Wie verhindert man den Skill-Abbau durch KI?

Wie verhindert man den Skill-Abbau durch KI?

Im Handelsblatt war diese Woche ein Gespräch mit Siemens-Personalvorständin Judith Wiese und KI-Expertin Sabina Jeschke zu finden, in dem es darum ging, wie Künstliche Intelligenz Arbeit und Führung verändern wird. Von Wiese fiel dabei folgender Satz:

“Fachwissen allein reicht heutzutage nicht mehr aus, um eine gute Führungskraft zu sein.”

Die Frage, ob Künstliche Intelligenz Wissen wirklich entwertet, beschäftigt mich sehr. Einerseits sieht man selbst, wie gut vor allem die großen Bezahlmodelle wie Claude, Gemini oder ChatGPT geworden sind. Die Sprache ist flüssig, die Daten sind aktuell. Das Ergebnis ist kaum noch mit dem von Anfang 2023 zu vergleichen. Aber nur weil das Wissen mit einem guten Prompting zur Verfügung steht, heißt das nicht, dass es weniger wert ist. Was ich in meiner Arbeit - die zu einem großen Teil aus Wissensarbeit besteht - erlebe, ist, dass Kontextualisierung und ein Gefühl für das thematische Umfeld extrem wichtig sind, um den Output von generativer KI nutzen und verfeinern zu können. In meinem Bereich kenne ich den Kontext, die Akteure und die historischen Entwicklungen, weil ich mich jahrelang damit beschäftigt habe, so dass ich ein Gefühl dafür habe, was Common Sense oder zu oberflächlich ist.

Was aber klar ist: Für Neueinsteiger in ein Thema reichen die Sprachmodelle völlig aus, um sich schnell ein Grundwissen anzueignen. Viel spannender als die Frage, ob Fachwissen entwertet wird, ist für mich die Frage, wie es jungen, unerfahrenen Menschen gelingt, ein eigenes Gefühl für den Kontext und das Umfeld zu entwickeln. Das alles entsteht ja dadurch, dass man sich wirklich mit einem Thema auseinandersetzen muss. Das Lesen von ChatGPT-Antworten ist nicht das, was ich als Auseinandersetzung bezeichnen würde. Gleichzeitig ist diese leichte, schnelle und aggregierte Art der Wissensaufbereitung so verlockend, dass man vielleicht gar nicht in die Tiefe geht.

Im schlimmsten Fall lernen zukünftige Fach- und Führungskräfte Fähigkeiten und Wissen nicht, weil sie sich zu früh auf den Output der generativen KI verlassen. In der Praxis wird dieses Negativszenario höchstwahrscheinlich nicht eintreten, dennoch stellt sich die Frage: Wie stellen Führungskräfte sicher, dass Nachwuchskräfte die notwendigen Fähigkeiten und den relevanten Kontext in der Tiefe erfassen?

Eine einfache Lösung wäre mehr Sparring, mehr Coaching, mehr teaminterne Diskussionen? Können oder müssen Führungskräfte das angesichts voller Terminkalender und hoher Anforderungen selbst leisten? Im Idealfall sehe ich ein stärkeres Peer-Learning im Unternehmen als guten Kompromiss, bei dem sich Mitarbeiter über Hierarchie- und Altersstufen hinweg bewusster austauschen und herausfordern.


Dieser Text ist zuerst auf Alice Notizen' erschienen - meinem persönlichen Newsletter, der noch mehr Themen beinhaltet. Er ist HIER zu finden.

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