Zögerlich oder entschlossen? Deutschlands Rolle bei Sustainable Finance

gekürztes Redemanuskript von Dustin Neuneyer, Geschäftsführer Deutschland und ­Österreich, Principles for Responsible Investment (PRI), zur F.A.Z.-Konferenz Nachhaltigkeit & Kapitalanlage

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich, hier gleich zu Beginn der Konferenz Nachhaltigkeit & Kapitalanlage einen Impuls geben zu können und ich bedanke mich für Einladung und für Ihr Erscheinen.

Es ist die Konferenz Nummer 3 in dieser Reihe. Und das sagt schon ganz viel. Die Tatsache, dass diese Konferenz schon zum wiederholten Mal stattfindet, zeigt die Entschlossenheit mit der wir alle an diesem Thema arbeiten. Gleichzeitig ist die Nummer 3 immer noch der Beginn; wir stehen bei dem ganzen Thema immer noch am Anfang.

Es gibt fast keinen Indikator für Nachhaltige Entwicklung, der nicht eine besorgniserregende Entwicklung aufweist: Klima, Wetter, Wasser, Luft, Böden, Biodiversität, Weltbevölkerung und Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen. Aber auch bei Arbeitsstandards, Arbeitsrechten, Corporate Governance und sogar Menschenrechtsstandards.

Und all das ist in zweierlei Hinsicht für den Finanzsektor von Bedeutung. Zum einen ist er betroffen: All die erwähnten Faktoren haben wirtschaftliche und finanzielle Implikationen, die sich im Wert eines Vermögensgegenstandes oder einer Kapitalanlage niederschlagen. Zum anderen ist der Finanzsektor selbst Gestalter all dessen: Eine entsprechend angepasste Investitionsanalyse und -entscheidung, die Arbeit mit entsprechend weiterentwickelter Bilanzierung und Reporting und entsprechende Kennzahlen und -größen; all das beeinflusst und gestaltet aktiv den Lauf der Dinge.

Um es ganz klar zu sagen: Deutschland und der deutsche Markt waren lange Zeit alles andere als Vorreiter in Sachen Sustainable Finance. Das hat viele Gründe, auch sehr nachvollziehbare. Im Vergleich zu anderen Märkten gibt es charakteristische Unterschiede: Großbritannien sowieso, aber auch die Niederlande, Skandinavien oder Frankreich; all diese haben große Pensionsfonds, in denen hohe Summen bei langen Verbindlichkeiten am Kapitalmarkt angelegt werden. In Deutschland spielt die Rentenversicherung, also das Umlagesystem eine größere Rolle. Dazu gibt es in den anderen Ländern teilweise mehr große Staatsfonds. In Deutschland ist der Finanzsektor stärker von Kredit- und Einlagengeschäft geprägt, weniger ein Investmentmarkt. Und überhaupt: die deutsche Wirtschaft ist viel stärker als woanders von Industrie und Güter produzierenden Unternehmen geprägt, in weiten Teilen nicht börsennotiert und ‑gehandelt.

Und in einigen Sektoren hat Deutschland auch viel getan: die Energiewende ist zum internationalen Begriff und Ausdruck geworden. Das Energieeinspeisegesetz ist ein international beachteter Erfolg. Zuletzt ließ das Tempo allerdings nach. Und immer wieder scheint das meiste davon in Deutschland irgendwie losgelöst vom Finanzsektor stattzufinden; so, als hätte dieser wenig mit all dem zu tun.

Aber der Tiefschlaf ist vorbei. Das ist erfreulich – und auch dringend nötig.

Betrachten wir die im Zwischenbericht des Beirates Sustainable Finance der Bundesregierung genannten möglichen Maßnahmen: Es gibt dort 53 Handlungsansätze! Das ist schon mal gut. Das ist deshalb gut, weil direkt klar wird, dass es Anpassungen auf vielen Ebenen und durch viele Akteure braucht; was schlicht der Größe der Herausforderung aber eben auch dem angemessen Umgang damit entspricht.

Ich sehe in dem vorgelegten Programm auch insgesamt eine Stärke; und diese Stärke ist zugleich auch eine Schwäche: Die Stärke liegt darin, dass hier ein umfassender Ansatz gewählt wird, der auf etliche entscheidende Rahmenbedingungen verweist.

Ich sehe aber auch eine Schwäche: im schlimmsten Fall stellt dies eine Verschiebung der Verantwortlichkeiten dar. Ich wünsche mir und erwarte, dass es kein (gegenseitiges) Verstecken gibt, hinter nicht überall idealen Rahmenbedingungen; dass es stattdessen ein entschiedenes, zuversichtliches Handeln aller Beteiligten gibt.

Im Zwischenbericht gut ausgeführt ist beispielsweise das Primat der Politik und die Langfristigkeit einer dauerhaften Arbeitsstruktur; wolkig dagegen bleibt z.B. die Forderung nach der Internalisierung von negativen Externalitäten.

Überall da, wo der Staat und die öffentliche Hand direkten Einfluss und direkte Verantwortung haben, muss mit Vorbildfunktion vorangeschritten werden, von Förderbanken, über Landesbanken und Sondervermögen etwa für die Altersvorsorge von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst, im Sparkassensektor, bei den öffentlichen Versicherern, bis hin zu den Börsen und der Deutschen Bundesbank.

Gut ist, dass das Arbeiten mit der EU-Taxonomy auch für das Kreditwesen empfohlen wird. Gleichzeitig wird sehr häufig auf „Bildung“ verwiesen – aber klar muss sein: eine gute Bildung bringt wenig, wenn es eine strukturelle Benachteiligung nachhaltigen Wirtschaftens – beispielsweise bei der Rechnungslegung – gibt. Auch Freiwilligkeit ist gut und ein qualitativer Wettbewerb bei Methoden-Offenheit auch – aber wenn wir abrupte Verwerfungen vermeiden wollen, dann ist zügiges und entschlossenes Vorgehen wichtig.

Freiheit und Regulierung gegeneinander auszuspielen ist vor diesem Hintergrund Unsinn.

Es kann nur um die Frage gehen, was die jeweils geeignete und effektive regulative Maßnahme oder Vorschrift ist, um einen maximal freien Markt zu ermöglichen, der Marktversagen bestmöglich ausschießt. Denn die Grundlagen von Prosperität und erfolgreichen Wohlstandsmodellen sind zum Glück nicht nur soziale Ausbeutung und ökologischer Raubbau, sondern eben auch Rechtssicherheit und klare Leitplanken für Unternehmen wie Investoren – kurzum: kluge Vorschriften helfen Markt, Wirtschaft und Gesellschaft.

Ich freue mich, diese Themen auf der F.A.Z.-Konferenz Nachhaltigkeit & Kapitalanlage mit Ihnen zu diskutieren und wünsche uns allen eine zukunftsgerichtete und optimistische Konferenz.

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