"In Zukunft mehr Blockchain-Formate"
Die #Blockchain könnte einmal die #Plattformökonomie ablösen, heißt es. Schon heute hilft sie bei der #Organisation von #Flüchtlingslagern. Dort wird mit einer #App auf Blockchainbasis die Verteilung von #Hilfsgütern gemanagt. Die Technik stammt vom Münchner #Startup Datarella.
Beim Namen denkt jeder an die Weltraumreisende Barbarella aus dem Science-Fiction von Roger Vadim. Was Datarella aus München entwickelt, hat wenig mit dem All zu tun, aber mit der nächsten Zukunft: Das Start-up entwickelt für Unternehmen wie #Siemens oder #Wirecard Anwendungen für die Blockchain, die Archiv-Technik von #Kryptowährungen. Auf deren Basis haben die Münchner ein einfaches #Bezahlsystem für Flüchtlingslager aufgebaut: Dieses hilft, den Vereinten Nationen viel Geld zu sparen und Lebensmittel, Kleidung oder andere Hilfsgüter transparent und human zu verteilen. Ein Gespräch mit Michael Reuter, Mitgründer von Datarella.
Wie kommt ein Start-up aus München zu einem Auftrag von den Vereinten Nationen? Michael Reuter (im Bild links): Ganz banal über eine Ausschreibung des World Food Programme Innovation Accelerators, einem #Inkubator der #UN. Ende 2016 suchten diese eine Möglichkeit, Transaktionen in der Blockchain abzubilden. Es sollte dabei um die Verteilung von Geld oder Produkten einer zentralen Stelle an hunderte oder tausende Empfänger gehen. Bis März 2017 kannten wir den genauen Einsatzort nicht, es hätte irgendein Gebiet in den 80 Ländern sein können, in denen das #WFP aktiv ist.
Wie habt ihr die Ausschreibung gewonnen? Reuter: Mit einem Accounting- und Paymentsystem, also ein einfaches Zahl- und Kontoführungssystem zur Verteilung von #Finanzhilfen. Das wurde erst in einem Flüchtlingslager in Pakistan getestet, kam ab Mai 2017 in Acras in Jordanien zum Einsatz und seit Anfang dieses Jahres in weiteren Lagern des Landes. Anfangs nutzen es 5000 Menschen, jetzt sind es rund 100.000.
Und wie schaut die Lösung aus? Reuter: Flüchtlingslager sind meist ähnlich organisiert: Familien leben dort in Zelten, Baracken, Containern und haben teilweise nichts, gar nichts mehr, auch keine Ausweise und anderen Dokumente. So lange sie sich nicht identifizieren können, dürfen sie das Lager nicht verlassen. Sie brauchen aber Nahrung, Kleidung und andere Dinge des Alltags, die Verteilstationen oder Supermärkte bereitstellen. Um einkaufen zu können, wurden bislang Coupons oder Smartcards ausgegeben. Wir haben jetzt auf Basis der Blockchain-Technologie eine App zum mobilen Bezahlen aufgebaut: Diese läuft in den Märkten auf androidfähigen Kassen-Devices. Nach einem Iris-Scan wird jedem Haushaltsvorstand unter einer Telefonnummer ein Konto eingerichtet, darauf wird das virtuelle Geld überwiesen, und mit dem Telefon kann er jederzeit nachvollziehen, wie viel er ausgegeben hat. Geld wird in der Regel an Haushalte oder Familien ausgeschüttet, das System ist aber so aufgebaut, dass man Subkonten einrichten kann. In diesem Fall verwalten mehrere Geräte das Haushaltsgeld gemeinsam und alle Familienmitglieder wären über die Ausgaben und den jeweils letzten Kontostand informiert.
Was geschieht, wenn Flüchtlinge ohne Smartphone ankommen? Reuter: Unser System läuft auf einfachen Featurephones, die oft an Flüchtlinge für die Kommunikation ausgegeben werden. Die Bezahlung darüber funktioniert dann per SMS und mit Hilfe von Transaktionsnummern (TAN), eine Text-Nachricht liefert die Informationen zum aktuellen Kontostand.
Wie funktioniert das Konto-System ? Reuter: Flüchtlinge kaufen anders ein. Während wir unseren Bedarf für einen Großeinkauf sammeln, besorgen sie sich spontan, was sie brauchen. In den Lagern ist es langweilig, die Verteilstationen sind oft die einzige Möglichkeit, andere zu treffen und sich zu unterhalten. Deshalb gehen Flüchtlinge häufig hin und kaufen oft einzelne Waren oder kleinste Mengen, etwa eine Zwiebel fürs Abendessen. In den bisherigen Bezahlverfahren wurde jeder Kauf verbucht, die Menge an Mikro-Transaktionen machte sie aber ineffizient und teuer, für jede Transaktion fielen Gebühren oder Arbeitsschritte an. Jetzt werden alle Kaufdaten in der Blockchain gesammelt und erst am Monatsende mit den Verteilstellen abgerechnet. Die UN sparen so viel Geld und können dies besser zur Versorgung von Flüchtlingen nutzen. Weiterer Vorteil ist die Vermeidung von Vorabzahlungen: Typischerweise stellen die UN Geld zur Verfügung, geben das an Organisationen vor Ort weiter, die es wiederum den Flüchtlingen auszahlen oder damit Hilfsgüter einkaufen. Bisher gingen sie dabei in Vorkasse, das aber ist wirtschaftlich immer schlechter darzustellen als eine produktgenaue Abrechnung in Echtzeit.
"Für Flüchtlinge ist sehr verführerisch, Technik zu bekommen"
Das System setzt aber voraus, dass Flüchtlinge lesen können? Reuter: Die App und das System können textlich und visuell auf alle Sprachen der Welt eingestellt werden. Allerdings sind syrische und andere Flüchtlinge in Jordanien gut gebildet und können mehrheitlich schreiben und lesen. Mit Raay, einem ähnlichen Produkt, das wir mit den Erfahrungen mit dem Building Blocks Projekt des WFP entwickelt haben, starten wir jetzt in drei afrikanischen Ländern. Auch dort nutzen vor allem Familien das Kontosystem. Die Älteren sind oft Analphabeten, ihnen assistieren aber meist Kinder und Enkel, die lesen können. Analphabetismus ist nur theoretisch ein Problem. In Acras funktioniert das System mit dem jordanischen Dinar, es könnte aber auf jede andere Währung umgestellt werden.
In Flüchtlingslagern kommen Menschen mit unterschiedlichster Bildung an. Wie gehen ungebildete Menschen mit hochmoderner Technik wie der Blockchain um? Reuter: Wir dachten wir anfangs auch, dass das problematisch werden könnte. Für Flüchtlinge ist es aber erstens sehr verführerisch, Technik zu bekommen. Viele Regionen, etwa in Afrika, überspringen zweitens technische Entwicklungen. Statt über Kupfer- und Glasfasernetze laufen in Afrika Telefonie und Internet über Funk. Aus unserer Denke mag es ein weiter Weg bis zur Blockchain und App-Ökonomie sein, wer aber diese Entwicklung gar nicht kennt, der nutzt neue Technik ohne Umwege. Und wir beschreiben ja nicht technische Ausstattung, sondern erklären lediglich Funktionen. Die Nutzer müssen gar nicht wissen, dass ihr Programm mit der Blockchain-Technik arbeitet.
Das System braucht Internetanschluss und Energie – ist das überall zu haben? Reuter: Jordanien ist ein hoch entwickeltes Land, die Infrastruktur auch in entlegenen Regionen daher kein Problem. Das ist in Ländern wie etwa Osttimor oder Mauretanien anders. Aber auch in abgelegenen Gegenden gibt es einen Generator oder Zugang zu Energie, außerdem können auch dort Funkstationen errichtet werden.
"Das Bezahlsystem ist noch nie ausgefallen"
Seit gut einem Jahr wird das System in verschiedenen Lagern eingesetzt. Was sind die praktischen Erfahrungen? Reuter: Als Software-Entwickler sind wir begeistert davon, dass das Bezahlsystem noch nie ausgefallen ist. Downtimes wären igentlich normal für die allererste Einsatzphase einer neuen Software, für das Blockchain-System gilt das nicht. Flüchtlinge gehen schnell wie selbstverständlich damit um, wenn sie Feedback geben, dann ein positives, weil sie jetzt besser informiert sind und mehr Transparenz über ihre Ausgaben haben.
Warum wird die Blockchain hier eingesetzt, welche Vorteile bringt sie? Reuter: Blockchain ist eine Datenbanktechnik, die nicht zentral auf einem Server liegt, sondern die sich alle Teilnehmer, die auf Daten zugreifen dürfen, teilen. Diese Nodes oder Knoten greifen jeweils auf die gleichen Daten zu, ohne wie in herkömmlichen Datenbanken den Zugriff regeln zu müssen. Damit steht erstmals eine Datenbank zur Verfügung, die Unternehmen und andere Einheiten teilen können, ohne einander vertrauen zu müssen. Die UN oder das WFP könnten also in das Konto-System Hilfsorganisationen und andere Partner integrieren. Daneben bietet die Blockchain Effizienz, in ihr lassen sich Smart Contracts, also spezifische Befehle zur Automatisierung von Prozessen integrieren. So speichert unser System nicht nur jede Transaktion automatisch im Kassensystem ab, sondern es aktualisiert automatisch die Kontostände in der App oder verschickt eine Textnachricht. Das WFP kann jetzt Mikro-Transaktionen bündeln und spart rund 98 Prozent der vorherigen Gebühren ein. Gerade wird das System von Wirtschaftsprüfern getestet. Taugt es außerdem dazu, die Ausgaben für Hilfsgüter zu belegen, ist eine dezentrale, elektronische Kontrolle möglich und müssten die Prüfgesellschaften niemanden mehr in die Lager vor Ort schicken.
Die Blockchain-Technik wurde mit dem Bitcoin vor etwa neun Jahren bekannt, warum wird sie erst jetzt diskutiert? Reuter: Alle paar Jahre sehen wir eine neue Technologiewelle. Das iPhone erschien 2007 und machte das Telefon zum Computer. Nach dieser mobilen Revolution ist es jetzt Zeit für Neues. Bei Datarella fanden wir aus einer Notwendigkeit zur Blockchain: 2013 starteten wir mit Projekten rund um Big Data. Viele Daten werden dezentral gespeichert, müssen aber für einen Realtime-Zugriff konsistent und unverändert vorliegen. Das war mit der damaligen Datentechnologie, aber auch nach mathematischer Logik nicht möglich, mit der Blockchain schon. Etherum, eines der größten Blockchain-Protokolle, lieferte nach der Bitcoin die erste Blockchain, die breiter eingesetzt und durch die Integration von Smart Contracts auch wirtschaftlich genutzt werden kann. In Zukunft wird es wahrscheinlich noch mehr Blockchain-Formate für spezifische Anwendungen geben.
Ist das Konto- und Zahlsystem auch auf andere Anwendungen übertragbar? Reuter: Aus dem System entstand auch das Bezahl- und Verwaltungssystem Raay, dessen Integration wir mit Partnern in drei afrikanischen Ländern vorantreiben. Mit Unterstützung der You-Stiftung soll Raay als Abrechnungssystem für Mieten und Wohnungskäufe im Senegal eingesetzt werden: In Dakar wird gerade der zentral gelegene Slum Baraka in eine kleine Stadt mit modernem Wohnraum umgewandelt. Die rund 2000 Einwohner sollen die Wohnungen mieten und kaufen. Dort entstehen zudem 40 Läden, in dem das Zahlsystem ebenfalls Verwendung finden könnte. Noch ein Einsatzgebiet ist Tansania, dort können mit unserem System Subventionen an Bauern effizient verteilt und Korruption ausgeschlossen werden.
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6 JahreBlockchain ist die Zukunft technisch gesehen genau wie der Bitcoin die Zukunft des Bankensystems ist und das ist sehr schön dass das immer mehr Menschen begreifen