„Wohlstand für alle“ als Antwort auf Negativzinsen und Vermögensungleichheit (1): Wer weniger Ungleichheit will, muss Kapitalbeteiligung wollen.

„Wohlstand für alle“ als Antwort auf Negativzinsen und Vermögensungleichheit (1): Wer weniger Ungleichheit will, muss Kapitalbeteiligung wollen.

Während an den Anleihemärkten mit Negativrenditen ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde, verschärfen sich die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, die da heißen technologischer Wandel, demographischer Wandel und Teilhabe an den Früchten des wirtschaftlichen Erfolges. Die Kapitalbeteiligung – und damit die Beteiligung an der Risikoprämie - als Antwort darauf würde „Wohlstand für alle“ ermöglichen, wie dieser Beitrag zeigt.

Die Negativzinsphase verschärft die gesellschaftlichen Herausforderungen

Die Lage an den Rentenmärkten ist dramatisch. Erstmalig in der 5.000-jährigen Geschichte von Schulden und Sühne bewegen sich die Renditen großer Teile des Staatsanleihemarktes im negativen Terrain. Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland bedeutet dies: Ca. 70% der deutschen Staatsanleihen haben eine negative Umlaufrendite. Das Nachsehen haben die Anleger. Damit aber ist eine ganze Anlagegattung für die Altersvorsorge und den Vermögensaufbau ein Totalausfall.

Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen aber bleiben, ja werden davon noch verschärft:

  1. Demographie und Vermögensaufbau: Während das „Methusalemkomplott“[1] ungelöst bleibt, steigt die Lebenserwartung immer weiter. Je länger aber die Negativzinsphase andauert, desto stärker wird diese zur Last für die üblichen Wege der privaten Altersvorsorge. Auch für den Vermögensaufbau insgesamt gilt: Sparen heißt Sparen im Rückwärtsgang. Wer allein bei Sparbuch und Staatsanleihen bleibt, für den kann die Lösung nur heißen: Entweder mehr sparen, oder länger arbeiten, oder in risikoreichere und damit langfristig ertragsversprechendere Anlageformen umschichten.
  2. Technologischer Wandel: „Disruptive Technologien“ und „Industrie 4.0“ sind die Schlagwörter unserer Zeit. Dabei ist noch lange nicht ausgemacht, wohin die Entwicklungen führen. Brynjolfsson und McAfee treffen die Vorhersage, dass es, wenn schon nicht zum Ende der menschlichen Arbeit, so doch zu radikalen Veränderungen in der Arbeitswelt kommt. Das „zweite Maschinenzeitalter“, das sie heraufkommen sehen, würde – anders als das erste – nicht mehr die Produktivität des Faktors Arbeit durch die Kombination Arbeit und Kapital (also Maschine) heben. Vielmehr würde es Arbeit durch Kapital ersetzen, so ihre Prognose. Eine radikale Prognose sicher, aber selbst wenn nur ein Teil der Arbeitsplätze und des Arbeitseinkommens entfallen sollte, durch was wird das Arbeitseinkommen ersetzt?
  3. Teilhabe: „Teilhabe“ – ein großes Wort, dass die katholische und evangelische Kirche in Deutschland in ihrer gemeinsamen Stellungnahme von 2014 eingefordert haben.[2] Dabei geht es letztlich auch um die gesamtgesellschaftliche Teilhabe am Wohlstand, indem die Kirchen feststellen „dass gerechte Teilhabe auch eine Frage von Einkommen und Vermögen ist. Beteiligungs- und Verteilungsgerechtigkeit gehören zusammen.“

Ordnungspolitik: Alles fließt zusammen in den Anforderungen an einen Ordnungsrahmen, der die effiziente Allokation knapper Ressourcen ermöglicht. Er sollte „Teilhabe“ mit Beteiligung an den Chancen sowie an den Risiken übersetzen, nicht mit Umverteilung. Umverteilung ist nicht nur nicht effizient, mindert also die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt, indem sie Leistungsanreize mindert, sondern ist eine ungerechte Form der Teilhabe, da sie an Teilhabe an den Früchten, nicht aber an den Risiken bedeutet und in die Bevormundung führt. Beteiligungs- und Verteilungsgerechtigkeit müssen daher immer auch die Beteiligung an den Risiken einschließen. Wer nur einseitig Leistungsempfänger ist, kann nicht Teilhaber im umfassenden Sinne sein. Er wird als Souverän („Alle Macht geht vom Volke aus.“) abhängig von seinen „Ministern“ (was im ursprünglichen Wortsinne „Untergebener, Diener, Helfer“ bedeutet), den eigentlichen Dienern des Volkes also, die über die Umverteilung bestimmen.

Die Lösung dieses ordnungs- wie verteilungs- und letztlich auch demokratietheoretischen Problems liegt in der Kapitalbeteiligung, also in der Beteiligung an Chancen und Risiken des investiven Kapitals der Volkswirtschaft. Anders ausgedrückt: Wer weniger Ungleichheit will, muss Kapitalbeteiligung wollen.

Wer weniger Ungleichheit will, muss Kapitalbeteiligung wollen

Wer weniger Ungleichheit will, muss Kapitalbeteiligung und damit die Beteiligung an der Risikoprämie wollen, die letztlich die wichtigste Begründung für Thomas Piketty lieferte, auch wenn dies in der öffentlichen Debatte um ihn und seine Thesen weithin übersehen wird.

Die sich auf historische Daten stützende Argumentationskette von Thomas Piketty[3] viel diskutiertem Buch „Capital in the Twenty-First Century“ geht entlang der von ihm postulierten Ungleichung „r > g“. Die auf das Kapital erzielte Rendite „r“ überträfe das gesamtwirtschaftliche Wachstum „g“. Aus dieser Ungleichung ergäbe sich im Zusammenspiel der von ihm so genannten „fundamentalen Gesetze des Kapitalismus“ eine zunehmende Kräfteverschiebung weg vom Arbeitseinkommen hin zum Kapitaleinkommen. Während der Anteil des Arbeitseinkommens am volkswirtschaftlichen Einkommen sinke, steige der Anteil des Kapitaleinkommens. Die Ungleichheit, so seine These, nehme durch diese Kräfteverschiebung noch weiter zu. Die Verteilungswirkung zu Gunsten der Kapitaleigentümer verschärfe sich zusätzlich dadurch, dass bei letzteren eine höhere Sparquote unterstellt werden könne als bei den Beziehern von Arbeitseinkommen. U.a. Ibbotson und Chen,[4] aber z.B. auch Fama und French[5] weisen aus der Historie eine Risikoprämie nach, die Aktieninvestoren gegenüber Staatsanleihen erzielt haben. Diese Risikoprämie aber ist letztlich der Treiber der Ungleichheit der Vermögen. Die historische Betrachtung verdeutlich dies: Wird z.B. die Risikoprämie von US-Aktien gegenüber US-Treasuries mit 30-jähriger Laufzeit über Zeiträume von 30 Jahren vom Beginn der erhältlichen Zeitreihen (1801) bis Ende 2015 verglichen, so zeigt sich, dass im Durchschnitt des Gesamtzeitraums eine Risikoprämie von 3,7 Prozentpunkten erzielt wurde, und die Risikoprämie lediglich in einem der betrachteten 30-Jahreszeiträume negativ war – eine Anlage in Staatsanleihen also vorteilhafter gewesen wären.[6]

Für den deutschen Kapitalmarkt sind die Daten nicht so lange zurück erhältlich, aber auch hier zeigt sich eine sehr ähnliche Entwicklung: Über die letzten 70 Jahre erzielte der cDAX eine Rendite von 8,3% p.a. Der REX-P, stellvertretend für die Staatsanleihen, nur von 2,8%. Während der REX-P damit die Inflation über die letzten 7 Jahrzehnte mit großer Mühe gerade so schlug, Kaufkrafterhalt also möglich war (was bei Negativrenditen und einer Preisveränderungsrate von größer Null nicht mehr möglich ist), konnten Aktieninvestoren eine Risikoprämie von 5,5 Prozentpunkten im Durchschnitt der Jahre erzielen. Geschichte wiederholt sich nicht, auch nicht an den Kapitalmärkten, aber die historische Betrachtung ist dennoch für auf die Zukunft gerichtete Überlegungen gut.

Wer an der Risikoprämie partizipieren will, kann dies aber nur mittels unternehmerischen Kapitals, nicht mittels Staatsanleihen tun. Es geht also um Kapitalbeteiligung an Unternehmen, was bsp. per Aktien(fonds) möglich ist.

Teil 2 „Wohlstand für alle - durch Kapitalbeteiligung“ folgt. Darin geht es auch um "Teilhaber-Fonds", die eine Antwort auf das von Bert #Rürup ("#Handelsblatt" vom 13.2.2017) angemahnte "Klumpenrisiko" bei Mitarbeiterfonds sein können.

[1] Schirrmacher, Frank; „Das Methusalemkomplott“

[2] Deutsche Bischofskonferenz; Evangelische Kirche in Deutschland; „Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft“; 2014

[3] Piketty, T. (2014); “CAPITAL in the Twenty-First Century”, Cambridge, Massachusetts London.

[4] Ibbotson, RG und Chen, P.; “Long-Run Stock Returns: Participating in the Real Economy”, Financial Analyst Journal, 2003, Volume 59 Issue 1

[5] Fama, F und French, K; “The Equity Premium”, The Journal of Finance, 2002, Volume 57, Issue 1

[6] Vgl. Naumer, Hans-Jörg; “If you want more equality, you have to embrace the risk premium”; VOX; 8. Juni 2016

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