Wohin geht die Reise...?

Wohin geht die Reise in der Fotografie und wo kommt sie her? In meiner nun über 40-jährigen Historie  im Zusammenhang mit der Manipulation/ Retusche von Fotos habe ich so ziemlich alle Höhen und Tiefen, Euphorie, Frust, Absurditäten aber eben auch faszinierende technische Entwicklungssprünge miterlebt.

KI Tools sind jetzt das ganz große neue Ding. Ich muss gestehen, dass ich das nicht habe kommen sehen, obwohl ich mir einbilde, bisher immer ein ganz gutes Gespür für die neuesten Trends gehabt zu haben.

Gut, jetzt ist das Ding da und ich verzichte darauf, in die Diskussion einzusteigen, ob wir jetzt alle arbeitslos werden.

Unsere Arbeitsweisen werden sich stark verändern und die photo-visuelle Ästhetik ebenso.

Ich muß ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, nur so zur Warnung. Die Situation erinnert an meine Anfangszeit in der digitalen Fotoretusche. Erst habe ich selbst alle möglichen Manipulationen an Fotos ausprobiert mit zumeist sehr artifiziellen Ergebnissen, dann haben meine Kunden gelernt, was möglich war. Kaum einer konnte der Versuchung widerstehen, in Form von endlosen Korrekturanweisungen selbst Einfluss auf das Bildergebnis zu nehmen. Die Ergebnisse waren oftmals sehr künstlich anmutende Bilder. Glattgebügelte Haut, überzogene Kontraste usw.

Wenn man sich heute Werbung aus den 90ern und Anfang 2000er anschaut, spiegelt das genau wieder, wie zu dieser Zeit gearbeitet wurde. Mein jahrelanger Kampf (gemeinsam mit Fotografen, Producern und Kreativen aus den Agenturen) für mehr Natürlichkeit war ein Kampf gegen Windmühlen ; )...

... bis dann die Kunden die neue Natürlichkeit als wichtigen Bestandteil der Marketingstrategie im Beauty Bereich entdeckt hatten. Ich glaube die Initialzündung kam durch die erste Dove Kampagne (unretuschiert).

Begriffe wie gephotoshoppt oder kurz geshoppt waren in aller Munde und die Retuscheure waren die bösen Mädels und Buben, die alle Fotos tot retuschierten. Ich erinnere mich noch gut an Korrekturbögen mit Bereichen, die als over retouched markiert wurden in denen gar nichts retuschiert war. Ich muß gestehen, dass ich das ein oder andere mal die gleiche Version zurückgeschickt habe und als Kommentar ‘schon viel besser’ erhielt.

OK, genug geschwafelt!

Die Ergebnisse, die uns von Bild-KI’s wie Midjourney und Adobe geliefert werden sind absolut faszinierend, wenn auch oft ein wenig zufällig. Aus meiner Erfahrung was Briefings/ Layouts und die minutiös ausgeführte Umsetzung, auch in der Fotografie angeht, sehe ich da Probleme auf die Kreativbranche zukommen. Die Ergebnisse besonders von Midjourney haben oft einen ganz speziellen Look. Ich bilde mir ein z.B. auf Instagram ein KI Motiv in Bruchteilen einer Sekunde zu identifizieren.

Das wird sich wahrscheinlich noch ändern aber zum heutigen Zeitpunkt definiert das eine Bildsprache, die von Kunden wahrscheinlich akzeptiert und auch gewollt wird.

Wo geht die Reise also hin?

Der Ruf nach mehr Natürlichkeit ist in meinen Augen nur eine Frage der Zeit.

Wir Retuscheure werden mit der neuen Technologie arbeiten. Wir werden wie schon in der Anfangszeit der digitalen Fotografie die Fehler und Unzulänglichkeiten korrigieren müssen. Aber was entscheidend ist, wir sind mit unserer Erfahrung in der Beurteilung von Fotomotiven und der Sensitivität an welcher Stellschraube noch gedreht werden sollte - oder auch nicht - wichtig in jedem kreativ-visuellen Workflow.

Sind wir also bereit für den nächsten Evolutionsschritt im Digital Imaging?

Ich sag’s mal frei nach George Clooney in Ocean’s 11:

I was born ready

....zu dick aufgetragen? Stimmt....egal ; )

Stefan Kranefeld/ Pretty on Point

Bildidee und dazugehöriger Prompt: ChatGTP

Bild: Midjourney