Wissenstransfer im Recht und was das mit den Wahlen zu tun hat
📣 „Viele Stimmen, vage Grenzen“
Was fast nach einem Motto für die heutige Europawahl sowie die Kommunalwahlen in acht Bundesländern klingt, ist der Untertitel des Sammelbandes „Wissen in Recht und Sprache“ herausgegeben von Katja Leyhausen-Seibert, Friedemann Vogel und Anna Menzel, erschienen bei Duncker & Humblot GmbH in der Reihe „Sprache und Medialität des Rechts“.
📫 Mein Autorinnenexemplar habe ich gestern, 2 Wochen nach den Feierlichkeiten zu 75 Jahren Grundgesetz, und einen Tag vor dem Wahlsonntag heute, aus dem Briefkasten gefischt.
🔎 In meinem Beitrag „Recht vermitteln. Perspektivität in der Vermittlung juristischen Wissens in Fort- und Weiterbildung“ geht es um die Frage, wie juristisches Fachwissen an Jurist:innen, Nicht-Jurist:innen aus anderen Disziplinen und Laien vermittelt wird.
📚 Untersucht habe ich das am Beispiel des E-Learnings in Onlinekursen, die sich an Professionelle und Expert:innen im Kinderschutz sowie an Interessierte richten.
🧑⚖️ In Kinderschutzverfahren gibt es häufig „viele Stimmen“ rund um die Lebenswirklichkeiten von betroffenen Kindern und Jugendlichen. Die Fallarbeit und Rechtsanwendung findet in von extrem widersprüchlichen Sichtweisen und Maßnahmen gekennzeichneten Situationen und in emotional hochbrisanten Gemengelagen statt. Dies macht es in der Fallarbeit häufig schwierig, die ‚objektive Wirklichkeit‘ zu erfassen. Forderungen nach einer eindeutigen, exakten und expliziten Fachkommunikation stoßen an Grenzen, denn Erkennen ist immer auch vom jeweiligen Bezugssystem des Individuums und von der entsprechenden Perspektive abhängig. Diese Perspektivität wirkt in jeglicher Form des Sprachgebrauchs.
💡 In meiner Textananalyse habe ich folgende drei Vermittlungsstrategien offengelegt:
👩🏫 Die Erkenntnis (oder vielmehr: das Eingeständnis), dass sprachliches Erkennen und Begreifen und alles, was wir mit der Sprache tun, nicht ‚objektiv‘, sondern immer von Perspektivität geprägt ist, gehört zentral in die Didaktik und Wissenskommunikation im Recht und in die Rechtsanwendung. Wichtig ist dies gerade in der interdisziplinären Fallarbeit als einer gemeinsamen Sprach-, Wissens- und Rechtsarbeit.
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📈 Der Mehrwert der Studie geht aber noch weiter: Mit meinem Modellierungsversuch zu Strategien bei der Vermittlung von Fachwissen im Recht geht es mir auch darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Akteur:innen im Recht selbst perspektivengeleitet sprechen, schreiben, Sachverhalte und Wissen vermitteln und mit Sprache handeln. So entstehen Fälle, rechtliche Entscheidungen und neue Lebenswirklichkeiten.
Was hat das mit dem Grundgesetz als Basis für einen freien und demokratischen Rechtsstaat und den Wahlen heute zu tun?
🧐 Die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Wahrheit und Lüge, Fakten und Fakes, Richtig und Falsch sind nicht immer klar und eindeutig. Dazwischen liegen viele Schattierungen und Zwischentöne, die es nicht immer leicht machen, sich in einer komplexen Wirklichkeit zu orientieren. Die Sprache und sprachlich ‚gemachtes‘ Wissen sind dabei allerdings zentrale Faktoren, die wiederum an den Geltungsanspruch und die Grenzen von Wissen und an Fragen der Macht geknüpft sind.
Das ist relevant fürs Recht. Heute vielleicht ganz besonders.
Das Buch gibt's als Print und als E-Book, allerdings nicht Open Access.
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