutreten, ihre Sorgen und Probleme ernstzunehmen. Schauen Sie genau hin: Ist Ihre Führung echt und glaubwürdig, funktioniert sie und ist sie verlässlich? Wie kommunizieren Sie Ihre Führungsrolle an Ihre Mitarbeiter:innen?
Eine gute Selbstführung ist eine wirkungsvolle Methode, um den Zugang zu sich selbst und anderen zu verbessern. Sie erfordert ein hohes Maß an Eigenreflexion und die Bereitschaft, als Person sichtbar zu werden. Führungskräfte jedoch, die authentisch, empathisch und wertschätzend auftreten, offene Dialoge führen und aktiv zuhören, profitieren von einer positiven Beziehung zu ihren Mitarbeiter:innen.
Über den Autor
Oliver Wüntsch / Diplom-Betriebswirt / Master of Counseling | seit 2008 freiberuflicher Business Coach und Organisationsberater in Düsseldorf | seit 2014 Senior Coach im Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC).
Qualifizierung zum Mastercoach (ISP/DGfC) / Qualifizierung zum Coach (DGfC) / Studium Personzentrierte Beratung, Akademischer Grad: Master of Counselling (M.A.) / Weiterbildung Personzentrierter Berater (GwG) / Studium Wirtschaftswissenschaften, Schwerpunkte: Marketing und Controlling, Akademischer Grad: Dipl.-Betriebswirt (FH) / Ausbildung zum Werbekaufmann (IHK)
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Und hier geht es zu meinem ursprünglichen Beitrag zum Thema Selbstführung auf meinem Blog.